Süddeutsche Zeitung

Continental:Viele Baustellen

Lieferengpässe, Stellenstreichungen, historischer Großumbau - und jetzt hat der Autozulieferer Continental im Corona-Jahr auch noch einen hohen Verlust eingefahren.

Von Thomas Fromm, München

Man kann schon sagen, dass bei dem Autozulieferer Continental im Moment allerhand zusammenkommt. Da sind, wie überall, die spürbaren Folgen der Corona-Pandemie. Da ist der Umbau des Konzerns weg von den klassischen Autoantrieben hin zu Software, Elektronik und Sensorik, was wiederum eine Menge Geld kostet. Dazu passt die Abspaltung der Antriebssparte Vitesco, gleichzeitig muss in die neuen Technologien investiert werden. Hier nötige Investitionen, da die alten Unternehmensbereiche, in denen Jobs abgebaut werden und umstrukturiert wird. Stellenabbau, das soll ja immer Geld einsparen. Kurzfristig aber ist so was teuer, denn es müssen Abfindungen gezahlt werden. Allein in Deutschland stehen in den nächsten Jahren 13 000 Jobs auf der Kippe, weltweit sollen es an die 30 000 sein.

Und als wäre das alles nicht genug, kommen auch noch die Lieferprobleme bei Elektronik-Halbleitern dazu - und ein unappetitlicher Streit mit dem Großabnehmer Volkswagen. Der wirft dem Lieferanten vor, im vergangenen Jahr spät über die Chip-Engpässe informiert zu haben. Mit der Folge, dass in einigen Werken die Produktion ins Stocken geraten war. Im Grunde auch dies eine Folge von Covid 19: Als im vergangenen Jahr erstmal die Nachfrage nach Neuwagen zurückging, disponierten viele Chiphersteller um in Richtung IT-Industrie, Unterhaltungselektronik oder Medizintechnik. Folge: Die Produkte fehlten schließlich woanders.

Probleme, die sich in den Zahlen widerspiegeln: Im vergangenen Jahr fuhr Continental unterm Strich einen Verlust von 962 Millionen ein - und das nach einem schwierigen Jahr 2019, in dem der Dax-Konzern ein Minus von 1,22 Milliarden Euro gemacht hatte. Auch der Umsatz brach ein, und zwar um rund 15 Prozent auf 37,7 Milliarden Euro. Ein massiver Konzernumbau in ohnehin schwierigen Zeiten - muss das sein? Unumstritten ist die Radikalkur des Conti-Managements nicht.

Die schlechte Nachricht: Mit dem Engpass bei Computerchips soll es noch eine Weile so weitergehen; wohl erst in der zweiten Jahreshälfte werde sich die Lage entspannen, sagte Conti-Chef Nikolai Setzer am Dienstag. In einigen Bereichen werde man noch das ganze Jahr über mit den knappen Gütern zu kämpfen habe. Um die Lage in den Griff zu kriegen, haben die Hannoveraner für das laufende Jahr zusätzliche Logistikkosten von 200 Millionen Euro eingeplant. "24 Stunden, sieben Tage", das sei nun die Devise, so Setzer. Den Streit mit den Kunden wolle man möglichst gütlich beilegen - so seien auch keine Rückstellungen für eventuelle Schadenersatzforderungen gebildet worden. Aber: Die "fortwährenden Engpässe bei Halbleiter-Komponenten in der Lieferkette" müssten auch in der Unternehmensprognose für das laufende Jahr berücksichtigt werden.

An der Chip-Misere gibt Finanzchef Wolfgang Schäfer den Autoherstellern eine Mitschuld

Am Dienstag wehrte sich das Unternehmen nun auch gegen den Vorwurf, die Autohersteller (OEM) zu spät über Lieferprobleme bei den Halbleitern informiert zu haben. "Wir haben sehr frühzeitig, meines Wissens als erste, angefangen mit den OEM zu sprechen und ihnen die Situation mitgeteilt", sagte Finanzchef Wolfgang Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Mehr noch: In dem Gespräch gab er auch den Autoherstellern selbst eine Mitschuld an der Misere. Denn: Die Autokonzerne hätten bei Chipproduzenten und Waferherstellern seit 2017 immer wieder mehr Bauteile bestellt, als hinterher tatsächlich abgenommen wurden. Daraus hätten Chiphersteller die Konsequenzen gezogen - und dann, als die Corona-Phase im vergangenen Frühjahr losging, Teile ihrer Produktion an Kunden aus der Unterhaltungselektronik weitergereicht.

Wer auch immer hier wie viel Verantwortung trägt - für die Börsianer war das alles wohl zu viel auf einmal: Conti-Aktien schlossen am Dienstag mit sieben Prozent im Minus, eine Dividendenzahlung soll dieses Mal ausfallen. Immerhin stellte der Vorstandschef für dieses Jahr Besserung in Aussicht und prognostizierte ein Umsatzwachstum auf 40,5 bis 42,5 Milliarden Euro. Das wären zumindest einige Milliarden mehr als in 2020.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5229614
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/cat
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.