Interview:"Nur wer gut kommuniziert, kommt gut durch die Krise"

Flughafen München, 2018

Der Münchner Flughafen ist auch das Revier von Eberhard Sasses Reinigungsfirma. Auch sie trifft die Krise.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Der Familienunternehmer Eberhard Sasse hat in 44 Jahren einen Konzern für Reinigung und Wartung von Gebäuden aufgebaut. Mit Corona kam der Einbruch. Ein Gespräch über Krisenmanagement  und warum er versteht, dass der Staat auch Geld einnehmen muss.

Interview von Marc Beise

Mit 6800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reinigt und wartet die Dr. Sasse Gruppe aus München europaweit Fabriken, Bürogebäude und öffentliche Einrichtungen. Ein erfolgreicher Mittelständler im Familienbesitz. Firmengründer Eberhard Sasse ist Präsident der bayerischen IHK, der größten im Land. Zeit zu fragen: Was macht Corona mit seinem Unternehmen?

SZ: Herr Sasse, reinigen und desinfizieren, das klingt in Corona-Zeiten nach gutem Geschäft. Sind Sie ein Profiteur der Krise?

Eberhard Sasse: Das kann man wirklich nicht sagen. Der Konjunkturabschwung trifft auch uns hart.

Wie schlimm wird es? Müssen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihren Job fürchten?

Einige ja, aber wir stellen auch ein. Die Lage ist differenziert. Wir verlieren Geschäft, aber wir gewinnen auch. Die Anforderungen ändern sich. Insgesamt werden wir auch wieder wachsen. Wichtig war, das sauber zu kommunizieren. Auch wir als Familie haben uns da eingebracht.

Wie denn?

Wir haben unser Commitment für das Unternehmen bekräftigt und zusätzliche Liquidität bereitgestellt. Mit Videobotschaften und Teams-Konferenzen haben wir das gegenüber allen unseren Mitarbeitern und Kunden immer wieder sichtbar gemacht.

Ist es so schlimm?

Die Pandemie und ihre Folgen sind uns auf jedem Markt und bei jedem Kunden begegnet. Sie hat unsere Arbeit im Facility Management zum Teil wesentlich verändert. Aber es ist zu keinem Stillstand gekommen, sondern zu einem - mitunter - deutlichen Kurswechsel bei den Aufgaben.

Was heißt Kurswechsel?

Wir konnten unseren Kunden aus dem Stand die nötige Sicherheit schaffen, weil wir vorbereitet waren und über die erforderlichen Prozesse verfügten. Das gilt für die Beschaffung von Masken und Desinfektionsmitteln genauso wie für die Entwicklung und Umsetzung von Hygienekonzepten.

Dr. Eberhard Sasse von der Dr. Sasse AG, einem Facility Management Unternehmen in München. München Bayern Deutschland *

Eberhard Sasse: "Die Smart City und das New Work verlangen neue Dienstleistungen von uns und schaffen neue Chancen für uns."

(Foto: Thomas Einberger via www.imago-images.de/imago images/argum)

Wie wichtig ist in diesem Prozess Führung?

Sehr wichtig. Aber man muss vorbereitet sein. In unserem Unternehmen pflegen wir schon länger eine offene Kommunikation. Wir stoßen sie an, schaffen die Voraussetzungen und fordern sie ein. Das hat sich jetzt ausgezahlt: Viele unserer Mitarbeiter haben ihre eigenen Netzwerke und Kanäle für Wissenstransfer hochgefahren, um einen schnellen Austausch von Erfahrungen und Informationen sicherzustellen. Nur wer gut kommuniziert, kommt gut durch die Krise.

Zu den Gefahren: Viele große Unternehmen befassen sich damit, Büroflächen zu verkleinern. Lehrt Sie das das Fürchten?

Das wirkt sich auf unsere Aufträge aus, ja, bedeutet aber nicht automatisch einen Schrumpfkurs. Wir sehen bei vielen Kunden Ideen und Konzepte, bestehende Objekte umzuwidmen. Aus Büros werden Wohnungen, aus Kaufhäusern werden Showrooms und Eventflächen. Das alles sind Objekte, die weiterhin eines Facility Managements bedürfen, aber in anderer Form als bisher. Und das Arbeiten verändert sich auch.

Sie meinen, es wird mehr Home-Office geben?

Nach aktuellen Untersuchungen wird die neue Arbeitswelt zu 47,4 Prozent aus Hybridlösungen bestehen, in 23,5 Prozent der Fälle wird es mehr Home-Office geben. 24 Prozent werden auf Präsenzkultur setzen. Kurzum: Die Smart City und das New Work verlangen neue Dienstleistungen von uns und schaffen neue Chancen für uns.

Wie wollen Sie diese Chancen nutzen?

Wir werden unsere Abläufe rationalisieren. Nicht weil wir müssen, sondern weil wir wollen und können. Das betrifft vor allem körperliche und geistige Routinen. Jede Minute, die wir weniger damit verbringen, haben wir mehr Zeit dafür, für uns und unsere Kunden Verbesserungen und Fortschritte zu gestalten. Wir werden unsere Arbeitsabläufe in digitale Prozessabläufe gießen und auf diese Weise planbar, reproduzierbar und jederzeit überprüfbar machen. Das wird sich unmittelbar in unserer Fähigkeit zu Nachhaltigkeit und Lieferkettensicherheit widerspiegeln.

Klingt schrecklich allgemein. Was meinen Sie konkret?

Nun, wir haben zum Beispiel Pilotprojekte zur Digitalisierung, gemeinsam mit unseren Kunden. Dabei geht es um durch Sensorik gesteuerte Abläufe. In der Praxis sieht das so aus, dass wir an einem internationalen Flughafen unsere Dienstleistungen nicht mehr stur nach Stundenplan und Pflichtenheft erbringen, sondern sie flexibel auf das Passagier- und Nutzungsaufkommen - zum Beispiel in den Toiletten - abstimmen. Die Daten dafür erhalten unsere Teams via App direkt auf ihre Smartphones oder Tablets, über die sie auch die Erledigung dokumentieren. Bei Sonderaufträgen, wie etwa einer Sofortreinigung bei Verschmutzungen an einem Gate, liefern wir dem Auftraggeber auch gleich ein Bild als Beleg mit. Insgesamt werden wir dadurch nach innen und außen effizienter und transparenter zugleich.

Fühlen Sie sich derzeit von der Politik ausreichend unterstützt?

Es geht so. Bund und Länder haben in der Corona-Krise in der Summe einen ordentlichen Job gemacht. Aber das war teuer, und der Staat will verständlicherweise wieder Geld in die Kassen holen, das ist ja auch in Ordnung so ...

Moment: Das finden Sie als Wirtschaftsvertreter in Ordnung?

Ja, das finde ich in Ordnung! Überrascht Sie das? Ich bin doch nicht weltfremd. Aber ich warne davor, die deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu sehr zu belasten. Unternehmensteuern, die den Bedarf unternehmerischer Zukunftsplanung ernst nehmen, dürfen zusammengerechnet nicht höher sein als 25 Prozent - inklusive Gewerbesteuer.

Bisher sind es, je nachdem wie man rechnet, bis zu 35 Prozent. Was Sie weniger zahlen, muss jemand anders mehr zahlen. Das wird die Spaltung zwischen Arm und Reich weiter verschärfen.

Ich spreche nur von dem Geld, das im Unternehmen bleibt. Das investiert wird und damit die Wirtschaft am Laufen hält. Für Entnahmen gilt selbstverständlich der volle Steuersatz. Ich habe übrigens noch weitere Forderungen.

Ja?

Keine weiteren Einengungen durch überbordende Bürokratie wie Arbeitszeitordnung, Lieferkettengesetz etc. Beibehaltung der - in der Krise gezeigten und bewährten - flexiblen, weitgehend unbürokratischen und situativen Anpassung des bestehenden Regelwerks an das aktuelle Geschehen. Und eine bessere Integration von Fachkräften, die nach Verabschiedung des neuen Zuwanderungsgesetzes aus dem Nicht-EU-Bereich kommen dürfen.

Das ist viel.

Aber alle diese Punkte sind darauf angelegt, dauerhaft den Bestand und die Entwicklungsfähigkeit von Familienunternehmen zu sichern. Sie sind wesentlich wertvoller und nachhaltiger als die derzeit beliebten Soforthilfen, die immer nur auf kurze Sicht eine Lösung anbieten.

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