Autozulieferer:Continental verliert Chef

Elmar Degenhart

Als von Rückzug noch keine Rede war: Elmar Degenhart im Jahr 2019, bei der Eröffnung der neuen Continental-Zentrale.

(Foto: Sina Schuldt/dpa)

Ausgerechnet in der Krise: Elmar Degenhart legt sein Amt bei dem Dax-Konzern unerwartet nieder. Zuletzt war er von allen Seiten kritisiert worden.

Von Max Hägler

Es gab manchen Unmut über die Unternehmensführung und heftige Debatten um den richtigen Kurs, das schon. Aber die Nachricht überraschte dann doch: Mitten in einem großen Konzernumbau verliert der Automobilzulieferer Continental seinen Vorstandschef. Wie der niedersächsische Konzern am späten Donnerstagabend mitteilte, wolle Elmar Degenhart "sein Mandat aus Gründen unmittelbar notwendiger, gesundheitlicher Vorsorge zum 30. November 2020" niederlegen. Sein Vertrag wäre eigentlich bis August 2024 gelaufen. "Nach bis zuletzt großer Kraftanstrengung zum Wohle unserer Organisation" sei ihm jüngst bewusst geworden, dass er sich unverzüglich um seine Gesundheit zu kümmern habe, ließ sich der 61-Jährige in der Nacht zum Freitag zitieren. Nach Angaben eines Sprechers befindet sich Degenhart allerdings nicht in einer unmittelbaren Notlage oder etwa im Krankenhaus.

Wie die gesamte Autobranche steht der niedersächsische Dax-Konzern derzeit unter massivem Druck: Der Technologiewandel - vermehrte Elektroantriebe und die Digitalisierung - sowie die zurückgehende Nachfrage nach Fahrzeugen belasten schon seit Längerem das normale Geschäft. Der nach Bosch und Denso drittgrößte Autozulieferer der Welt produziert so ungefähr alle Teile, die in Fahrzeugen gebraucht werden, von ABS-Geräten über Fahrassistenzsysteme bis hin zu Reifen. Die Corona-Krise ist dabei nicht der Grund für die Schwierigkeiten, sondern nur ein Verstärker, so wie überall in dieser Industrie. So betrug der Nettoverlust bei Conti Ende des vergangenen Jahres 1,2 Milliarden Euro. Bereits damals beschloss die Unternehmensführung einen harten Sparkurs, der in diesem September noch einmal verschärft wurde: Nun sind insgesamt 30 000 der bislang 232 000 Jobs von "Veränderungen" betroffen. Damit sind Umschulungen gemeint und Verlagerungen. Aber auch betriebsbedingte Kündigungen will das Management explizit nicht ausschließen.

Von der Streichung bedroht sind dabei auch traditionelle Standorte - was zuletzt zu einem harten Proteststurm führte. Vor allem die geplante Schließung des Reifenwerks in Aachen erzeugt Unmut in der Öffentlichkeit und in der Politik: Die Sparte ist eigentlich ertragreich, die Fabrik recht modern, aus Arbeitnehmersicht gibt es keinen Grund zum Abwickeln. Auf einer Demonstration der Gewerkschaft sprach denn auch Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet von "kaltem Kapitalismus", den das Conti-Management hier an den Tage lege. Harte Worte für Degenhart, der bislang eigentlich das Einvernehmen mit den Arbeitnehmern suchte.

Von Seiten der Eigentümer hingegen wurde Degenhart zuletzt manchmal mangelnde Kraft und Entschlossenheit beim Sparkurs vorgeworfen. Vorwürfe von allen Seiten - eine herausfordernde Situation für den promovierten Ingenieur, der von einem leisen Charakter ist. Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle stellte dem scheidenden Chef am Donnerstagabend dennoch, oder deswegen, ein Zeugnis mit Bestnote aus - und erinnerte an dessen Gesamtleistung, nicht jedoch an die aktuellen Schwierigkeiten: "Als Führungskraft und Mensch ist Elmar Degenhart ein Vorbild des von ihm geprägten Continental-Führungsgrundsatzes: Werte schaffen Wert."

Kurzfristig soll nun der Aufsichtsrat zusammenkommen, um einen Nachfolger zu bestimmen. Auch der Continental-Betriebsrat mahnte am Freitag, die Nachfolge möglichst rasch zu klären. "Angesichts des laufenden Transformationsprogramms und der Corona-Krise ist jetzt nicht die Zeit für Experimente", sagte der Vorsitzende Hasan Allak. Vieles spricht dabei für Nikolai Setzer. Er war Trainee bei Conti und hat sich mittlerweile zum Chef des Autozulieferer-Kerngeschäfts hochgearbeitet. Er kennt das Auf und Ab aus erster Hand: Wie Degenhart ist er im Jahr 2009 in den Vorstand berufen worden.

Zur SZ-Startseite
VW Werner Interview

SZ PlusVolkswagen
:"Alles hat mit dem Dieselskandal zu tun"

Hierarchisch, starr, autoritär: Für den Abgasskandal gab es viele Ursachen bei VW. Hiltrud Werner ist verantwortlich für die charakterliche Besserung des Autoherstellers. Ein Gespräch über die Lehren aus dem Betrug.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: