Fehler kann man machen, aber jeden am besten nur einmal. Man würde sich so sehr wünschen, diese Binsenweisheit würde in dieser Pandemie wenigstens ab und zu auf die verantwortlichen Politiker zutreffen. Doch leider wiederholt sich bei den Corona-Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz gerade wieder das gleiche Desaster wie in den Schulen und Kitas oder in den Pflegeheimen: Erst wird das Problem kleingeredet, dann gibt es Föderalismus-Chaos - und hat man sich irgendwann zu einheitlichen Maßnahmen durchgerungen, sind diese zu lasch, um das Virus damit einzubremsen.
Es war schon kaum zu ertragen, wie im vergangenen Jahr darum gestritten wurde, wie relevant denn die Kontakte am Arbeitsplatz überhaupt für das ganze Infektionsgesehen sind und ob es wirklich nötig sei, Unternehmen dazu zu verpflichten, ihren Mitarbeitern die Arbeit im einigermaßen coronasicheren Home-Office zu ermöglichen. Schon damals klappte das je nach Betrieb mehr oder weniger gut. Externe Kontrollen, ob sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die Vorgaben halten, gab es trotzdem so gut wie nie. Wie sollten das auch Behörden wie das Gesundheits- oder Ordnungsamt leisten, die schon mit der regulären Kontaktverfolgung oder dem Ahnden von Verstößen überfordert sind? Stattdessen folgte irgendwann ein Lockdown, der nur bestimmte Branchen hart traf.
Und genau auf diesem Pfad befindet sich Deutschland jetzt wieder, auch wenn das abgesehen von wenigen Wissenschaftlern wie Christian Drosten noch keiner aussprechen will, weil ja ein weiterer Shutdown von Vertretern der noch amtierenden sowie der wohl bald folgenden Bundesregierung ausgeschlossen wurde. Als die Infektionszahlen im Herbst wieder stiegen, wurden zunächst nur strengere Regeln für die Branchen erlassen, die in den vorherigen Wellen bereits gebeutelt waren: Ein Restaurant-Besitzer oder eine Friseurin muss schon lange kontrollieren, ob ihre Kundschaft geimpft, genesen oder getestet ist. Die Frage, ob das zumutbar ist, stellte da keiner. Dass nicht jeder dies in der Realität auch gewissenhaft tut, ist natürlich auch ein Teil der Wahrheit.
Immer mehr Geimpfte stecken sich an. Deswegen müssen auch sie getestet werden
Doch wie es in Zeiten von noch nie dagewesenen Infektionszahlen und vollen Intensivstationen an den Arbeitsstätten von Millionen Menschen täglich zugeht, steht auf der Dringlichkeitsliste der verantwortlichen Bundes- und Landespolitiker mal wieder ganz weit hinten. So wiederholt sich aktuell das Föderalismus-Drama: Weil es bislang keine bundeseinheitliche Entscheidung gibt, wie die Test-Regeln am Arbeitsplatz aussehen sollen, wurschtelt jedes Bundesland, teilweise jeder einzelne Betrieb alleine vor sich hin. Manche Länder rufen zwar 3 G aus, aber wie streng und datenschutzkonform der einzelne Arbeitgeber mit den Tests und deren Kontrolle bei den Ungeimpften umgeht - also wie sicher sich jeder Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz fühlen kann -, ist dabei Glückssache.
Während mancher Chef einfach kurzerhand seine Untergebenen per Mail oder an der Bürotür fragt, ob sie denn geimpft, genesen oder getestet sind (was er laut der aktuellen gesetzlichen Vorgaben nicht darf), haben andere Unternehmen sich zumindest einigermaßen kluge Abläufe überlegt, um die Kontrolle über den Test- und Impfstatus ihrer Mitarbeiter zu behalten. Sei es per Aufkleber auf der Firmenkarte oder digital über ein in der firmeneigenen IT hinterlegtes Impfzertifikat. Doch nicht jeder Betrieb kann es sich leisten, einen externen Dienstleister zu beauftragen, der vor dem Freischalten der Chipkarte für die Bürotür die Ungeimpften testet.
Und selbst wenn es einheitliche Regeln für 3 G am Arbeitsplatz geben sollte: Sie kommen zu spät. Die Infektionszahlen sind viel zu hoch, als dass ein paar Schnelltests für Ungeimpfte die Welle noch brechen könnten. Stattdessen wäre es an der Zeit, eine andere Wahrheit auszusprechen und (nicht nur) an den Arbeitsstätten danach zu handeln: Keiner sollte mehr ohne aktuellen Test in Innenräumen über längere Zeit auf andere Menschen treffen - egal ob geimpft, genesen oder nichts von beidem. Denn auch Geimpfte und Genesene können das Virus übertragen, wenn auch nicht in gleichem Maße wie Ungeimpfte. Zudem lässt bei immer mehr Menschen der Impfschutz nach. Es wäre also fahrlässig, diese große 2-G-Gruppe bei den Tests am Arbeitsplatz außen vor zu lassen. Zumindest so lange, bis die Infektionszahlen wieder deutlich sinken und damit auch die Zahl der Covid-Patienten in den Kliniken.