Süddeutsche Zeitung

Aussicht auf Impfstoff:Tag des Glücks am Aktienmarkt

Ein beruhigender Wahlausgang in den USA und dann auch noch erfreuliche Impfdaten: An der Börse herrscht Euphorie.

Von Hans von der Hagen

Natürlich hätte es keines Beleges mehr bedurft, um zu wissen, wie sehr die Anleger derzeit einen Impfstoff herbeisehnen. Was sich dann aber an diesem Montag an den Aktienmärkten abspielte, war gleichwohl eindrücklich: Rasend schnell hatte sich die Meldung über den Impfstoff, den die deutsche Biontech im Gespann mit dem US-Pharmakonzern Pfizer entwickelt hat, herumgesprochen. Der Impfstoff ist womöglich erfolgversprechender, als viele zuvor angenommen hatten. Jedenfalls ging unter Getesteten die Zahl der Covid-Infektionen mit entsprechenden Symptomen gleich um rund 90 Prozent zurück. Immer wieder hatten Forscher zuvor gesagt, dass ein Impfstoff vielleicht nur in 60 oder 70 Prozent der Fälle einen Nutzen habe. Doch 90 Prozent - das dürfte auch die Erwartungen der Anleger übertroffen haben. Selbst wenn hinter der Zahl noch viele Fragezeichen stehen, die Biontech-Aktien gewannen binnen Minuten knapp 30 Prozent an Wert. Und das, obwohl die Papiere zuletzt bereits deutlich zugelegt hatten und bis zur geplanten Beantragung der Notfallzulassung des Impfstoffs noch weitere Hürden zu nehmen sind. Fast ebenso deutlich gewannen zeitweise übrigens auch die Papiere der Lufthansa. Das Unternehmen ist wie kaum ein anderes abhängig von der Entwicklung eines Impfstoffs.

Die Aussicht auf einen Impfstoff machte nicht nur die Corona-Verlierer zu Gewinnern, sie machte umgekehrt auch die Corona-Gewinner zu Verlierern. So brachen die Papiere von Drägerwerk - zuletzt bekanntgeworden vor allem für Beatmungsgeräte - um knapp zehn Prozent ein, die Aktien des Lieferdienstes Hello-Fresh sackten gar um mehr als 15 Prozent ab und selbst die Amazon-Papiere verloren gut zwei Prozent. Doch nicht allein Biontech und Pfizer sorgten für Aufregung an der Börse. Gut kam auch an, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen hat. Bereits am Morgen lag der Dax darum um mehr als zwei Prozent im Plus, bevor er später fast sechs Prozent gewann.

Der Dow Jones legte zeitweise um 5,7 Prozent auf 29 934 Punkte zu und lag damit auf Rekordkurs. Viele Anleger hoffen, dass die turbulente Zeit im Weißen Haus vorbei ist. Dabei störte es an der Börse kaum, dass die Verhältnisse im US-Kongress nach wie vor unklar sind. Denn wer die Mehrheit im Senat übernimmt, dürfte sich erst im Januar entscheiden. Womöglich sind solche Fragen aber auch weniger von Belang als oft angenommen. Das Wall Street Journal hat gerade erst untersucht, wie sich die Aktienmärkte seit 1928 in Abhängigkeit von der Verteilung der Macht zwischen der US-Regierung und im Kongress entwickelten. Das Ergebnis: Die These, dass eine geteilte Macht vorteilhafter für die Entwicklung der Aktien sei, ließ sich anhand der Daten nicht belegen. Eher das Gegenteil.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2020
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