Conti und Schaeffler:Showdown im Aufsichtsrat

Conti contra Schaeffler, nächste Schlacht: Der eine will sich durch den Verkauf von Firmen retten, der andere setzt auf Investoren aus China. Vor der Aufsichtsratssitzung steigt die Nervosität.

H.-J. Jakobs

Für einen großen Konzern wie die Continental AG in Hannover hat der Mann an der Spitze ziemlich viele Aufgaben. Er leitet inzwischen drei Divisionen, ist für die Tochter Teves in Frankfurt direkt zuständig, und kümmert sich auch noch um Finanzen, Controlling und Recht. Über mangelnde Arbeit kann sich Vorstandschef Karl-Thomas Neumann, 48, wirklich nicht beklagen.

Conti contra Schaeffler, dpa, AP

Karl-Thomas Neumann, der Vorstandschef von Conti, (rechts) und Maria-Elisabeth Schaeffler: zwei unterschiedliche Ziele.

(Foto: Foto: dpa)

Vor allem muss sich der Hobby-Marathonläufer um das angespannte Verhältnis zu seinem Großaktionär kümmern. Die fränkische Schaeffler-Gruppe verfügt über 90 Prozent der Anteile und plant auf Sicht einen großen Technologiekonzern, der es als Autozulieferer mit dem Weltmarktführer Bosch aufnimmt.

Doch die anstehende Conti-Aufsichtsratssitzung am kommenden Donnerstag dürfte erneut Zwist deutlich machen. Es ist Sand im Getriebe. Die Kontrahenten streiten um Macht, Strategien und Bewertungen - und vor allem darum, wie sie aus der Schuldenfalle gelangen. Beide haben jeweils mehr als elf Milliarden Euro Verbindlichkeiten angehäuft.

Niedersachsen gegen Süddeutschland

Kaum ist der Pulverdampf beim Streit zwischen VW in Wolfsburg und Porsche in Stuttgart verflogen, rückt erneut die andere große Konfliktfront der deutschen Industrie in den Blickpunkt: Conti gegen Schaeffler. Börsenfirma gegen Familienunternehmen. Und wieder: Niedersachsen gegen Süddeutschland.

Auf der einen Seite setzt Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger, 50, der mit vier Mitstreitern im Conti-Aufsichtsrat sitzt, auf das langsame Zusammenwachsen der beiden Firmen über gemeinsame Arbeitsgruppen und Projekte. Fusion ja, aber später. Conti-Chef Neumann von der Gegenseite jedoch plagt Näherliegendes: Es fehlt an Liquidität, das Geld wird knapp.

Neumann braucht schnelle Erfolge. Im ersten Halbjahr fielen operativ gut 126 Millionen Euro Verlust an, auch wenn im zweiten Quartal überraschend positive Zahlen gemeldet wurden. Gewagte Maßnahmen mussten als Liquiditätshilfe herhalten, und schon zirkulieren Informationen über anstehende Teilverkäufe von Firmen - alles sehr zum Verdruss der Schaeffler-Leute.

In seiner Not will sich Multi-Vorstand Neumann am Donnerstag auf der anstehenden Conti-Aufsichtsratssitzung eine Kapitalerhöhung von mehr als einer Milliarde Euro genehmigen lassen. Die Hauptversammlung hat bereits in der Vergangenheit die Ausgabe von 58,6 Millionen Aktien (aktueller Kurswert je Aktie: 25 Euro) gebilligt. Für diesem Vorschlag könnte Neumann im Aufsichtsrat theoretisch per Kampfabstimmung sogar die einfache Mehrheit bekommen - gegen die Franken-Fraktion mit Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler und ihren Sohn Georg, Aufsichtsratschef Rolf Koerfer sowie Firmenchef Geißinger und seinem Finanzchef Klaus Rosenfeld.

Eine solche Kapitalerhöhung würde den Schaeffler-Anteil auf 60 bis 70 Prozent absinken lassen. Deshalb ist bei dem Wälzlager-Spezialisten dafür keine Begeisterung zu erwarten. Die Conti-Leute sollten erst einmal ihre Hausaufgaben machen und sich besser organisieren, heißt es am Firmenstandort Herzogenaurach. Neumann dagegen sagt intern, seine mehr als 50 Banken drängten auf mehr Eigenkapital. Sonst könnte sich der Börsenkurs nicht erholen - davon würden ja auch Schaefflers Kreditgeber profitieren, die Conti-Aktien als Sicherheit haben.

Keine schnelle Ehe

Tatsächlich hat die AG aus Hannover den Kauf der VDO-Sparte von Siemens vor zwei Jahren immer noch nicht verkraftet. Im August muss Conti 800 Millionen Euro an Krediten zurückzahlen, ein Jahr später sind 3,5 Milliarden fällig. Von einer "derzeitigen Lähmung durch die unklare Zukunft" spricht Conti-Chef Neumann. Vor kurzem zahlte sein Unternehmen die Juni-Gehälter an Mitarbeiter erst ein paar Tage später im Juli aus und hielt zudem Lieferanten hin - diese Hauruckaktionen halfen, die strengen Auflagen der Kreditgeber zu erfüllen. Rund 150 Millionen Euro wurden so zusätzlich an Liquidität geschaffen. Das Beispiel zeigt, wie sehr bei Conti auf Kante genäht wird.

Zu allem Überfluss läuft ein wichtiger Kredit der öffentlichen Europäischen Investitionsbank (EIB) über rund 500 Millionen Euro aus, der derzeit neu verhandelt wird. Der heikle Vorgang beschäftigt dem Vernehmen nach auch die niedersächsische Landesregierung in Hannover. "Eine drohende Kündigung bestehender Kredite ist für uns nicht erkennbar", erklärt ein Conti-Sprecher.

Ministerpräsident Christian Wulff, soeben im VW-Porsche-Drama siegreich, steht treu und fest zur Conti AG. Ohne Staatshilfe sei das Konstrukt Conti/Schaeffler nicht lebensfähig, glaubt er - das sei der Unterschied zu VW/Porsche. "Zur Übernahme der Conti durch Schaeffler hat man uns in Niedersachsen nicht gefragt - aber wenn es schiefgeht, haben wir die Folgen für die Mitarbeiter und deren Familien zu bewältigen", so der CDU-Politiker. Für einen Kredit der staatlichen KfW-Gruppe über vier Milliarden Euro könnten je zu Hälfte Bund und Länder bürgen.

"Lähmung durch die unklare Zukunft"

Vom Tisch ist eine schnelle Ehe von Conti und Schaeffler. Der Plan, den die Berater von Roland Berger mit Frist 15. Juli entwickelten, hat keine Zukunft: Danach sollten die Franken ganz einfach von der börsennotierten Conti AG aufgenommen werden. Der dabei angenommene Firmenwert von rund fünf Milliarden Euro für Schaeffler hätte aber bedeutet, dass der Eigentümerfamilie wenig mehr als zehn Prozent geblieben wären. Ihre Antwort: Eine Bewertung der Investmentbank JP Morgan für Schaeffler, die mehr als zehn Milliarden Euro Unternehmenswert erbrachte.

Conti-Chef Neumann, der eine Zusammenführung seiner Firma mit Schaeffler bis Ende Juli prüfen soll, wird diesen Weg kaum bestreiten können. Die Strategen in Herzogenaurauch plädieren stattdessen dafür, dass Conti und Schaeffler unter das Dach einer neuen Holding ("NewCo") schlüpfen, die an die Börse gehen soll. Doch das dauert.

"Wir stehen nach wie vor dahinter, beide Unternehmen so schnell wie möglich zusammenzuführen", erklärt ein Schaeffler-Sprecher. Als Blaupause dient die erfolgreiche Integration des einst akquirierten Rivalen FAG Kugelfischer. Am Donnerstag sollen auf der Aufsichtsratssitzung die erstmals gemeinsam ermittelten Businesspläne besprochen und das Verfahren zur Bewertung der beiden Firmen eingeleitet werden.

Zur Sprache kommen könnte auch ein Geschäft, das Conti nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mit der kanadisch-österreichischen Gesellschaft Magna angebahnt hat: Der Zulieferer, der Opel kaufen will und damit andere Autokonzerne wie VW verschreckt, soll 50 Prozent im lukrativen Geschäft mit Turboladern übernehmen.

Nachdem Schaeffler allem Anschein nach von diesem Deal bereits abgeraten hat, kam das Thema weider auf. Man prüfe "kontinuierlich im gesamten Unternehmen die Option, bestimmte Aktivitäten auch mit Partnerschaften zu führen", kommentiert ein Conti-Sprecher. So könnte Aufwand auf mehrere Schultern verteilt werden.

Zweifelhafter Kurs

Schaeffler hasst solche Versuche, Geld zu machen. Hier geht es um maximale Integration. Generell seien, so Analysen des Managements im fränkischen Herzogenaurach, mit Firmenverkäufen derzeit keine guten Preise zu erzielen. Auch scheint es Streit mit Conti über gedrosselte Investitionen bei der Getriebe- und Motorentochter Powertrain in Regensburg zu geben. Conti dementiert, hier zu viel bei Zukunftstechnologien zu sparen.

Aus Sicht des Mehrheitsaktionärs aus Franken fährt Conti-Chef Neumann einen zweifelhaften Kurs. Mit der heimlichen Eroberung des Konzerns in Hannover hat sich die traditionell schuldenfreie Schaeffler-Gruppe freilich selbst hohe Risiken ins Haus geholt.

Eine Notkreditlinie von mehr als einer Milliarde Euro, die bereits vor Monaten von sechs Banken gewährt wurde, ist nach Informationen aus Finanzkreisen noch unberührt. In Gesprächen über Altkredite soll es jetzt darum gehen, Zins und Tilgung zeitweise auszusetzen. Operativ schaffte die Schaeffler KG, die insgesamt mehrere tausend Jobs abbaut, nach Aussagen von Analysten im ersten Halbjahr eine Eigenkapitalrendite von etwas unter fünf Prozent.

Geschäfte mit Magna

Bleibt die Suche noch strategischen Investoren: Schaeffler-Chef Geißinger ist wohl in China fündig geworden, einem Land, in dem die Franken stark expandieren - die eigenen Wälzlager befinden sich etwa in den Schleusentoren des Jangtse-Staudamms. Ein Konsortium, das sich auch am US-Autozulieferer Delphi beteiligt hat, soll künftig bei den Deutschen einsteigen: Es besteht aus der Pekinger Stadtverwaltung, dem staatlichen Stahlgiganten Capital Iron & Steel und einem chinesischen Privatinvestor.

Das sickerte kürzlich durch. In Frankfurter Finanzkreisen ist davon die Rede, dass der Investor aus Fernost mindestens 20 Prozent bekommen soll - im Extremfall sogar 50 Prozent. Eigentümer Georg Schaeffler hatte vor Wochen eine mittelfrisitge Kapitallücke von "fünf bis sechs Milliarden Euro" ausgemacht. "Wir führen Gespräche mit Investoren, um deren Interesse zu qualifizieren", kommentiert ein Schaeffler-Sprecher vage.

"Auf allen Ebenen schlank und effizient"

Hier also ein Verbund, der sich wieder erstarkt fühlt und Gestaltungswillen hat, dort ein vom Umsatz her fast dreimal so großer Börsenkonzern, der um Eigenständigkeit und Eigenkapital kämpft - die Sitzung der Conti-Kontrolleure am Donnerstag ist aufgeladen. Zu den Petitessen gehört noch die Debatte um eine neue Geschäftsordnung, die die Rechte der Aufsichtsräte bei Conti stärken soll. Bisher kann Vorstandschef Neumann seine Kontrolleure mit wenigen Informationen abspeisen.

Beispielsweise geht es um Personalien und um Arbeitsentlastung für den umtriebigen Conti-Vorsitzenden. Nach SZ-Informationen ist intern besprochen worden, dass Top-Kräfte von Schaeffler bei Conti auf Vorstandsebene aushelfen, zum Beispiel im Finanzsektor oder bei Powertrain in Regensburg. Ob es dazu kommt, hängt wohl von der Binnendynamik des Meetings ab. Conti selbst verweist auf die strenge Vertraulichkeit im Aufsichtsrat: Grundsätzlich sei das Management der Continental "auf allen Erbenen schlank und effizient aufgestellt".

Wie auch immer, Conti-Chef Neumann wird sich jedenfalls kaum mehr mit dem Spruch aus seinen ersten Cheftragen im August 2008 begnügen können: "Wir machen so weiter wie bisher."

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