Süddeutsche Zeitung

Contra: Politik und Banken:Frankfurt darf nicht zur Zocker-Hochburg werden

Lesezeit: 3 min

Größenwahnsinnige Banker haben den Steuerzahler viel Geld gekostet. Sie jetzt wieder zu hofieren, wäre falsch. Deutschland braucht keinen Banken-Champion.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Erinnert sich jemand an den Herbst 2008? An HRE, IKB, West-LB, LBBW, HSH, Coba? Wie Schlachtrufe rauschten Banknamen durch die Schlagzeilen. Beinahe täglich nahm Angela Merkel Bittgesuche von Bankvorständen entgegen. Die Bilanz der Finanzkrise ist erschreckend: 646 Milliarden Euro brauchten deutsche Banken als Hilfsrahmen in der Finanzkrise. 259 Milliarden Euro Steuergeld flossen ab. Davon dürften 50 Milliarden Euro für den Steuerzahler verloren sein - so viel wie nirgendwo sonst in Europa. Das alles hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Vize Olaf Scholz jedoch nicht abgehalten, jetzt die Finanzbranche zu hofieren.

Merkel und Scholz sind in Frankfurt aufgetreten und haben versprochen, dass sie sich für die Branche einsetzen. An Deutschlands Finanzplatz Nummer Eins klang das nach "Make German banks great again". Gewiss, es ist Wahlkampf in Hessen. Wer Unterstützung verspricht und Lob verteilt, darf auf gute Stimmung hoffen, die sich in Stimmen auszahlen kann. Allerdings nur, solange die Versprechen glaubwürdig erscheinen.

Das aber ist bei Merkel und Scholz das Problem. Wie glaubwürdig sind Spitzenpolitiker zweier Regierungsparteien, die Milliarden Euro aus der Staatskasse nehmen mussten, um Banken zu retten, deren Chefs verantwortungslos oder dumm gezockt hatten - und die jetzt verlautbaren, Deutschland brauche eine starke Finanzwirtschaft und dringend mindestens einen großen Champion, um die deutsche Exportwirtschaft zu finanzieren?

Das Argument ist zudem von der Realität überholt. Die Bundesrepublik hat seit der Krise keine Großbanken mehr. Die Deutsche Bank, vom Internationalen Währungsfonds nach der Finanzkrise als die gefährlichste Bank weltweit eingestuft, ist auf Normalgröße geschrumpft und sucht noch immer nach einem Geschäftsmodell. Die Commerzbank ist teilverstaatlicht und gilt als Übernahmekandidat. In der Logik von Scholz, der zuvorderst eine globale agierende deutsche Bank zur Unterstützung der deutschen Exportunternehmen fordert, müsste man nun annehmen, dass die deutschen Unternehmen viel Mühe haben, sich zu finanzieren, zu produzieren und zu exportieren, weil eben dieser Champion ja nicht da ist. Und? Richtig ist das Gegenteil.

Die Konjunktur in Deutschland läuft seit Jahren stabil auf gutem Niveau, es gibt so viele Arbeitsplätze wie seit der Wiedervereinigung nicht, die deutschen Exporte sind auf Rekordniveau, der deutsche Handelsbilanzüberschuss auch, was nebenbei gesagt recht ärgerlich ist, weil die Unternehmen dieses Geld im Ausland bunkern und nicht daheim investieren. Jedenfalls ist festzuhalten: Trotz fehlender Großbank geht es der deutschen Wirtschaft gut - oder womöglich gerade deswegen? Sparkassen, Volksbanken, Handelsbanken, Online-Anbieter und andere Finanzinstitute sorgen dafür, dass die Finanzierung klappt.

Die Finanzkrise hat den Beweis erbracht, dass Banken weltweit verwoben sind

Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass sich die Bundesregierung für den Finanzplatz Frankfurt einsetzt, gerade in Zeiten des Brexit. Es ist richtig, gute Banker ins Land zu holen und ihnen attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen anzubieten, von Wohnungen bis zu mehrsprachigen Kitas. Internationale Finanzexperten werden in der Aufsicht gebraucht, in allen Banken, an der Börse, beim Clearing oder auch bei Zentralbanken. Aber Frankfurt zur Hochburg der Zocker aufzubauen, das ist nicht im Interesse der Bürger.

Es ist überraschend, wie engstirnig national deutsche Spitzenpolitiker argumentieren. Wenn die Finanzkrise einen Beweis erbracht hat, dann den, dass Banken weltweit verwoben sind. Ein Beben in den USA löst Schockwellen auf allen Kontinenten aus. Der damalige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück wollte 2008 noch glauben machen, die deutschen Institute wären von den Tumulten am US-Markt nicht betroffen. Die Realität belehrte ihn des Gegenteils. Und wieso sollen deutsche Unternehmen überhaupt von einer deutschen Großbank unterstützt werden, wo es doch große europäische Champions gibt, einen gemeinsamen Binnenmarkt und deutsche Politiker, die angeblich auf ein starkes Europa setzen? Es scheint, dass Wort und Tat auseinanderklaffen und Misstrauen nicht weit ist.

Vielleicht muss man an dieser Stelle auf eine Selbstverständlichkeit hinweisen: Banken sind kein Selbstzweck. Die Gesellschaft braucht Finanzinstitute zuallererst dafür, um Unternehmen und Investitionen zu finanzieren und Bürger mit Krediten zu versorgen. Das gilt regional, national und europäisch. Die Grundfunktionen einer Bank müssen zuverlässig abrufbar sein. Und nur wenn das klappt, tragen Finanzinstitute zum allgemeinen Wohlstand bei. Auf das Geschäftsmodell kommt es also an. Nicht auf das Wohlwollen der Politik oder schiere Größe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4119153
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.09.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.