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Commerzbank:Kämpfer für Mittelständler und Sparer? Von wegen, Herr Zielke!

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Der Rücktritt von Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ist ein Ärgernis. Dass Zielke auf die Auszahlung seines Vertrages pocht, macht es perfekt.

Kommentar von Meike Schreiber

Man weiß gar nicht, worüber man sich bei der Commerzbank gerade als Erstes ärgern soll. Es fängt damit an, dass das Führungsduo, bestehend aus Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann, vergangene Woche Knall auf Fall hingeworfen hat, nachdem die Kritik von Aktionären an der missglückten Strategie dann doch zu laut geworden war. Es mag zwar absolut ehrenhaft sein, zu gehen, wenn man nicht mehr der Richtige ist, aber so, wie es Schmittmann und Zielke vorexerziert haben, geht es nicht: Weil beide Herren offenbar nur untergehakt von dannen ziehen konnten, muss zunächst ein neuer Aufsichtsratschef gefunden werden, der wiederum einen neuen Vorstandschef sucht, der oder die dann die von Zielke verbummelten Kürzungsmaßnahmen durchziehen muss. Selbst in der Belegschaft hält man diese inzwischen für dringend notwendig.

Wäre zunächst nur Zielke zurückgetreten, hätte Schmittmann immerhin rasch eine neue Chefin oder einen neuen Chef ernennen können und dann zurücktreten können - im Hause gibt es drei Kandidaten, die infrage kommen. Nun aber herrscht Chaos an der Spitze von Deutschlands zweitgrößter Bank. In der Belegschaft ist die Stimmung auf dem Gefrierpunkt.

Zu allem Überfluss befasste sich der Aufsichtsrat am Mittwoch offenbar auch noch mit dem noch von Zielke ausgeheckten neuerlichen Sparprogramm. Dass man es einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin damit nicht gerade leichter macht, weil der oder die vielleicht nicht die vorgekaute Strategie einfach so übernehmen will, war offenbar egal. Genauso wie der Umstand, dass Zielke noch im Februar kundtat, er käme bei der Umsetzung seiner letzten Strategie nun doch schneller voran als geplant - um jetzt zum eigenen Rücktritt plötzlich wichtigtuerisch zu verkünden, die Bank brauche eine "tief greifende Transformation". Die Hälfte der Filialen müsse weg, ebenso wie 10 000 Arbeitsplätze, also jede vierte Stelle.

Kämpfer für Mittelständler und Sparer? Mit der Nummer braucht Zielke nicht mehr zu kommen

Um das Ärgernis perfekt zu machen, besteht Zielke nun auch noch auf die Auszahlung seines Vertrages, der noch bis November 2023 gelaufen wäre - und das, obwohl er selbst seinen Rücktritt angeboten hat. Zu den 12,5 Millionen Euro Gehalt und 9,5 Millionen Euro an Pensionsansprüchen, die er in seiner Zeit im Vorstand seit 2011 erhalten hat, kommen damit noch 3,5 Millionen Euro dazu. Sollte Zielke seinen Vorschlag umsetzen und bis nach dem 5. November im Amt bleiben, steht ihm laut Geschäftsbericht noch eine "vorzeitige Alterspension" zu.

Normalen Arbeitnehmern kann man so etwas nicht mehr erklären. Unter Managern aber ist es völlig üblich, sich Verträge ausbezahlen zu lassen, wenn man hinwirft oder wegen Unfähigkeit gehen muss (es sei denn, man war nachweislich kriminell). Den Verzicht kennt man in diesen Kreisen eher nicht, und bislang ist auch bei Zielke nicht bekannt, dass er die Millionen spenden möchte. Er ist damit in guter Gesellschaft mit Heinrich Hiesinger von Thyssenkrupp, Bahn-Chef Rüdiger Grube oder Christine Hohmann-Dennhardt von Volkswagen. Sie alle traten vorzeitig ab, kassierten Millionen.

Arbeitsrechtlich mag das alles wasserdicht sein, auch den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex entspricht das Vorgehen. Das Signal an die Gesellschaft aber ist verheerend, was die Frage aufwirft, ob Kodex und Gesetz nicht angepasst werden sollten. Während Vorstände in Sonntagsreden gerne von unternehmerischem Spirit reden, sind sie selbst in der Regel nicht bereit, Risiken einzugehen, sichern ihre Verträge mehrfach ab. Gerade Zielke hatte sich stets als bodenständiger Manager präsentiert, der mit Einsatz für den Umbau der Bank zu einem heimischen Dienstleister für Mittelständler und Sparer kämpft. Mit der Nummer braucht er nicht mehr zu kommen.

Man würde sich wünschen, dass in Deutschlands konsensorientierten Aufsichtsräten einfach mal jemand auf den Tisch haut. Hätten sich nicht zumindest die zwei Vertreter von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) querstellen können? Sie hätten Zielke für das Geld ja irgendeine andere Aufgabe im Konzern anbieten können. Dann hätte er immer noch ordentlich kündigen können.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2020
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