Commerzbank:"Wir verdienen einfach nicht genug Geld"

Commerzbank

Die Commerzbank muss schrumpfen: Arbeiter demontieren den Schriftzug des Instituts.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Die Commerzbank steckt in einer tiefen Krise. Nun sollen 9600 Stellen wegfallen. Das Institut soll kleiner und digitaler werden.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Der Aufsichtsrat tagte noch, da sah sich die Commerzbank am Donnerstagvormittag gezwungen, eine Pflichtmitteilung zu veröffentlichen. Das Gremium hatte noch gar nicht über die Details abstimmen können, die bereits seit Tagen wohldosiert durchgesickert waren. Ein Teil davon war am Mittwoch sogar im Intranet verkündet worden. Einen erst für Freitag zur Veröffentlichung vorgesehenen Brief von Konzernchef Martin Zielke an die Mitarbeiter hatte die Bank dort kurzerhand auf die Seite gestellt. Versehentlich natürlich. Aber trotzdem peinlich. Von der "Neuerfindung der Commerzbank" war dort die Rede, von einem Umbau zu einem "digitalen Technologieunternehmen".

Das aber ist womöglich gar nicht zu viel versprochen: Denn tatsächlich sucht die Commerzbank ihr Heil in einem grundlegenden Umbau. Der Name der Strategie: "Commerzbank 4.0". 9600 der 45 000 Vollzeitstellen sollen wegfallen, in zukunftsträchtigen Bereichen zugleich 2300 Arbeitsplätze entstehen. Übrig bleiben nur noch zwei Segmente, eines für größere, eines für kleinere Kunden. Das Investmentbanking wird geschrumpft. Laut Reuters verlässt außerdem wie erwartet Mittelstandsvorstand Markus Beumer die Bank, und zwar bereits zum 31. Oktober. Dieser Umbau soll die Strukturen der Bank vereinfachen und Kosten sparen. Außerdem soll der Großteil der Abläufe in der Bank digitalisiert werden. Zunächst aber wird das Institut für den Umbau 1,1 Milliarden Euro ausgeben müssen, etwa für Abfindungen. Die Dividende wird daher bis auf Weiteres gestrichen. 2016 wird die Bank zudem nur einen kleinen Gewinn einfahren, weil sie 700 Millionen Euro auf bestimmte Posten in ihrer Bilanz abschreibt. Ob auch die Manager auf ihre Boni verzichten, ging aus der Mitteilung nicht hervor.

Der Plan, den Zielke am Freitagvormittag auf einer Pressekonferenz erläutern will, soll die zweitgrößte deutsche Bank aus dem Rendite- und Aktienkurstief ziehen, in das sie jüngst wieder gerutscht ist. Monatelang hatte sich der seit Mai amtierende Vorstandschef mit Vertrauten und Beratern von McKinsey zurückgezogen, hatte die Bank nach verstecktem Spar- und Ertragspotenzial abgesucht.

Zwar sah es im Frühjahr kurzzeitig so aus, als habe die Commerzbank die Wende geschafft. Zielkes Vorgänger Martin Blessing hatte sich nach acht Jahren an der Spitze nicht nur mit einem Milliardengewinn, sondern auch mit der ersten Dividendenzahlung seit Langem verabschiedet.

Nur wenig später aber erwies sich der Abgang als geschönt. Allen voran im Geschäft mit Mittelstandskunden brechen seither die Erträge weg. Das Hauptproblem: Angesichts der niedrigen Zinsen und der schwachen Kreditnachfrage weiß die Bank wenig anzufangen mit dem Geld, das ihre Kunden bei ihr parken. Seit der Finanzkrise ist der Bund mit fünfzehn Prozent an der Bank beteiligt, ein Verkauf der Aktien mit Gewinn bleibt jedoch auf lange Zeit Schimäre. Dass Europas Geldhäuser - allen voran die Deutsche Bank - in diesen Tagen unter der wohl schlimmsten Vertrauenskrise seit der Finanzkrise leiden, macht die Dinge nicht unbedingt einfacher.

"Das ist wohl der letzte Schuss, den sie haben", sagt ein Ex-Manager

"Das Wichtigste, was wir uns 2012 vorgenommen haben, haben wir noch nicht erreicht", wird Zielke in dem Mitarbeiterbrief zitiert, was auch ein kleiner Seitenhieb gegen Vorgänger Blessing ist. "Wir verdienen einfach nicht genug Geld, um die Bank dauerhaft mit Erfolg in die Zukunft zu führen." Die niedrigen Zinsen hätten die Lage noch verschärft. "Wir müssen dringend selbst tätig werden, um die Bank deutlich profitabler zu machen." Zielke gehört dem Vorstand seit 2010 an, zuletzt war er zuständig für das Privatkundengeschäft.

"Das ist ein mutiger Schritt, und es ist wohl der letzte Schuss, den sie haben", sagte ein Ex-Manager der Bank. "Martin Zielke kauft sich damit etwas Zeit, wenn er Glück hat, schafft er die Wende."

Bei den Aktionären verfing der Plan am Donnerstag noch nicht. Mit einem Minus von zeitweise rund zwei Prozent gehörten die Papiere der Bank zu den größten Verlierern im Dax. Tatsächlich sind die Ertragsziele weniger ehrgeizig als bei vielen anderen Häusern. Bei anhaltenden Niedrigzinsen sei bis Ende 2020 netto nur eine Eigenkapitalrendite von sechs Prozent erreichbar, hieß es in der Mitteilung. Erst wenn sich die Lage normalisiere, könne die Bank "mindestens acht Prozent" schaffen. Im Jahr 2015 waren es 4,2 Prozent.

Auch die Kosten bleiben vergleichsweise hoch. Trotz Stellenabbau peilt die Bank bis 2020 nur eine Aufwandsquote von 66 Prozent an. International sind 50 bis 55 Prozent Standard. 2015 musste die Bank noch 73 Cent aufwenden, um einen Euro Ertrag zu erzielen. Die Kosten sollen bis 2020 nur um eine halbe Milliarde auf 6,5 Milliarden Euro sinken. Analyst Neil Smith vom Bankhaus Lampe sagte: "Ich hatte sechs Milliarden erwartet, aber vielleicht wollen sie nur jetzt nicht zu viel versprechen."

Arbeitnehmervertreter jedenfalls haben bereits Widerstand angekündigt. "Meine Anforderung ist, dass uns Martin Zielke nun nicht nur etwas über die neue Geschäftsidee erzählt, sondern auch genau darlegt, wie er das alles umsetzen will", hatte Betriebsratschef und Vize-Aufsichtsratschef Uwe Tschäge erst Anfang der Woche gesagt. "Die Bank kann es sich nicht leisten, nur noch ein Abbruchladen zu sein. Es muss auch Leute geben, die sich mit freiem Kopf um das Geschäft kümmern können."

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