Süddeutsche Zeitung

Beraterhonorare:Altmaiers Förderprogramm wird zum Corona-Reinfall

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Das Bundeswirtschaftsministerium wollte Fördermittel verteilen, damit Berater Unternehmen durch die Corona-Krise helfen. Mittlerweile gehen sie im Ministerium selbst davon aus, windige Berater angelockt zu haben.

Von Simon Groß, München

Dass Unternehmen, die von der Corona-Krise gebeutelt wurden, jetzt auch noch für fragwürdige Leistungen von unseriösen Unternehmensberatern aufkommen sollen, war sicher nicht die Absicht von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Recherchen von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung zufolge könnte aber genau das der Fall sein. Das "Programm zur Förderung unternehmerischen Know-hows", das Ende März vom Wirtschaftsministerium aufgelegt wurde, sollte kleinen und mittelständischen Unternehmen einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro für eine Unternehmensberatung zusichern. Doch das Programm war unterfinanziert und lockte unseriöse Berater an, die es auf die Fördergelder abgesehen hatten. Bereits Mitte April stellte das Ministerium das Programm ein, gab den Stopp aber erst Ende Mai bekannt. Berater warben weiterhin mit der Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Bis Mittwoch wurden noch keine Fördergelder bezahlt. Aber wer zahlt jetzt für die Beratungen?

Mit dieser Frage muss sich auch eine Medizinerin aus Baden-Württemberg auseinandersetzen, die anonym bleiben möchte. Weil ihr Umsatz in Folge der Corona-Krise eingebrochen war, beauftragte sie einen Unternehmensberater aus der Nähe von Donauwörth, ihr zu helfen. Der Berater stellte eine vollständige Förderung durch das Bafa in Höhe der 4000 Euro in Aussicht. Dass Beratungen für Mediziner gemäß der Förderrichtlinie ausgeschlossen sind, hielt den Berater nicht davon ab, den Vertrag mit ihr zu schließen. Nachdem schnell die Absage für die staatliche Hilfe kam, drohte der Berater mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung und stellte der Medizinerin schließlich das Honorar plus 760 Euro Mehrwertsteuer in Rechnung.

Seine Leistungen hingegen waren überschaubar. Er bat die Medizinerin um eine Auflistung ihrer Stärken und Schwächen und empfahl ihr einen Kredit bei der Hausbank zu beantragen, obwohl "Vermittlungstätigkeiten" explizit von einer Förderung ausgeschlossen sind. So oder ähnlich könnte es vielen Unternehmern auch ergangen sein. Reinhard Houben, FDP-Bundestagsabgeordneter, bezeichnet das Programm als "Rohrkrepierer" und kritisiert die Regierung: "Am Ende stehen die Unternehmerinnen und Unternehmer da und müssen mehrere Tausend Euro bezahlen, obwohl sie fest davon ausgehen konnten, dass sie unterstützt werden."

Schon am 16. April wurde die Corona-Förderung von Ministerium und Bundesamt intern gestoppt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätten die Anträge das veranschlagte Budget von 15,3 Millionen Euro weit überschritten. Wie konnte es zu dieser Fehlkalkulation kommen? Das Wirtschaftsministerium stützte seine Rechnung auf Erfahrungen aus einem laufenden Förderprogramm, wie aus einem aktuellen Bericht des Wirtschaftsausschusses des Bundestags hervorgeht. Dort seien in den vergangenen Jahren jeweils zwei Millionen Euro abgerufen worden.

Allerdings war das in Zeiten vor Corona und es wurde nur zu 90 Prozent bezuschusst, Unternehmen mussten also - anders als im Corona-Förderprogramm - einen Eigenanteil einbringen. Darin sieht auch Ralf Strehlau, Präsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater, eines der Hauptprobleme: "Dann stürzt sich jeder auf so ein Programm, auch relativ unreflektiert." Bei solchen Förderprogrammen würde er mindestens einen Eigenanteil von 20 Prozent empfehlen.

Bekannt machte das Wirtschaftsministerium den Stopp aber erst am 26. Mai, also knapp sechs Wochen später. Bis Ende Mai wurden insgesamt 33 385 Anträge gestellt. Aber auch von den 5 930 Unternehmen, die eine "Inaussichtstellung" auf eine Förderung erhalten haben, dürften einige auf sich gestellt sein: Auch hier würde das veranschlagte Budget nicht für jeden reichen. "Erst nach Prüfung der Verwendungsnachweise wird feststehen, wie hoch die Förderung im Einzelfall ist und wie viele Antragsteller mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln gefördert werden können", betont das Ministerium in einer schriftlichen Antwort.

Bis Ende Mai haben 986 Unternehmen nachgewiesen, dass sie eine Beratung mit Aussicht auf Förderung in Anspruch genommen haben. Wegen Hinweisen auf fragwürdige Berater und Beratungsangebote habe das Ministerium das Bafa angewiesen, "die im konkreten Einzelfall vorgelegten Beratungsberichte besonders sorgfältig zu prüfen", lautet es in dem Bericht des Wirtschaftsausschusses. Egal ob seriöse Beratung oder Geldmacherei: Bis die betroffenen Unternehmen wissen, ob sie ihre Beratungen selbst zahlen müssen oder nicht, kann es also noch dauern. Was die Geldmacher anbelangt, so wurde bereits ein Strafverfahren eingeleitet, wie das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage von Houben mitteilte.

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SZ vom 19.06.2020
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