Bankenregulierung:Bund baut Hürden gegen Commerzbank-Übernahme auf

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Der Einstieg der Unicredit bei der Commerzbank überraschte deren größten Aktionär, den Bund. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Nach dem Einstieg der italienischen Unicredit beim Frankfurter Geldhaus will die Regierung keine Aktien mehr verkaufen. Berlin ist verärgert, der Stopp gilt allerdings nur „bis auf Weiteres“.

Von Claus Hulverscheidt, Meike Schreiber

Es ist ein Stopp-Zeichen, mit dem Unicredit-Chef Andrea Orcel in dieser Klarheit womöglich nicht gerechnet hatte: Die Bundesregierung will nach dem Einstieg des italienischen Finanzkonzerns bei der Frankfurter Commerzbank vorerst keine weiteren Aktien der zweitgrößten deutschen Privatbank mehr verkaufen. Das gab die Finanzagentur des Bundes am Freitagabend bekannt, nachdem die Regierung intern einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte. Zwar bedeutet diese Entscheidung nicht automatisch, dass Unicredit die Commerzbank nicht doch mehrheitlich schlucken kann, wenn Orcel das wirklich will – schließlich wird ein Großteil der Anteilscheine frei an der Börse gehandelt. Der Wink aus Berlin aber ist eindeutig: Wenn Unicredit diesen Weg gehen will, dann muss Orcel ihn gegen und nicht mit der Bundesregierung beschreiten, zumindest „bis auf Weiteres“.

Der Bund war der Commerzbank 2009 während der Finanzkrise zu Hilfe geeilt und mit 25 Prozent bei dem Geldhaus eingestiegen. Zuletzt hielt er noch 16,5 Prozent. Vergangene Woche verkaufte er jedoch über eine sogenannte Blockplatzierung ein Paket von 4,5 Prozent, das zur Überraschung des Finanzministeriums in vollem Umfang an den Meistbietenden ging: Unicredit. Zugleich gaben die Italiener bekannt, dass sie über den Sommer bereits weitere rund 4,5 Prozent der Aktien gekauft hätten und damit insgesamt schon mehr als neun Prozent hielten. Man könne sich sogar eine Übernahme der Commerzbank vorstellen.

In Berlin war man keineswegs erfreut, im Gegenteil: Der Einstieg wurde hinter vorgehaltener Hand als „unfreundliches Anschleichen“ gewertet – auch wenn offizielle Äußerungen dazu noch ausstehen. Orcel hatte daraufhin erklärt, er wolle die Commerzbank nicht feindlich übernehmen. Zu dem jüngsten Beschluss wollte sich Unicredit auf Nachfrage nicht äußern.

Commerzbank-Kunden fürchten angeblich, keine Kredite mehr zu bekommen

In der Mitteilung der Finanzagentur hieß es nun, die Commerzbank sei ein „stabiles und ertragsstarkes Institut“, ihre Strategie sei „auf Eigenständigkeit ausgerichtet“. Aus Kreisen des Finanzministeriums verlautete ergänzend, der Bund halte diese Strategie der Bank für „überzeugend“. Zwar stehe man sowohl zur Idee eines einheitlichen europäischen Bankenmarkts als auch zum Prinzip offener Märkte, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) stets propagiert. Auch habe man nichts gegen grenzüberschreitende Fusionen. Als deutsche Bundesregierung müsse man aber zugleich sicherstellen, dass hiesige Mittelständler auch in einer möglichen nächsten Krise noch die für ihr Geschäft nötigen Kredite erhielten.

Genauso sieht das auch die Commerzbank selbst. Wie mehrere mit der Sache vertraute Personen der Süddeutschen Zeitung sagten, will die Führung des Instituts von vielen Kunden aus dem Mittelstand das Signal erhalten haben, einen Zusammenschluss eher abzulehnen. Die Kunden fürchteten zum Beispiel, so das Argument, dass in einer Finanzkrise Darlehen nicht verlängert würden, weil Kreditentscheidungen statt in Frankfurt zentral in Mailand getroffen würden. Auch die Interessen der Mitarbeiter müssten berücksichtigt werden.

Ein weiteres Argument gegen eine Übernahme durch Unicredit – auch wenn das niemand öffentlich anspricht – ist wohl, dass Orcels Haus italienische Staatsanleihen in einem Volumen von 40 Milliarden Euro in der Bilanz stehen hat. Sollte es noch einmal zu einer Staatsschuldenkrise in Europa kommen, wäre das eine gewaltige Hypothek, die das Finanzinstitut ins Wanken bringen könnte. In Berlin will man vermeiden, dass derlei Risiken in Frankfurt gewissermaßen „importiert“ werden, indem eine deutsche mit einer italienischen Bank verschmolzen wird.

In den Ministeriumskreisen wurde auch die Interpretation zurückgewiesen, man habe sich beim jüngsten Verkauf der Commerzbank-Aktien von Unicredit übertölpeln lassen. Vielmehr habe man als Bund keinen Einfluss darauf, wer am Aktienmarkt wie agiere. Auch dürfe man aus Gründen des EU-Beihilfe- wie des deutschen Haushaltsrechts einzelne Kaufinteressenten weder bevorzugen noch benachteiligen oder gar von einer Auktion ausschließen. Den Zuschlag erhielten die Meistbietenden, politischen Spielraum gebe es nicht.

Der Bund wurde vom Umfang des Uncredit-Engagements überrascht

Nach Lesart des Finanzministeriums war es so, dass die Ankündigung des Bundes vom 3. September, die Commerzbank-Beteiligung schrittweise zu reduzieren, am Aktienmarkt großes Interesse auslöste. Am 4. September meldete sich dem Vernehmen nach auch Unicredit beim Parlamentarischen Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP), wurde aber umgehend an die zuständige Finanzagentur des Bundes weiterverwiesen. Noch am eigentlichen Auktionstag, dem 10. September, signalisierten viele potenzielle Käufer ihr Interesse. Dieses ließ allerdings im Laufe des Nachmittags deutlich nach – ausgelöst womöglich auch durch die Mitteilung der Commerzbank, Vorstandschef Manfred Knof werde seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Am Abend ging das gesamte 4,5-Prozent-Paket dann unter Vermittlung der US-Investmentbank JP Morgan für rund 700 Millionen Euro an Unicredit.

Um 21 Uhr desselben Tages erhielt Toncar die Mitteilung, dass Unicredit nicht nur diesen Aktienblock übernommen habe, sondern aufgrund früherer Käufe über die Börse bereits im Besitz von gut neun Prozent der Anteile sei. „Das war nicht außerhalb des theoretisch Möglichen, aber schon überraschend“, hieß es am Freitag in den Ministeriumskreisen. Wenn Unicredit das Engagement bei der Commerzbank noch ausweiten wolle, müsse Orcel jetzt auf das Institut und die Regierung zugehen. Noch hat es einen solchen Kontakt aber offenbar nicht gegeben, lediglich ein „Höflichkeitsanruf“ von Orcel in Frankfurt steht zu Buche.

Im Management der Commerzbank reift derweil die Haltung heran, die Vorschläge der Italiener zwar zu prüfen, dabei aber die Interessen aller Interessengruppen zu berücksichtigen, nicht nur jene der Aktionäre. Die Gewerkschaft Verdi hat sich sogar bereits offen gegen einen Zusammenschluss ausgesprochen. Sie fürchtet einen weiteren großen Stellenabbau. Ende Juni zählte die Commerzbank nach eigenen Angaben weltweit rund 38 700 Vollzeitstellen, davon mehr als 25 000 in Deutschland. Offiziell hieß es von dem Institut bislang nur, man bewerte den Vorstoß der Italiener als Bestätigung der eigenen Strategie und als Zeichen der Attraktivität der Commerzbank.

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