Süddeutsche Zeitung

Maschinenbau:Läuft einfach nicht

Die Corona-Pandemie trifft die Branche hart - dabei hatte sie schon vorher Probleme. Hunderttausenden Mitarbeitern droht nun Kurzarbeit. Und wie es weitergeht, wagt niemand zu sagen.

Von Elisabeth Dostert

Das Coronavirus erreichte Wacker Neuson im Februar. Da musste der deutsche Konzern seine Produktion in China schließen. Aus der Epidemie wurde eine Pandemie. "Unser Werk in China in der Nähe von Shanghai war den ganzen Februar geschlossen", erzählt Vorstandschef Martin Lehner. Wie viele andere konnte er sich damals nicht vorstellen, dass das Virus bald die ganze Welt lahmlegen würde. "Ich habe mir nur Sorgen gemacht, dass die Versorgung unserer europäischen Werke eingeschränkt ist." Zumindest diese erwiesen sich als unbegründet. "China ist sehr schnell wieder hochgefahren", sagt Lehner. Auch das eigenen Werk arbeite wieder ohne Einschränkungen.

Während sich die Lage in Fernost entspannte, ergriff die Pandemie andere Länder. Das Beispiel der Firma zeigt, wie verwoben die Weltwirtschaft ist. "Der Shutdown in Italien hat unsere Werke in Europa massiv betroffen", sagt Lehner. Aus dem Norden des Landes bezieht der Konzern Hydraulik-Komponenten und Achsen. Ende März stellte Wacker Neuson die Produktion in Österreich, Deutschland und Serbien für zwei bis drei Wochen ein. Im April sackte die Produktionsleistung unter 50 Prozent des üblichen Maßes.

Das börsennotierte Unternehmen mit gut 6000 Mitarbeitern stellt handgeführte Geräte wie Stampfer her, mit denen der Boden verdichtet wird, Vibrationsplatten und Kompaktmaschinen wie Bagger, Radlader und Walzen bis zu 15 Tonnen für Bau, Landwirtschaft und Kommunen. Es vertreibt seine Produkte unter den Marken Wacker Neuson, Kramer und Weidemann. Schon im ersten Quartal 2020 hinterließ die Pandemie Spuren. Der Umsatz sank um 5,6 Prozent auf knapp 411 Millionen Euro, das operative Ergebnis um knapp 6,5 Prozent auf 29 Millionen Euro. "Zeitweise wurden Baustellen eingestellt, sodass Maschinen nicht ausgeliefert werden konnten." Auch der Transport über Grenzen hinweg stockte zeitweise. Die Prognose für 2020 hat der Konzern kassiert. Und für 2019 soll es nun doch keine Dividende geben, um die Liquidität zu stärken. Lehner will ohne staatliche Kredite und Zuschüsse auskommen. Dabei läuft es für Wacker Neuson noch einigermaßen.

Einige Märkte sind stark betroffen, andere laufen fast wieder normal, heißt es. Im gesamten deutschen Maschinenbau brach der Auftragseingang im März im Vergleich zum Vorjahr um real neun Prozent ein. Eine einzige Zahl gibt allerdings das, was die gut 6500 Unternehmen mit ihren weit mehr als eine Million Beschäftigten liefern, nur unzulänglich wieder, das Sortiment ist vielfältig. Pumpen, Lackieranlagen, Maschinen zur Bearbeitung von Metall und Holz, für Auto- und Chemieindustrie, für Bau- und Landwirtschaft. "Es gibt Firmen, die kommen noch ganz gut durch die Krise, bei anderen läuft es richtig schlecht", sagt Martin Welcker, Präsident des Branchenverbandes VDMA und Chef der Kölner Schütte-Gruppe. Gut läuft es für Firmen wie das Medizintechnik-Unternehmen Dräger oder die Hersteller von Logistiksystemen, die Online-Händler beliefern. "Hart getroffen" hat es Welckers eigene Firma mit knapp 600 Mitarbeitern und 123 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018. Im April habe der Auftragseingang noch bei zehn Prozent des Vorjahreswertes gelegen. "Das ist schon ziemlich gruselig", sagt Welcker. 300 Mitarbeiter hat er in Kurzarbeit geschickt. Das Jahr 2020 werde Schütte wohl mit Verlust abschließen.

Schon vor der Pandemie belastete der Handelsstreit zwischen den USA und China die Geschäfte

Schon vor der Pandemie belastete der Handelsstreit zwischen den USA und China die Geschäfte. Einige Firmen leiden unter dem Wandel hin zur Elektromobilität. Noch Anfang März rechnete der Maschinenbauverband mit einem Produktionsrückgang 2020 um fünf Prozent. Die Prognose gilt nicht mehr, eine neue gibt es nicht. "Der Maschinenbau ist ein Nachläufer", sagt Welcker: "Erst müssen sich unsere Kunden erholen, ehe sie wieder Maschinen bestellen. Die Krise wird uns bis weit in das Jahr 2021 begleiten." Für Hunderttausende Beschäftigte im Maschinenbau haben Firmen Kurzarbeit angezeigt.

"Für diese Krise gibt es keine Erfahrungswerte", sagt Welcker. Und es gibt nach seiner Ansicht weniger Optionen, um die Konjunktur anzukurbeln. Die Maßnahmen, die die deutsche Regierung anfänglich ergriffen hat, mag Welcker nicht kritisieren. Die "Exitstrategien" gefallen ihm weniger. "Wenn die Wiederbelebung vieler Teile der Wirtschaft sich noch über x Monate hinzieht, kämpfen wir irgendwann ums Überleben", sagt Welcker. Eine Zahl für das x mag er nicht nennen. Welcker macht sich Sorgen. So soll das Außenwirtschaftsgesetz, wie es Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier formulierte, mit Blick auf deutsche Sicherheitsinteressen nachgeschärft werden, etwa wenn es um Impfstoffe geht oder kritische Infrastrukturen. Solche Ängste bezeichnet Welcker als "hysterisch". "Es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass Chinesen in einem Roll-over-Kommando deutsche Unternehmen übernehmen werden", sagt Welcker.

Er geht noch weiter. Wolle Deutschland seine industrielle Basis halten, sei ausländisches Kapital künftig wichtiger denn je. Lange Prüfzeiten für Übernahmen und Beteiligungen verscheuchen Investoren. Eine Abkehr von der Globalisierung ist für Welcker so ziemlich das Schlimmste, was er sich vorstellen kann. Welcker warnt auch vor den Spätfolgen der jetzigen Maßnahmen, weil sie suggerierten, der Staat müsse und könne über Rettungsschirme, Kredite und andere finanzielle Hilfen alles regeln zu Lasten der Eigenverantwortung. "Die Hilfen von heute sind die Steuern von morgen", sagt Welcker. Staatshilfen will er für seine Gruppe nicht in Anspruch nehmen. Aber wie vieles in diesen Tagen ist auch diese Äußerung nur eine Momentaufnahme.

Wacker-Neuson-Chef Lehner fährt auf Sicht: In den europäischen Werken fährt die Produktion wieder hoch. Für etwa 60 Prozent der 2700 Beschäftigten in Deutschland hat der Konzern Kurzarbeit angemeldet, genutzt wird sie derzeit für gut 900 Mitarbeiter. "Wir bewerten die Lage Woche für Woche neu." Lehner selbst arbeitete wochenlang vom Standort Linz aus, dem größten Produktionswerk. In der Zentrale in München gab es nur eine Notbesetzung. Selbst mit Investoren hat Lehner Videokonferenzen geführt. "Früher ist man dafür ein, zwei Tage nach Mailand oder London geflogen und hat im Stundentakt geredet", sagt er. Das haben, glaubt er, viele Unternehmen jetzt gelernt, dass man viel auch am Telefon bereden kann.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2020/mxh
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