Süddeutsche Zeitung

Conti und Schaeffler:Ein paar Fehler zu viel

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Die Conti-Schlacht: Die Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler braucht bessere Berater - sonst wird sie in Hannover eine Bauchlandung erleben.

Karl-Heinz Büschemann

Jetzt will sie Continental offenbar mit Gewalt einnehmen. Maria-Elisabeth Schaeffler, die einst angesehene Familienunternehmerin aus Franken, zeigt sich wild entschlossen, bei dem Autozulieferer, den sie vor einem Jahr kaufte, die Herrin im Hause zu spielen. In Hannover soll es laufen wie daheim im Familienbetrieb von Herzogenaurach, wo alles so gemacht wird, wie es die Chefin befiehlt. Wie gefährlich dieser Kollisionskurs ist, zeigte sich in der Conti-Aufsichtsratssitzung vom vergangenen Donnerstag. Da wollte sie mal eben den unbotmäßigen Vorstandschef Karl-Thomas Neumann feuern. Sie und ihre Verbündeten im Aufsichtsrat holten sich dabei eine blutige Nase. Die Arbeitnehmer stellten sich hinter den Conti-Chef, die Attacke von Schaeffler auf Neumann musste vertagt werden.

Die Übernahme von Continental durch den fränkischen Kugellager-Hersteller Schaeffler zieht sich schon ein Jahr hin, und wenn Frau Schaeffler ihre Strategie nicht ändert, wird sie in Hannover eine Bauchlandung erleiden. Die Unternehmerin wird nicht nur bei Continental viel Porzellan zerschlagen und dem Unternehmen großen Schaden zufügen. Sie wird sich die Gegnerschaft der Gewerkschaften und der Politiker zuziehen. Mit ihrem Vorgehen riskiert sie, zum Zentrum eines großen politischen Streits zu werden. In einem Land, in dem die Interessen der Aktionäre derzeit nicht hoch im Kurs stehen, weil sie als ein Grund für die Finanzkrise gelten, kann sie mit dieser Methode nur scheitern. Vor allem sollte Frau Schaeffler bedenken, dass ihr Konzern möglicherweise Staatsgeld zum Überleben braucht. Wenn sie um solche Hilfen nachsucht, muss sie sich überlegen, ob sie als weitsichtige Unternehmerin mit sozialer Kompetenz auftritt oder ob sie auf das Hauruck-Verfahren setzt.

In Deutschland wurde schon lange kein Chef eines großen Konzerns mehr gegen die Interessen der Gewerkschaften durchgedrückt. Wer das versucht, wird sich die Gegnerschaft der Belegschaft zuziehen und den Preis dafür zahlen müssen. Im Kernland der Mitbestimmung wird kein Eigentümer gegen die Gewerkschaften eine langfristig gedeihliche Zusammenarbeit hinbekommen. Dass es anders geht, beweisen viele Konzerne, die keineswegs vor den Gewerkschaften in die Knie gehen. Die wenigsten deutschen Unternehmenschefs lieben die Mitbestimmung. Aber sie können mit ihr umgehen. Sie binden die Arbeitnehmervertreter in ihre Entscheidungen ein.

Die Schaeffler-Seite hat in der Schlacht Fehler gemacht. Sie hat sich finanziell übernommen, sie hat die Continental-Belegschaft brüskiert und bisher keine Strategie für den Gesamtkonzern entworfen. Auch die Conti-Seite war ungeschickt. Die Hannoveraner haben sich trotzig eingebunkert in der Hoffnung, als das überlegene Unternehmen am Ende die Führung des Gesamtkonzerns zu haben. Dabei haben sie allerdings übersehen, dass Schaeffler die Mehrheit an Continental hält. Gegen den Eigentümer zu arbeiten ist sinnlos.

Nach einem Jahr des Streits muss sich Schaeffler dazu durchringen, die Norddeutschen als Partner ins Boot zu holen und sie nicht weiter zu verprellen. Wer mit dem Streit angefangen hat und wer recht hat, ist irrelevant.Es geht um einen Unternehmensverbund mit mehr als 200.000 Arbeitnehmern. Die haben es verdient, durch Schaeffler professioneller geführt zu werden als bisher.

Dazu gehört, dass sich Frau Schaeffler bessere Berater holt. Ein Aufsichtsratsvorsitzender wie Rolf Koerfer, der in einer wichtigen Sitzung des Continental-Kontrollgremiums die Fassung verliert, der es versäumt, die Abberufung des ungeliebten Vorstandschefs in dem Gremium so vorzubereiten, dass die Entscheidung geräuschlos fallen kann, ist für den Posten nicht geeignet. Geschrei im Aufsichtsrat eines Konzerns, der noch vor kurzem im Dax verzeichnet war, steht für Provinzposse, nicht für verantwortungsbewusste Führung eines Weltunternehmens. Bevor Continental einen neuen Vorstandsvorsitzenden braucht, sollte Frau Schaeffler erst einmal den Aufsichtsratschef austauschen.

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SZ vom 04.08.2009/mel
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