Süddeutsche Zeitung

Contra:Verbot des Verbrennungsmotors wäre ein falsches Signal

Noch sind weder die Bürger noch die Wirtschaft bereit für einen radikalen Wechsel zu neuen Formen der Mobilität.

Kommentar von Marc Beise

Alles hat seine Zeit, auch der Verbrennungsmotor. Viele Jahrzehnte hat er der Menschheit, die ihn erfunden hat, treu gedient. Hat Mobilität geschaffen und damit Wachstum ermöglicht. Hat Kunden glücklich gemacht und Arbeitsplätze gesichert. Das herkömmliche Auto in der Tradition von Carl Benz, Rudolf Diesel und Nikolaus August Otto ist eine zentrale Stütze des Wohlstandes in Deutschland.

Dass die Verbrennung fossiler Energieträger die Umwelt belasten, ist seit Langem bekannt, es wurde von der Mehrheit der Menschen rund um den Globus hingenommen wie viele andere Umweltbelastungen des Industriezeitalters auch. Je deutlicher die Folgelasten erkennbar sind, desto mehr bemühen sich zwar Politik, Bürger und Wirtschaft darum, die ökologischen Folgen erträglich zu halten, ohne sich aber grundsätzlich von der Technik zu verabschieden. Das ist manchem skandalös zu wenig, aber die Empörten waren immer in der Minderheit.

Die Politik darf nicht dekretieren, wann dieses Ende einzutreten habe

Schlimm ist es, wenn diese Minderheit sich anmaßt, für die Mehrheit zu sprechen. Wenn jetzt verstärkt ein gesetzliches Verbot des Verbrennungsmotors gefordert wird, ist das wieder der Versuch, mit dem ganzen Impetus dessen, der für sich entschieden hat, was Not tut, all jene zu dominieren, die, aus welchem Grund auch immer, das nicht so sehen.

Man kann sagen, dass das Zeitalter des Benzin- und des Dieselmotors zu Ende geht. Aber dieses Ende kommt nicht heute, nicht morgen und vermutlich auch noch nicht in zehn Jahren. Schon gar nicht darf die Politik dekretieren, wann dieses Ende einzutreten habe. Ein gesetzliches Verbot, erst recht unter Angabe einer Jahreszahl, ist nicht nur anmaßend, es ist weltfremd. Politiker, die sich darauf kaprizieren, binden ihre Kräfte an der falschen Stelle und zum falschen Zeitpunkt.

Deutsche Autokonzerne waren beim E-Auto besonders zögerlich

Gewiss, die Zukunft fährt alternativ - nur braucht das noch seine Zeit. Wer den Umschwung erzwingen will, schafft mehr Probleme, als er löst. Bis viele Millionen Autos in Deutschland (und Milliarden auf der ganzen Welt) elektrisch fahren, sind große Vorarbeiten notwendig.

Dass sich das Elektroauto bisher in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat, hat viele Ursachen, die man beklagen kann, aber zur Kenntnis nehmen muss. Ein Grund sind Schwierigkeiten bei der technischen Entwicklung, ein anderer die enormen Umrüstkosten der Infrastruktur.

Es stimmt, dass die deutschen Autokonzerne beim E-Auto besonders zögerlich waren, dass die meisten von ihnen - mit der rühmlichen Ausnahme von BMW, das schon länger eine (fürs Unternehmen teure) E-Strategie hat - auf das Ende des Verbrennungszeitalters schlecht vorbereitet sind. Zu lange haben die deutschen Autobauer ihrer traditionellen Stärke vertraut, und haben in Umweltfragen maßgeblich auf den Diesel gesetzt: Ein deutscher Sonderweg, den interessanterweise die Politik selbst lange propagiert hat. Auch den Grünen, denen der Umweltschutz in der Parteigenetik steckt, war der Diesel eine zeitlang ein willkommenes Vehikel, um die Kohlendioxid-Emissionen in Grenzen zu halten; die Stickoxidproblematik wurde lange nicht gesehen.

Schon einmal ist die Politik unnötig vorgeprescht

Veränderungen, zumal so epochale, wie sie nun beim Auto anstehen, müssen mit einem Bewusstseinswandel in der Gesellschaft insgesamt einhergehen. Noch sind weder Bürger noch Wirtschaft bereit für den Wechsel. Alte Gewohnheiten wirken nach. Die Kosten zu hoch, die Bequemlichkeit zu gering: Es fehlt noch viel für eine allgemeine Akzeptanz.

Schon einmal ist die Politik vorgeprescht: Der Atomausstieg, den Kanzlerin Angela Merkel nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima und vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg fast im Alleingang bestimmt hat, mag in der Sache richtig gewesen sein, aber er kam überhastet. Er vergab die Möglichkeit eines abgestimmten Verfahrens und wird Verbraucher und Unternehmen noch lange teuer zu stehen kommen. Das Ganze ist bisher nur deswegen einigermaßen glimpflich gelaufen, weil die deutsche Wirtschaft international gerade einen extrem guten Lauf hat.

Niemand verlangt, dass die Politik untätig bleibt. Aber sie sollte sich auf Naheliegendes konzentrieren: Sie muss natürlich dafür sorgen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Sie muss, wenn nötig, die Verbraucherrechte stärken. Sie kann die Autokonzerne zur Nachrüstung zwingen und den Wettbewerb um die besten Technik sicherstellen. Niemand weiß, wie die Zukunft des Autos genau aussehen wird. Nach aller Erfahrung wird es am Ende womöglich einen Mix aus allem geben: Elektro, Hybrid, Gas und wohl auch weiter Benzin- und Diesel.

Ein Verbot, ratzfatz, der herkömmlichen Technik, und sei es mit einer langen Restlaufzeit, wäre angesichts der Komplexität der Dinge ganz sicher ein ganz falsches Signal.

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SZ vom 27.07.2017/hgn
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