Conti mit Gerhard Schröder:Der Retter vom Dienst

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Alte Liebe rostet nicht: Am Heimatort Hannover wird Gerhard Schröder für die soeben verkaufte Continental AG aktiv. Als Retter ist er in seinem Element.

Tobias Dorfer

Aus seiner Nähe zur Wirtschaft hat Gerhard Schröder nie einen Hehl gemacht. Als er, ein Jahr vor der Bundestagswahl 1998, gefragt wurde, was ihn von Helmut Kohl unterscheide, antwortete er prompt: "Ich würde als Kanzler ein Manager sein, Vorsitzender der Deutschland AG."

Altkanzler Gerhard Schröder wacht über Continental. (Foto: Foto: AP)

Vorsitzender, Strippenzieher, Deutschland AG - mit weniger hat sich Gerhard Schröder nie zufrieden gegeben. Der SPD-Politiker sah sich als "Genosse der Bosse" und wurde so gesehen. In seinem Dunstkreis, den sogenannten "Frogs" (Friends of Gerd), tummelten sich Unternehmer wie der jetzige RWE-Chef Jürgen Großmann oder Staatsführer wie der russische Ministerpräsident Wladimir Putin, den Schröder einen "lupenreinen Demokraten" nennt.

Schon als niedersächsischer Ministerpräsident mischte sich Schröder ein, wo er nur konnte - alles nach der Formel: Kriselndes Unternehmen plus organisierte Hilfe gleich Wählerstimmen. Dafür gab sich der damalige Regierungschef von Hannover auch gerne mit der Niedersachsen AG zufrieden.

Als in den 90er Jahren der Reifenhersteller Continental aus Hannover vom italienischen Konkurrenten Pirelli geschluckt werden sollte, eilte er zur Hilfe. Schröder führte Gespräche, schmiedete Allianzen, zog Fäden. Mit Hilfe der NordLB installierte er eine Bietergemeinschaft, die zeitweise sogar ein Viertel der Conti-Papiere übernahm. Der Angriff von Pirelli war abgewendet, die Arbeitsplätze blieben in Niedersachsen - und Schröder hatte sich Sympathien erworben.

Nicht nur die Belegschaft fand die Schröder-Show wichtig, auch die Anerkennung eines mächtigen Mannes war dem Politiker gewiss: Der damalige Conti-Chef Hubertus von Grünberg lobte den Sozialdemokraten.

Fehlendes Rampenlicht

Alte Bande reißen nicht. Und so erinnerte sich Grünberg, der heute Conti-Aufsichtsratschef ist, auch an den Altkanzler, als ein unabhängiger "Garantor" gesucht wurde, der den Einfluss des neuen Großgesellschafters Schaeffler im Auge behält. Als graue Eminenz - oder, im Fall von Schröder, als dunkelhaariger Wächter.

Die Weggefährten von einst sind jetzt wieder eng miteinander verbunden - und das hat Vorteile für beide Seiten. Grünberg holt einen namhaften Mann an Bord, dessen Verbindungen weit über Hannover hinaus reichen. Und der Altkanzler wiederum hat eine weitere Möglichkeit, dem verhassten politischen Vorruhestand zu entgehen und die heißen Scheinwerfer der großen Bühnen auf sich zu richten.

Es ist kein Geheimnis, dass es Schröder schwerfällt, das Rampenlicht der Weltpolitik gegen das Vorgartenidyll seines Reihenendhauses in Hannover einzutauschen. Wer den Altkanzler in diesen Monaten sieht, der trifft auf einen kraftstrotzenden 64-Jährigen, der ganz offensichtlich nicht ausgelastet ist von seiner Beratertätigkeit beim Schweizer Ringier-Verlag, von seinem Aufsichtsratsposten bei einem deutsch-russischen Gaspipeline-Projekt mit Beteiligung des russischen Gazprom-Konzerns sowie seinen zahlreichen Vorträgen und Reisen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Gerhard Schröder mit der Krise von Firmen seine Beliebtheitswerte aufpolierte - und warum er trotzdem nicht als Unternehmensretter in die Annalen eingehen wird.

Schröder ist noch immer ein König, dem nur das Land fehlt. So reist er um die Welt, hält Vorträge und besucht die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking - nicht ohne seiner Nachfolgerin in der Zeit einen fast schon präsidial anmutenden Seitenhieb zu verpassen, weil sie lieber nicht nach China reisen wollte.

Altkanzler Schröder: Auftritte mit Symbolwert. (Foto: Foto: dpa)

Endlich wieder Hannover

Als Schröder im Januar im Hamburger Kongresszentrum auftrat, war schnell zu merken, wie sehr dem Altkanzler die politische Bühne fehlt. Mit einer fulminanten Rede warb er damals für den SPD-Bürgermeisterkandidaten Michael Naumann. Er krächzte, schrie, ballte die Faust in den Himmel. Als wäre er nie weggewesen.

Und nun wieder Hannover. Hinterzimmer. Gremiensitzungen. Nicht unbedingt die große Bühne. Und doch - das Engagement für die Continental AG wird der Beliebtheit von Schröder sicher nicht schaden. Er soll sich dort um die Interessen der Arbeitnehmer kümmern. Als "Garantor" hat der Jurist die Aufgabe, über die Einhaltung der gefundenen Vereinbarung zu wachen. Und die sieht zum Beispiel vor, dass der Konzern nicht zerschlagen wird und die Zentrale in Hannover bleibt.

Seine Beliebtheitswerte hat der Instinktpolitiker schon häufig mit Shownummern für taumelnde Unternehmen aufpoliert. Als im November 1999 der Baukonzern Holzmann vor dem Aus stand, ging Schröder in die Verhandlungen mit den Banken. Als nach langen Verhandlungen die - zwischenzeitliche - Rettung feststand, ließ sich der Kanzler frenetisch von Tausenden Holzmann-Mitarbeitern feiern. Daumen in die Höhe, Hände in den Himmel, das Schröder-Lachen und schließlich der Ausspruch: "Liebe Freunde, wir haben's geschafft."

Drei Jahre später stand die Büdelsdorfer Mobilcom AG vor der Insolvenz. Der Kanzler mischte sich ein, wieder einmal. Er versprach staatliche Hilfen von bis zu 400 Millionen Euro - und wurde eine Woche später mit einem hauchdünnen Vorsprung vor seinem CSU-Kontrahenten Edmund Stoiber erneut zum Bundeskanzler gewählt.

Auftritte mit Symbolwert

Die Auftritte Schröders haben hohen Symbolwert - egal, ob vor den Holzmann-Mitarbeitern oder, kurz vor der Bundestagswahl 2002, in Gummistiefeln in den überschwemmten Oder-Regionen. Eine langfristige Wirkung hatten die meisten Auftritte jedoch nicht. Zwei Jahre nach der spektakulären Rettung von Holzmann musste der Baukonzern erneut Insolvenz anmelden. 2007 beschäftigte der einst so stolze Baukonzern noch einen einzigen Mitarbeiter. Und Mobilcom ist längst vom Konkurrenten Freenet übernommen worden.

Als Unternehmensretter wird der Altkanzler nicht in die Annalen dieser Republik eingehen. Und doch zieht Schröder im Hintergrund weiter die Fäden - und das möglicherweise auch noch eine ganze Weile.

In der aktuellen Spiegel-Ausgabe ist der Altkanzler wie früher mit einem größeren Interview präsent. Er plaudert nicht über Conti, sondern über Russland. Eine seiner Erkentnnisse: "Dieser Einigungsprozess muss als historische Chance begriffen werden, auch wenn er seinen Preis hat."

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