Computerspiele:Der Kampf der Indianer

Bei "Civilization VI" können Spieler als Cree-Häuptling agieren. Dessen Stamm ist von der Darstellung der Figur allerdings alles andere als begeistert.

Von Katharina Kutsche

Zuerst hatte sich Milton Tootoosis noch gefreut. Sein Vorfahre, Häuptling Poundmaker, sollte als historische Figur in einem Computerspiel auftreten. Und da sein Stamm der Plains Cree aus dem kanadischen Saskatchewan gerade darum kämpft, Poundmaker posthum vom Vorwurf des Verrats freizusprechen, hätte ein wenig Prominenz helfen können. Doch die Art, wie der frühere Häuptling im Spiel gezeigt wird, entspricht nicht dem, was die Stammesgeschichte seit mehr als hundert Jahren überliefert. Nun erwägen die Cree, gegen den Computerspiel-Hersteller zu klagen.

"Civilization" ist eines der erfolgreichsten und ältesten Strategiespiele. Es wird seit 1991 vertrieben, derzeit ist die sechste Version auf dem Markt. Im Spiel geht es darum, eine Kultur durch die Geschichte zu führen, sie durch Diplomatie, Krieg, Städtebau oder geschickten Handel voranzubringen und so "Herrscher der Welt" zu werden, wie es auf der Website zum Spiel heißt. Die Geschichte von Häuptling Poundmaker ist ein Handlungsstrang in der neuesten Erweiterung von "Civilization VI: Aufstieg und Fall", die am 8. Februar auf den Markt kommen soll.

Wie kanadische Medien berichten, ärgern sich die Cree über mehrere Punkte. Der wichtigste: Der Stamm wurde nicht um Erlaubnis gefragt, ob sein Ahn im Computerspiel dargestellt werden darf. Es sei unehrenhaft, aus einer Kultur Kapital zu schlagen, die von der kanadischen Regierung nahezu ausgelöscht worden sei, zitiert die National Post aus Toronto einen Angehörigen des Stammes. Dabei wären die Cree gern bereit gewesen, den Hersteller 2 K Games aus San Francisco zu unterstützen, um den Häuptling historisch korrekt darzustellen.

Chief Poundmaker, um 1842 unter dem Namen Pîhtokahanapiwiyin geboren, gilt als kluger Vermittler zwischen seinem Stamm und der kanadischen Regierung, der sich für Frieden einsetzte. Das beschreibt auch die Vorschau auf die Spielerweiterung. Doch das Spiel vermittle den Eindruck, Poundmaker habe die gleiche Ideologie wie die Kolonialmächte vertreten. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Spieler Imperialismus und Kolonialismus mit den Werten des Stammes gleichsetzten, so Cree-Vorsteher Tootoosis.

Der Stammesgeschichte nach hatte Poundmaker wenige Jahre vor seinem Tod das Vertrauen in die Regierung verloren und sich mit seinem Volk zurückgezogen. Weil die Bison-Bestände schwanden, hungerten die Stämme. Beim Nord-West-Aufstand von 1885 soll der Häuptling vermittelt haben. Als die First Nations, wie die indigenen Völker Kanadas genannt werden, die Kämpfe verloren, ergab sich Poundmaker, wurde jedoch wegen Verrats festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Davon musste er zwar nur sieben Monate absitzen, starb jedoch 1886 an den Folgen der Haft. Computerspiel-typische Erklärungen wie "Poundmakers einzigartige Fähigkeit ist 'Günstige Bedingungen'" hinterlassen da schon einen mehr als üblen Beigeschmack.

Auch optisch passt es nicht. Der Häuptling sieht in der Spiel-Vorschau aus wie ein junger, fitter Mann und trägt gute, uniformartige Kleidung. Historische Fotos zeigen ihn jedoch vor allem später hager mit hervorstehenden Wangenknochen und in Lumpen. Das zeige, wie die damalige Regierung die Stämme gezielt in der Prärie ausgehungert habe, um sie an den Verhandlungstisch zu zwingen, so Poundmaker-Nachfahre Tootoosis.

Für die First Nations ist es ein weiterer Schritt im Kampf um ihre Geschichte, die auch in vielen Hollywood-Produktionen immer wieder falsch oder missachtend dargestellt wird. Die Cree wollen nun mit ihren Stammesältesten beraten, ob sie gegen 2 K Games klagen. Der Spielehersteller hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

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