Süddeutsche Zeitung

Videospiele:Aufholjagd im Milliardenspiel

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Viele Deutsche zocken Videospiele - die im Ausland entwickelt wurden. Heimische Entwickler sind lediglich Außenseiter. Das will der Staat nun ändern.

Von Simon Ax, München

Spielen, das können die Deutschen. 34 Millionen Videospieler zählt das Marktforschungsinstitut GfK hierzulande. Erfolgreiche Spiele zu entwickeln, das können die Deutschen eher weniger. Beliebte Games wie der Shooter Call of Duty, die Fußballsimulation Fifa oder das Actionspiel Spider Man werden außerhalb von Deutschland programmiert. Die Bundesregierung möchte helfen, Computerspiele aus dem Wohnzimmer ins Arbeitszimmer zu holen - und erhöht nun deutlich die finanzielle Förderung für deutsche Spieleentwickler.

In diesen Tagen hat das Bundesverkehrsministerium die ersten staatlichen Zuschüsse aus einem neuen Programm freigegeben. Das Bundesverkehrsministerium ist zuständig, weil sich das Ministerium auch um die "digitale Infrastruktur" kümmert - und nicht, weil nur Autospiele gefördert werden.

Bis 2023 sollen jährlich 50 Millionen Euro fließen. Die Zuschüsse müssen die Firmen nicht zurückzahlen. Bis zu 50 Prozent der Kosten für die Entwicklung und Vermarktung eines Spiels werden übernommen. Bei Kosten über acht Millionen Euro sind es 25 Prozent. Bisher seien 48 Anträge mit einem Gesamtfördervolumen von 38 Millionen Euro eingegangen, teilt das Ministerium mit.

Gefördert werde ein breites Spektrum an Genres: Wirtschaftssimulationen, Sportmanager, Action-Adventures, Virtual-Reality-Games und Rätselspiele. Online-Rollenspiele mit massenhaft Teilnehmern, die für ihr Suchtpotenzial in der Vergangenheit häufig in der Kritik standen, sind bislang nicht unter den geförderten Projekten. Ausgeschlossen sind aber offiziell keine Genres.

Codename "Süßkartoffel": Ein Münchner Studio bekommt zwei Millionen Euro

Deutsche Entwicklerfirmen sind bislang Außenseiter. Nur knapp zwei Prozent der hochpreisigen Konsolen- und PC-Spiele stammen laut Verband der deutschen Games-Branche von heimischen Entwicklern, inklusive der günstigeren oder werbefinanzierten Handy- und Browserspiele sind es knapp fünf Prozent. Die Branche freut sich natürlich über das Geld der Steuerzahler. Verbandsgeschäftsführer Felix Falk verweist auf Kanada, Frankreich und Großbritannien, die den Sektor seit Jahren förderten. Der französischen Filmförderungsbehörde CNC zufolge hat jeder Euro Steuergeld, der in der dortigen Games-Branche ausgegeben wurde, im Gegenzug acht Euro an zusätzlichen Investitionen erzeugt. Später hat er dann 1,80 Euro an Steuereinnahmen gebracht.

Geld gibt es nun beispielsweise für die "Süßkartoffel". So lautet der Codename für das Echtzeit-Taktikspiel, das Mimimi Games aus München derzeit entwickelt. Das Unternehmen bekommt bis Ende Juni 2023 etwa zwei Millionen Euro. Laut Geschäftsführer Johannes Roth kann die Firma wegen der Förderung in den nächsten zwei Jahren zehn weitere Mitarbeiter einstellen; momentan beschäftigt sein Studio 30 Mitarbeiter.

In Deutschland arbeiten laut Branchenverband etwa 10 000 Menschen in der Entwicklung von Videospielen, ein Jahr zuvor waren es noch fünf Prozent mehr. Zum Vergleich: Im bevölkerungsärmeren Kanada sind es 20 000. Auch Ökonomen können dieser Industriepolitik etwas Positives abgewinnen. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung von Videospielen könnten etwa auch anderen Software- und Zukunftsbereichen helfen, sagt Christian Rusche vom arbeitgeberfinanzierten Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Kritik zum bisherigen Umgang der Bundesregierung mit der Games-Branche kommt von der Opposition . Mario Brandenburg, der für die FDP im Bundestag sitzt, sagt, der Umgang der Bundesregierung mit dem Thema Gaming reihe sich in ein Grundversagen rund um das Thema IT ein. Es nütze jetzt aber auch nichts, auf den Verantwortlichen herumzuhacken, sagt der 37-Jährige. Die Förderung sei ja nun da und ein sehr positives Signal für die Branche.

"Erst in den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir eine Chance verpassen."

Zwar sind die neuen Millionenförderungen deutlich großzügiger als die bisherigen, doch die Kosten für die Blockbuster der Branche sind noch mal weitaus höher. An den teuersten Spielen arbeiten Hunderte Mitarbeiter oft über mehrere Jahre. Take-Two Interactive aus den USA hat beispielsweise zusammen mit dem Studio Rockstar North aus Schottland GTA 5 entwickelt - laut Medienberichten für rund 200 Millionen Euro. Verkauft hat sich das Spiel wiederum mehr als 135 Millionen Mal und ist damit eines der erfolgreichsten Unterhaltungsmedien überhaupt.

"Erst in den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir eine Chance verpassen", sagt Benedikt Grindel, Chef der deutschen Studios des französischen Spieleentwicklers Ubisoft, der vor allem für die Assassin's-Creed-Reihe bekannt ist. In den drei deutschen Studios in Berlin, Düsseldorf und Mainz wird unter anderem an der Far-Cry-Reihe sowie an dem besonders in Deutschland beliebten Aufbauspiel Anno gearbeitet. Mit 660 Mitarbeitern ist Ubisoft der größte Spieleentwickler in Deutschland. Das Potenzial der Gaming-Branche werde inzwischen gesehen, sagt er. "Das hat zu lange gedauert", so Grindel. "Andere Länder haben die Chancen der Games-Branche schon vor 20 Jahren erkannt und kräftig investiert. Jetzt gilt es, aufzuholen", sagt er.

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