Handel:"2 G ist viel besser als ein Lockdown"

Coronavirus: Einzelhandel in Sachsen

Der Handel fürchtet die Flaute: Ein Hund liegt im Schaufenster eines geschlossenen Modegeschäfts in Pirna.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Shopping nur noch für Geimpfte und Genesene, ausgedünnte Innenstädte, Konsumblues in weiten Teilen der Bevölkerung und tapfere Händler: Wie sich die neuen Corona-Regeln im Einzelhandel auswirken.

Von Michael Kläsgen

Bei Kustermann am Münchner Viktualienmarkt geht es doch recht wuselig zu. Geschäftsführer Caspar-Friedrich Brauckmann eilt geradezu die Treppe durch das Haushaltswaren-Fachgeschäft hoch. Nicht wegen Corona und der möglichen Ansteckungsgefahr, es wirkt eher wie überbordende Energie. Es geht vorbei am "Weihnachtsmarkt" im oberen Stock und dann durch ein Meer von erstaunlich voluminösen Weber-Grills. "Wir beten, dass kein Lockdown kommt", sagt Brauckmann.

Und 2 G? "Das kriegen wir hin", winkt Brauckmann ab. Man hört den Sauerländer in ihm. "Wir sind auf 2 G vorbereitet." Der Wachdienst verdoppele dann seine Kapazitäten und kontrolliere an den Eingängen die Impfnachweise und Personalausweise der Kundinnen und Kunden. Der Handelsverband Deutschland hatte am Vortag noch gegen 2 G gewettert. Es sei nicht verfassungskonform, wenn nur noch Geimpfte und Genesene in Läden und Kaufhäuser wie Kustermann dürften. Lebensmittelhändler und Drogerien, "Läden des täglichen Bedarfs", sind von der strengeren Regelung ausgenommen. Sportgeschäfte nicht.

Doch auch bei Sport Schuster ist die Aufregung nicht besonders groß über 2 G. Kaum war die Rede davon, bastelten Rainer Angstl und sein Team schon an einer Strategie. Der Geschäftsführer führt durch die Etagen des Sportgeschäfts und deutet auf die Eingangstür. "Wir stellen dann vier Tresen mit je einem Mitarbeiter ab. Das ist dann wie bei Lufthansa bei uns beim Check-in", sagt Angstl. Er tippt auf sein Smartphone und zeigt die Cov-Pass-App. Da sei das Impfdatum sofort sichtbar. Bei der Warn-App müsste man hingegen noch mal wischen. Genervt wirkt er deswegen nicht. Aber vielleicht verbirgt die Maske vor seinem Gesicht da auch manches.

"Dafür braucht man kein 2 G." Die Frage nach dem Warum? Stellt sich schon keiner mehr

Ach ja, und dann ist da noch die Einkaufvariante Click & Collect. Das heißt, der Kunde bestellt im Internet und holt die Ware im Laden ab. "Dafür braucht man kein 2 G", sagt Angstl. Die Frage nach dem Warum stellt er schon gar nicht mehr. Jedenfalls hat er auch dafür alles vorbereitet. Am Hintereingang gibt's bei Sport Schuster dann eine Abholstation.

Man muss also recht flexibel sein in diesen Tagen als Händler, und gut informiert und reaktiv sowieso, und noch vieles mehr, am besten zusätzlich mit stoischem Gleichmut gerüstet. Kommt 2 G, kommt's nicht? Und wenn nicht, was dann? Und das alles mitten in der für den Einzelhandel mit Abstand wichtigsten Zeit des Jahres. Das meiste Geschäft machen die Händler vor Weihnachten.

Vergangenes Jahr war dann aber plötzlich Mitte Dezember Schluss. Wegen der rasant gestiegenen Inzidenzen. Kurz vor Weihnachten. Eine Katastrophe war das für den Handel. Und dieses Jahr? Die Inzidenzen sind wieder hoch, die Krankenhäuser fast voll und die Rufe nach klaren Vorgaben aus der Politik lauter denn je. Für die Händler jedenfalls gilt: "2 G ist viel besser als ein Lockdown." Das sagt auch Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev.

Denn es ist ja so: Auch die Innenstädte haben sich längst geleert, überall in der Republik. Und auch in München. Sonst sind die Einkaufsstraßen in der bayerischen Landeshauptstadt so was wie der unerfüllte Wunschtraum anderer Kommunalpolitiker in der Republik, so voll sind sie - normalerweise. Doch jetzt ist die Frequenz, wie das im Fachjargon heißt, selbst in der Kaufingerstraße um 30 Prozent gesunken. So kurz vor Weihnachten ist das eine denkbar schlechte Nachricht - auch wenn die fehlende Kundschaft nicht alle gleichermaßen trifft. Bei Kustermann und auch bei Sport Schuster jedenfalls läuft's.

Wenn die Ausgaben für Miete und Energie steigen, bleibt weniger Geld für Geschenke

Und dennoch verändert sich da gerade etwas. "Das Einkaufserlebnis hat gelitten, die Weihnachtsmärkte sind geschlossen, man muss mit Maske einkaufen", zählt GfK-Konsumexpertin Petra Süptitz ein paar Einkaufshemmnisse auf. "Wenn nun weitere Einschränkungen kommen, dann zieht das die Menschen nicht in die Innenstädte. Deshalb verkaufen sich vor allem Waren schlechter, die man einfach so einmal beim Bummeln mitnimmt."

Mindestens genauso schlimm für den Einzelhandel ist, dass viele Menschen dieses Jahr sparen müssen. "Wer wenig Haushaltseinkommen zur Verfügung hat", sagt die Expertin des Konsumforschungsunternehmens GfK, "will weniger Geld für Weihnachtgeschenke ausgeben." Denn Miete und Energie machten bereits einen großen Anteil am verfügbaren Monatsbudget aus. Wenn die Ausgaben dafür steigen, führe das dazu, dass weniger Geld für andere Anschaffungen übrig bleibe. Leute mit höherem Haushaltseinkommen wollen hingegen sogar mehr für Geschenke ausgeben. Am Ende bleibt trotzdem ein Minus von zwei Prozent für den Einzelhandel, ergab eine GfK-Umfrage.

Und dann ist da noch eine Zahl, die Süptiz "eklatant hoch" nennt. Nämlich die Anzahl derjenigen, die für Weihnachten online einkaufen wollen: gut 60 Prozent der Befragten. Auch Leute, die das vorher nicht gemacht hätten, würden nun sehen, wie angenehm und einfach der Online-Einkauf sei. Und dieser Trend werde aller Voraussicht nach anhalten.

Bei Ikea Deutschland haben sie das längst zu spüren bekommen. Die Online-Verkäufe stiegen binnen eines Jahres um 103 Prozent. Jetzt machen sie gut ein Drittel am Umsatz im Einzelhandel aus. Klingt toll, tatsächlich aber verlor Ikea an Marktanteil in der Einrichtungsbranche.

Deutschland ist für das schwedische Unternehmen zwar weiter der größte Markt in der Welt. Der Umsatz sank aber um 3,2 Prozent. Als Maßnahme gegen den Umsatzrückgang plant Ikea eine stärkere Präsenz in den Innenstädten, so wie in Karlsruhe. Die Schweden wollen auch weitere kleinere Läden für eine begrenzte Zeit in den Innenstädten öffnen. Denn der Bedarf an Einrichtungsgegenständen ist da.

Bei Kustermann wissen sie das. "Je mehr die Menschen zu Hause sind", sagt Brauckmann, "desto eher kommen sie zu uns, weil sie bei uns ihr Heim verschönern können."

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