Computerspiel "Watch Dogs":Superheld mit zweifelhafter Moral

Lesezeit: 3 min

Bei Watch Dogs ist man unterwegs mit einem digitalen Superhelden (Foto: N/A)

Aiden Pearce beklaut vorbeigehende Passanten und legt die halbe Stadt mit Verkehrsunfällen lahm. Der Held im Spiel "Watch Dogs" ist eher unangenehm, das Spiel selbst wirkt überfrachtet. Trotzdem könnte das Konzept aufgehen.

Von Matthias Huber

Worum geht es in Watch Dogs?

Chicago ist vollständig überwacht. Das Computernetzwerk CtOS kennt die intimen Details jedes Bürgers, den allgegenwärtigen Kameras und der Gesichtserkennungssoftware entgeht nichts. Der perfekte digitale Spielplatz für den Hacker Aiden Pearce: Mit ein paar Klicks auf seinem Smartphone erfährt er alles, was er über seine Umgebung wissen muss. Er bedient sich am Geldautomat mühelos aus den Konten zufällig vorbeilaufender Passanten. Er stiehlt Autos, belauscht Telefongespräche - und greift als eine Art digitaler Superheld mit zweifelhafter Moral ein, wenn sich ein wirklich schlimmes Verbrechen ereignet. Wenn ihn Verbrecherbanden oder Polizei verfolgen, kann er Ampelanlagen hacken und so die halbe Stadt mit Verkehrsunfällen lahmlegen. Und er kann in dieser total digitalen Stadt mit Schuss- und Programmcode-Waffen die Mörder seiner Nichte jagen.

Was sieht vielversprechend aus?

Watch Dogs ist auf den ersten Blick ein beeindruckendes, überwältigendes Spiel. Auch wenn das alternative Chicago vielleicht etwas zu grau ist und man die allermeisten Spielelemente schon aus vielen anderen Titeln kennt. Aber Watch Dogs ist ein Spiel über Informationen und Daten, und es ist nur folgerichtig, dass es uns an jeder Straßenecke und mit jedem Passanten, dem wir begegnen, daran erinnert. "Maggie Johnson, 48, arbeitslos, Mutter von drei Kindern", steht auf einer plötzlich auftauchenden Texttafel. Oder "John Smith, 36, Software Designer, regelmäßiger Bordell-Besucher". Die Entwickler von Watch Dogs geben sich redlich Mühe, eine totalvernetzte Stadt zu erschaffen und diese Vernetzung auch visuell mit ständigen Einblendungen und Markierungen zu verdeutlichen. Die dauernden Aufforderungen, Knöpfe zu drücken, die in Spielen wie Assassin's Creed noch wenig elegante Fremdkörper sind, werden in Watch Dogs zum Teil der Spielwelt. So rückt die Hauptfigur Aiden Pearce ein Stück weit näher an den Spieler heran.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Warum sollte man trotzdem skeptisch sein?

Weil Ubisoft die Tendenz hat, seine Spiele mit viel zu vielen eigentlich guten Ideen zu überfrachten. Auch Watch Dogs ist auf den ersten Blick gefährdet, wie Assassin's Creed 4 zu einer oberflächlichen Gimmick-Sammlung zu werden. So zum Beispiel die "Digital Trips": besondere Spielmodi, in denen es unter anderem darum geht, in einer brennenden Höllenstadt mit einem mit Totenköpfen bemalten Auto möglichst viele "Dämonen" (reguläre Passanten mit bunt leuchtenden Köpfen) zu überfahren. Das wirkt eher wie ein Zugeständnis an einen übereifrigen Kollegen aus der Marketing-Abteilung, als wie eine sinnvolle Erweiterung der spannenden Paranoia-Geschichte. Die Informations- und Reizüberflutung, die Watch Dogs seinem Spieler präsentiert, ist aber immerhin eine konsequente Umsetzung des erzählerischen Kerns. Wenn sie für den Spieler allmählich zum beunruhigenden Hintergrundrauschen wird, dann ist das vermeintlich überfrachtete Konzept voll aufgegangen.

Woran erinnert Watch Dogs?

Zuerst einmal an die GTA-Spiele. Das von CtOS kontrollierte Chicago ist völlig frei begehbar, Aiden Pearce kann in jedes Auto einsteigen und mit jedem Passanten interagieren. Überall wimmelt es von kleinen und größeren Ablenkungen von der Haupt-Erzählstrang, von zusätzlichen Aufgaben und Nebenmissionen. Viele Details haben die Entwickler von Ubisoft Montreal auch direkt von der Assassin's-Creed-Reihe ausgeliehen, die aus dem selben Haus stammt. So muss der Spieler überall auf der Karte verteilte Stationen erst einmal aktivieren, ehe er in der Umgebung auf Aidens vollständiges Hacker-Arsenal zurückgreifen kann - genau wie die Protagonisten in Assassin's Creed zuerst die Aussichtspunkte aufsuchen sollten, damit alle Geheimnisse auf der im Spiel enthaltenen Karte markiert werden.

Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

Aus dem Leben eines Hackers: Aiden Pearce streift durch die Lobby eines Luxushotels, über einen Knopf im Ohr unterhält er sich mit seinem Partner. "Wie viel haben wir?", fragt Aiden. "Hundert Riesen in 30 Sekunden." Der Bildschirm zeigt jetzt nur noch Computer- und Datennetze vor schwarzem Hintergrund, die Kamera folgt leuchtenden Linien, ein rotes Ausrufezeichen blinkt warnend vor sich hin. Wenig später wird auf Aiden ein Mordanschlag verübt, seine Nichte Lena kommt dabei ums Leben. Das Netzwerk, das jetzt auf dem Bildschirm zu sehen ist, gehört zu einem Baseballstadion. In dessen Katakomben hat Aiden den Mörder seiner Nichte gestellt, Blut an den Wänden, Leichen in den Gängen. Die Polizei stürmt das Stadion. Aiden tippt ein paar Befehle in den Touchscreen seines Smartphones. Das Licht geht im ganzen Gebäude aus, Blackout. Panik, Chaos - Aiden entkommt.

Watch Dogs (USK ab 18) ist ab 27. Mai für PC, Sony Playstation 3 und Playstation 4 sowie Microsoft Xbox 360 und Xbox One erschienen. Eine Version für Nintendo Wii U soll in den nächsten Wochen erscheinen.

Watch Dogs von Ubisoft (Foto: N/A)
© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: