Süddeutsche Zeitung

Corona-Hilfen:Großzügigkeit reicht nicht mehr

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Das Corona-Hilfskonzept für Unternehmen ist Geldverschwendung, die beendet werden muss. Statt einfach nur Umsatz zu ersetzen, sollte der Staat über gezielte Investitionshilfen nachdenken.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Die Bundesregierung hat diese Woche wieder getan, was sie seit dem Ausbruch der Pandemie beinahe ununterbrochen tut. Sie hat Milliarden Euro verteilt an Branchen, die wegen der angestrebten Kontaktvermeidungen geschlossen werden. Und das, auch wie immer, großzügig. Weil parallel dazu gute Nachrichten aus der Wirtschaft kommen - es ist im Herbst mehr produziert und konsumiert worden als im Frühling - könnte man schlussfolgern, die Koalition solle einfach so weitermachen. Doch diese Logik greift nicht. Die Medizin, die in der ersten Welle gewirkt hat, könnte in der zweiten schlimme Nebenwirkungen haben.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es war richtig, dass die Koalition im Frühjahr so gut wie alle Unternehmer gestützt hat. Sie hat die Strukturen bewahrt, aus denen heraus Unternehmen neu starten können, sobald das Virus gezähmt ist. Der Erfolg hat freilich auch Schattenseiten. Eine davon ist, dass viele annehmen, es könne ewig so weitergehen mit Zuschüssen, billigen Krediten, Garantien und Bürgschaften. Eine andere, dass auch die Regierung so tut.

Das ist gefährlich. Der Unterschied zwischen den Hilfen im Frühjahr und den nun für November aufgelegten ist, dass die Mittel jetzt auch in Unternehmen fließen, die schon durch die erste Welle geschwächt waren. Es sind nicht nur, aber vor allem jene Firmen, deren Geschäftsmodelle nur mit menschlicher Nähe und in geschlossenen Räumen funktionieren, man denke an Freizeitparks oder Kinos. Die Frage ist, ob diesen Einrichtungen wirklich geholfen ist, wenn sie so lange, bis es ausreichend Impfstoff gibt oder effektive Behandlungen, recht und schlecht über staatliche Zuschüsse finanziert werden.

Kommt eine Welle, gibt es Zuschüsse, ebbt sie ab, wird das Geld gestrichen, kommt die nächste, geht es von vorne los. Das ist kein Konzept, das ist Geldverschwendung, die beendet werden muss. Statt Umsatz zu ersetzen, sollte der Staat über gezielte Investitionshilfen nachdenken - um das Geschäftsmodell an das Leben mit dem Virus anzupassen.

Was machen Biobauernhöfe, die Nahrungsmittel liefern, oder Taxifahrer, die kaum Fahrgäste haben?

Kritik verdient, dass die temporären Hilfen neue Ungerechtigkeiten schaffen. Dieselbe Bundesregierung, die darauf bedacht ist, Lieferketten in der Wirtschaft nicht zu unterbrechen, lässt außer acht, dass es diese Ketten auch im Freizeit- und Kulturbereich gibt. Opern, Restaurants, Fitness-Studios, die schließen müssen, bekommen großzügige Hilfen. Aber was machen Biobauernhöfe, die Nahrungsmittel liefern, oder Taxifahrer, die kaum Fahrgäste haben? Sie sind indirekt von den Schließungen betroffen, gehen aber leer aus, bis sie vor der Pleite stehen.

Selbst die anderen, die weiter ihr Geschäft öffnen dürfen, könnten bald darum bitten, schließen zu dürfen. Denn auch beim Einkaufen ist das eine ohne das andere kaum denkbar. Wer wird in Einkaufszentren bummeln, wenn Cafés und Bars geschlossen sind. Das familiäre Einkaufserlebnis wird zum schnellen Shopping, das im Internet erledigt wird. Es ist eine Frage der Zeit, bis Einzelhändler ebenfalls entschädigt werden wollen. Die Crux: Jeder Unternehmer hat aus seiner Sicht recht. Aber kann es unbegrenzt Geld geben? Sicher nicht.

Die Koalition steht vor schwierigen Entscheidungen. Zu Beginn der Pandemie konnte sie mit großzügigen Hilfen überzeugen. Je länger diese dauert, desto komplizierter wird es zu entscheiden, wie viele Milliarden sie ausgeben kann, um die Zustimmung zu den Corona-Maßnahmen zu erkaufen - ohne Zombiefirmen zu züchten.

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