Commerzbank:Von Berlins Gnaden

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Der frühere LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter ist seit kurzem Aufsichtsrats-Chef der Commerzbank. (Foto: Wilhelm Mierendorf/imago images)

Der Streit um den Posten des Chefkontrolleurs ist entschieden. Gewonnen hat ihn die Bundesregierung.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Führungskrisen tun keinem Unternehmen gut. Wenn es dann auch noch um die ohnehin schwächelnde zweitgrößte private Bank Deutschlands geht, mit der Bundesregierung als Ankeraktionär, und sich zugleich auch noch die Corona-Krise in die Bilanzen der Unternehmen frisst: Dann führt eine Führungskrise schnell zu einem Desaster. Nach dem gleichzeitigen Rücktritt von Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann galt es bei der Commerzbank, schnell Nachfolger zu benennen. Zumal Schmittmann schon mit der Aufsichtsratssitzung am Montag aus dem Amt schied und die Bank sinnvollerweise erst unter mit neuen Chefkontrolleur jemanden bestimmen kann, wer Zielkes Aufgaben übernehmen soll.

Zum Wochenende sickerte ein Name durch, der zunächst ziemlichen Ärger zur Folge hatte. Und der deutlich macht, dass bei der Commerzbank künftig der Bund die Richtung vorgeben will: Hans-Jörg Vetter, 67, früher Chef der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), war der wahrscheinlichste Kandidat. Am Montagnachmittag teilte die Commerzbank dann mit, Vetter sei zum neuen Chef des Kontrollgremiums der Bank gewählt. Nur das zuständige Gericht müsse der Bestellung Vetters als neues Aufsichtsratsmitglied noch zustimmen. Das alles geschah sehr zum Unmut des US-Finanzinvestors Cerberus, der die Rücktritte von Schmittmann und Zielke mit ausgelöst hatte: Man schlage zwei eigene Kandidaten vor, hieß es vor der Sitzung.

Von Vetter hält Cerberus nichts. Der Streit um die Zukunft der Bank hat sich damit nun deutlich verschärft - und der zweitgrößte Investor sucht die Konfrontation mit dem größten. Die Bundesregierung, seit der Finanzkrise mit mehr als 15 Prozent der Anteile größter Anteilseigner, will - anders als früher - offenbar nichts mehr dem Zufall überlassen. Für die Kandidatensuche war Jutta Dönges verantwortlich, Chefin der Finanzagentur des Bundes und eine von zwei Aufsichtsräten, die das Bundesfinanzministerium (BMF) kürzlich in das Kontrollgremium entsandt hatte. Auf einer Kandidatenliste hätten mehrere frühere Landesbanker gestanden, heißt es in Finanzkreisen. Ernsthafte Chancen auf den Job hatte aber wohl nur jemand, der dem Ministerium auch passt.

So stellte sich Vetter als vielversprechender Kandidat heraus. In den 90er-Jahren war er mal Gesellschafter bei der Privatbank M. M. Warburg und machte dann im Landesbankensektor Karriere. Er leitete die Landesbank Berlin und organisierte deren Sanierung und Verkauf. Enger Berater in dieser Zeit war ein spätererer Staatssekretär im BMF. Von 2009 bis 2016 war Vetter Vorstandschef der LBBW, die nach der Finanzkrise mit Staatsgeld gerettet werden musste. Mit diesen Aufgaben erarbeitete er sich den Ruf als "harter Sanierer", als der er jetzt gern dargestellt wird.

Cerberus stellte am Montag dagegen recht offen Vetters Eignung infrage. In einem Brief an den Aufsichtsrat machten die New Yorker deutlich, an der Spitze des Kontrollgremiums müsse jemand stehen, der den "notwendigen, tief greifenden Restrukturierungsprozess der Bank mit initiieren und überzeugend begleiten" könne. Cerberus betonte, wie wichtig die Kooperation mit allen wichtigen Interessengruppen sei, womit der Investor neben dem Bund und den Beschäftigten auch sich selbst meint. Man habe "ernsthafte Zweifel, dass Hans-Jörg Vetter die richtige Person für diese Aufgabe ist und über die richtige Erfahrung hierfür verfügt".

Cerberus hat strategisch in den deutschen Bankenmarkt investiert und hält neben seinem Investment bei der Deutschen Bank auch gut fünf Prozent der Commerzbank-Aktien - ein äußerst verlustreiches Geschäft. Im Juni trug Cerberus per Brief dazu bei, dass Zielke und Schmittmann aufgaben. Zuvor war schon das BMF mit Zielkes Strategieplänen unzufrieden. Deren überarbeitete Version sieht den Abbau von zusätzlich Tausenden Stellen und den Wegfall der Hälfte der etwa 1000 Filialen vor. Dem Institut stehen harte Zeiten bevor - diesmal sehr genau beäugt von Beamten in Berlin, mit denen sich Cerberus ungewöhnlich offen angelegt hat.

© SZ vom 04.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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