Süddeutsche Zeitung

Continental-Übernahme:Die Strategie der Gewinner

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Große Unternehmerfamilien entwickeln ein neues Selbstbewusstsein - und sind in der Lage, sehr viel größere Aktienkonzerne zu schlucken.

Karl-Heinz Büschemann

Der Plan des fränkischen Familien-Clans Schaeffler, den Hannoveraner Automobilzulieferer und Reifenhersteller Continental für möglicherweise 10 Milliarden Euro zu schlucken, ist in weniger als zwei Jahren der dritte Versuch einer Unternehmerfamilie, einen Dax-Konzern zu kaufen und von der Börse zu nehmen.

Im September 2006 verkündete der kleine Sportwagenhersteller Porsche, der in den Händen der Familienstämme Porsche und Piëch ist, die Übernahme des VW-Konzerns. Der baut nicht nur 50 Mal mehr Autos als das Zuffenhausener Sportwagenunternehmen.

Er hat auch einen Börsenwert von stolzen 50 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr stockte das traditionsreiche Duisburger Familienunternehmen Haniel seinen Anteil an dem Handelsriesen Metro auf und hat seitdem den entscheidenden Einfluss auf den internationalen Handelskonzern mit Sitz in Düsseldorf.

Managementfehler ausnutzen

Offenbar entwickeln große Unternehmerfamilien ein neues Selbstbewusstsein. Sicher beflügelt die seit einem halben Jahr anhaltende Börsenschwäche die Neigung privater Investoren, große Konzerne zu kaufen. Dabei hilft es, dass die Familienunternehmen in den zurückliegenden Jahren besonders erfolgreich waren. Seit 2004 haben die deutschen Firmen in privater Hand ein doppelt so großes Umsatzplus geschafft wie Kapitalgesellschaften.

Sie haben in den zurückliegenden Jahren auch besser verdient. "Die haben ihre Kriegskassen gut gefüllt", weiß Torsten Groth, Experte beim Wittener Institut für Familienunternehmen.

Jetzt können sie Beteiligungen kaufen. Nachdem das Darmstädter Pharma-Unternehmen Merck 2006 mit der Übernahme des Berliner Schering-Konzerns gescheitert war, holte es einen zweiten Plan aus der Schublade. Es kaufte stattdessen für elf Milliarden Euro die amerikanische Biotechnologiefirma Serono.

Die Familien-Strategen nutzen auch Managementfehler. Der Handelsriese Metro war über viele Jahre mittelmäßig geführt. Der Metro-Aktienkurs liegt heute unter dem von vor zehn Jahren. Der inzwischen 84-jährige Metro-Gründer und Firmenpatriarch Otto Beisheim, der sich lange gegen Veränderungen im Unternehmen gewehrt hatte, musste zurückstecken und seine Macht an den Haniel-Clan abtreten.

Schritt zu weit

Auch Porsche kann bei VW nur zum Zuge kommen, weil VW Fehler gemacht hat. Die Wolfsburger waren durch den starken Einfluss von Gewerkschaften und Politik über Jahrzehnte weit weniger profitabel, als es viele Konkurrenten waren. Gleichzeitig war Porsche extrem erfolgreich.

Auch die fränkische Schaeffler-Gruppe kann bei dem Versuch, Continental zu übernehmen, eine Schwäche nutzen. Der Vorstandsvorsitzende Manfred Wennemer war mit dem Kauf der Siemens-Tochter VDO einen Schritt zu weit gegangen. Der Preis von 11,4 Milliarden Euro war zu hoch. Conti hatte sich so übernommen, dass sich der Aktienkurs von Conti seit der Ankündigung des VDO-Kaufs halbierte. Der angebliche Kaufpreis von 10 Milliarden Euro für Continental liegt unter dem Preis, den die Hannoveraner vor einem Jahr für VDO bezahlten.

Familienunternehmen haben gegenüber Kapitalgesellschaften große Vorteile. Sie können eine langfristige Strategie verfolgen, ohne im Vierteljahresrhythmus ihre Aktionäre über den Verlauf der Geschäfte informieren zu müssen. Vor allem müssen sie ihre Gewinne nicht an Aktionäre ausschütten, sondern können sie zum großen Teil im Unternehmen behalten. Das schafft den nötigen finanziellen Spielraum für Übernahmen. "Familienunternehmen können in aller Ruhe abwarten, bis sich eine Gelegenheit bietet, dann schlagen sie zu", so Groth.

Für die Manager in den großen Unternehmen kann das unangenehm werden. Sie waren es lange gewöhnt, von den Aktionären unbehelligt zu bleiben. Seit einigen Jahren müssen sich verstärkt gegen die Private-Equity-Gesellschaften wehren, die Schwächen in den Unternehmen und niedrige Aktienkurse nutzen, um sich einzukaufen und zunehmend Druck auf die Manager auszuüben.

"Viele Familienunternehmen kopieren inzwischen das Vorgehen der Private-Equity-Investoren ", sagt Peter May, Professor am IMD-Institut in Lausanne. Allerdings sieht der Professor bei den Familiengesellschaftern eindeutige Vorteile, weil sie eine längerfristige Strategie haben als Finanzinvestoren. "Der Familienkapitalismus ist für die Volkswirtschaft und die Menschen in den Unternehmen die eindeutig bessere Wahl."

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SZ vom 15.7.2008/hgn
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