Contra:Warum die Pleite besser ist

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Griechenland ist längst bankrott. Finanziell, politisch und gesellschaftlich. Eine Staatspleite in dieser ausweglosen Lage ist nicht verwerflich. Der Offenbarungseid gehört zum Leben in einer Marktwirtschaft.

Markus Zydra

Optimismus ist eine wunderbare Charaktereigenschaft, denn sie schält die Chancen im Leben heraus, selbst beim Thema Griechenland. Natürlich könnte es Athen noch schaffen. Natürlich ist es möglich, dass Griechenland nun mit dem anstehenden zweiten EU-Rettungspaket den notwendigen Spielraum erhält, um die Wirtschaft aufzubauen.

Leider ist diese optimistische Sichtweise nicht gerechtfertigt. Die Rettung kann nur gelingen, wenn die griechische Wirtschaft wächst, und zwar sehr stark wächst. Doch das tut sie nicht, seit Jahren schon nicht, und es wirkt derzeit auch nicht so, als ob sich das griechische Wirtschaftsleben in der nahen Zukunft berappeln würde.

Die Malaise hat viele Ursachen: Weil die Schulden zu hoch sind, weil auf Druck der EU zu viel gespart wird, weil das Land keine funktionierende Bürokratie hat, und weil zu viele Griechen aus all diesen Gründen frustriert und deshalb handlungsunfähig sind.

Griechenland ist also bereits bankrott, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Finanziell, politisch und gesellschaftlich.

Wenn es stimmt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble eine geordnete Insolvenz Athens erwägt, dann wäre das nur konsequent. Die Zeit ist reif. Das griechische Staatssystem braucht einen Neustart. Alles muss zurück auf null gestellt werden. Mit den Staatsschulden Athens sollte man anfangen, denn das ist die größte Last.

Also die Verbindlichkeiten streichen, und im schlimmsten Fall auf 350 Milliarden Euro verzichten. Geht das?

Die europäischen Banken dürften damit keine größeren Probleme mehr haben. Sie gehen sowieso schon länger davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Pleite Griechenlands recht hoch ist. Entsprechende Bilanzpolster sind aufgebaut worden. Das bestätigen auch die Bankenaufseher.

Außerdem gibt es auch Gewöhnungsreflexe in einer Krise. Die griechische Pleite ist seit knapp zwei Jahren ein Thema, wenn sie kommt, kann das niemanden mehr wirklich überraschen.

Aber was ist mit der Ansteckungsgefahr? Natürlich ist es denkbar, dass Investoren durch die Pleite Griechenlands misstrauisch werden und Portugal, Irland sowie Italien weitere Kredite verweigern - oder nur zu sehr hohen Zinsen vergeben. Die Euro-Krise kann sich erneut verschärfen.

Es scheint aber sehr viel wahrscheinlicher, dass die Finanzmärkte den Sonderfall Griechenland nun auch als solchen begreifen. Sonderfall wegen der hohen Staatsschulden, zum einen. Zum anderen aber vor allem aufgrund der politischen Lage in dem Land, wo vitale Staatsaufgaben wie die Erhebung von Steuern kaum mehr richtig wahrgenommen werden können. Eine solch erodierte bürokratische Struktur gibt es in keinem anderen Euro-Land.

Eine Staatspleite in dieser ausweglosen Lage ist auch nicht verwerflich. Der Offenbarungseid gehört zum Leben in einer Marktwirtschaft. Immer mehr Bürger melden Privatinsolvenz an, wenn die Schuldenlast zu schwer wird. Auch Unternehmen nutzen diese Chance. In den USA kann das Insolvenzgericht die Schulden eines Konzerns streichen, um so einen Neustart für die Firma zu ermöglichen. Es spricht nichts dagegen, solche Maßnahmen auch auf einen Staat wie Griechenland anzuwenden. Staatspleiten hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Die viel schlimmere Ansteckungsgefahr ist, anderen Schuldenstaaten durch immer neue Hilfen zu signalisieren, dass sie sich nicht anstrengen müssten. Europa kümmert sich ja.

Nach dem Schuldenschnitt müssten sich Athen, die EU und der Internationale Währungsfonds erneut an einen Tisch setzen. Das griechische Bankensystem bräuchte unmittelbare Hilfe. Wieder müsste Geld fließen, denn Athen benötigt auch in der Stunde null noch Kredite, die das Land am Finanzmarkt aufgrund des Offenbarungseids nicht mehr erhalten würde. Doch diesmal würde es in den Kreditgesprächen um den Wiederaufbau des Landes gehen. Erst das ist eine Ausgangslage, die den Griechen Hoffnung geben kann, die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft.

Diese Zukunft sollte sich in der Euro-Zone abspielen. Eine Rückkehr zur Drachme mag die griechische Exportwirtschaft ankurbeln, doch was ist mit den Importen? Arzneien, industrielles Zubehör, technische Anlagen - Griechenland könnte sich diese wichtigen Einfuhren mit der schwachen Drachme kaum leisten. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung wäre gefährdet. Es käme wieder zu Unruhen. Niemand weiß genau, welche Konsequenzen sich aus dem Staatsbankrott ergeben würden. Es ist unmöglich, diese Situation im Labor durchzuspielen. Dennoch sollte man es wagen. Griechenland kann nicht mehr.

Jemanden pleitegehen lassen - in dem Satz schwingt immer mit, man lasse jemanden hängen, was man gerade unter Freunden nicht tun sollte. Doch in diesem Fall gilt: Der Bankrott ist Basis für den Neuanfang in Griechenland.

© SZ vom 18.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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