Continental:Mit neuer Wucht

Schriftzug am Continental Standort Limbach-Oberfrohna. Sachsen Deutschland *** Lettering at the Continental location Li

Continental-Standort in Limbach-Oberfrohna. "Der Wandel birgt für uns auch Chancen", sagt der neue Chef Nikolai Setzer.

(Foto: Mario Hösel/imago images)

Der neue Continental-Chef Nikolai Setzer demonstriert Energie und Optimismus - beides hat man bei dem zuletzt arg gebeutelten Zulieferer lange nicht gesehen. Aber reicht das gegen den Abwärtstrend in der Branche?

Von Max Hägler und Angelika Slavik

Zwei Wochen erst ist Nikolai Setzer Vorstandschef von Continental. Das reicht nicht für große Umbrüche, aber es ist doch zumindest eine deutliche Stiländerung zu bemerken beim Auftreten des zweitgrößten Autozulieferers der Welt. Capital Market Day nennt das Unternehmen seine Veranstaltung am Mittwoch, ein Termin, bei dem Investoren überzeugt werden sollen, wieso der im Dax notierte Autozulieferer lohnend ist. "Mehr Wucht als bisher!", sei von Continental zu erwarten, sagt Setzer. Ziel sei: die "Generierung von Cash". Setzer gibt sich energiegeladen und optimistisch, die Umbrüche in der Branche seien in Wahrheit eine hervorragende Gelegenheit für Continental, das ist seine Botschaft. An der Börse beeindruckt das einige: Die Conti-Aktien ziehen nach Setzers Auftritt deutlich an. Zumindest für diesen Tag hat er die Aufgabe bestmöglich erfüllt.

Aber kann er sich auch gegen die Abwärtsdynamik in der Branche stemmen?

Zu Monatsbeginn hat der 49-jährige Hesse die Führung vom langjährigen Continental-Chef Elmar Degenhart übernommen. Degenhart war ruhig, vielleicht zu ruhig für manche. Als er mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit seinen Rücktritt ankündigte, stand er bereits monatelang in der Kritik. Sein Nachfolger will es unübersehbar anders machen. Energetisch, wie Setzer das wohl selbst ausdrücken würde, will der Wirtschaftsingenieur diesen Konzern durch eine schwierige Zukunft führen. Roboterautos, Elektromotoren, Batterien, Software, solche Sachen sind bald entscheidend in der Branche. Immer stärker drückt die Konkurrenz aus den USA und aus China auf die deutschen Unternehmen. Setzer sagt: "Der Wandel, so herausfordernd er auch sein mag, birgt für uns auch Chancen."

Roboter statt Reifen - das Automobilgeschäft der Zukunft

Neue Geschäfte meint er, die man erschließen könne, wenn man sie schnell und kraftvoll angehe. Dazu passt der kleine Videoeinspieler zu Beginn der Veranstaltung, der das Image vermitteln soll: Reifen, einst das zentrale Geschäft von Conti, sind nur kurz zu sehen, sonst vor allem Leiterplatten, Roboter und Computerbildschirme. Das Automobilgeschäft der Zukunft.

Mit das wichtigste Ding dabei sind Zentralrechner zur Fahrzeugsteuerung. Tesla macht das vor, hat drei solche Geräte selbst entwickelt. Der US-Autobauer kann so viel schneller Updates einspielen, als es bei den Deutschen möglich ist, wo hundert solche Chips nebeneinander werkeln. Das soll künftig auch mittels Continental-Technik möglich sein, sagt Setzer: Eine erste Zentralrechner-Version sei im Elektro-VW ID.3 verbaut und vernetze so Sicherheit, Assistenz und Unterhaltung. Insgesamt seien bei Conti Aufträge für solche Zentralrechner in Höhe von vier Milliarden Euro eingegangen.

Nun hat die ID.3-Software zu Beginn durchaus gehakt, was übrigens auch mitverantwortlich war für die Jobprobleme des VW-Chefs Herbert Diess. Aber das werde sich ändern, glaubt Setzer. In neuen Feldern brauche es Start-up-Mentalität, aber zugleich müsse man in "gesättigten Bereichen" - bei Bremsteilen oder analogen Instrumenten - den Ertrag sichern, eben "Cash" generieren. Und insgesamt natürlich Geld sparen, also effizienter und wirtschaftlicher agieren.

Nikolai SETZER Vorstandsmitglied Mitglied des Vorstands Division Reifen Einkauf Konzern Hauptvers

Nikolai Setzer, seit zwei Wochen Vorstandschef von Continental.

(Foto: Malte Ossowski/Sven Simon/imago)

Das ist der Punkt, wo der Wandel mehr Herausforderung als Chance ist, samt Stellenabbau und Werksschließungen. Man müsse "Kostenstrukturen" an die weltweiten Marktbedingungen anpassen, heißt es im Managersprech. Und der Automarkt weltweit stagniert, bereits vor Corona war das so. Die Folge: Fabrikbänder werden stillgelegt, Unternehmensteile werden verkauft und die Fertigung von unkomplizierten Standardteilen ins kostengünstigere Ausland verlagert. In den vergangenen zwölf Monaten erhielten deshalb etliche deutsche Standorte und deren rund 60 000 Mitarbeiter schlechte Nachrichten, etwa in Regen, Karben und Aachen. 30 000 Jobs weltweit sollen "verändert" werden, stehen also auf der Kippe. Setzer sagt, man versuche, so vielen Menschen wie möglich innerhalb des Unternehmens andere Aufgaben zu geben. Aber klar ist, dass ein beachtlicher Teil dieser "zu verändernden" Stellen am Ende einfach gestrichene Stellen sein werden. Das sei "sehr schmerzvoll", sagt Setzer. Die Gewerkschaften halten es eher für schlechtes Management - sei es von Degenhart oder von Setzer. Die IG Metall hat jedenfalls die Gespräche weitgehend abgebrochen, auch die Gewerkschaft IG BCE kritisiert heftig.

Setzer strapaziert den Begriff von der "Gewinnermentalität", die zu Conti gehöre. 23 Jahre ist er im Unternehmen, hat bei der Reifenentwicklung begonnen und zuletzt bereits die wichtige Auto-Sparte geleitet. Eine gewisse Ungeduld sei ihm zu eigen, so beschrieb er sich einmal. Es ist die bevorzugte Antwort, wenn Manager nach ihren schlechten Eigenschaften gefragt werden, weil Ungeduld eben immer auch nach überschäumender Energie klingt. Aber das soll ja die Botschaft sein an diesem Mittwoch - sie ist angekommen.

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