Commerzbank:Tag der langen Gesichter

Commerzbank AG Offices Ahead of Restructuring

Commerzbank-Zentrale in Frankfurt: Der neue Chef will das Institut als "digitale Beratungsbank" positionieren - was auch immer das im Einzelnen heißt.

(Foto: Alex Kraus/Bloomberg)

Der neue Vorstandsvorsitzende will Tausende Stellen abbauen und sich aus vielen Ländern zurückziehen. Dennoch bricht der Aktienkurs ein.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es gibt jene berühmten hundert Tage, die sich ein neuer Vorstandschef oder eine neue Chefin normalerweise nimmt, um sich einzuarbeiten. So lange aber wollte Manfred Knof, 55, nicht warten. "Das geht in meinem Fall nicht", sagte der neue Vorstandschef der Commerzbank am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz des Instituts in Frankfurt. Am liebsten hätte sich der frühere Allianz-Manager wohl persönlich den Journalisten vorgestellt, pandemiebedingt aber wurde die Veranstaltung dann doch ins Netz verlegt. Per Video-Konferenz präsentierte Knof - erst seit sechs Wochen Chef der zweitgrößten deutschen Privatbank - nun einen Plan, wie das Geldhaus künftig aussehen soll.

Er hätte wohl tatsächlich nicht länger warten können: Sein Vorgänger Martin Zielke war im Sommer plötzlich zurückgetreten, weswegen die Bank ohnehin schon viel Zeit verloren hat und Knof nun vorpreschen musste: Er streicht nicht nur 10 000 Stellen, also jeden dritten Arbeitsplatz, die Bank schließt auch die Hälfte der Filialen und zieht sich aus dem Aktiengeschäft sowie aus zahlreichen Ländern zurück. 2020 steht unter dem Strich nun erst mal ein Verlust von 2,9 Milliarden Euro, weil Knof das gemacht hat, was viele neue Vorstandschefs tun: Er schrieb Bilanzwerte ab und erhöhte die Risikovorsorge für faule Kredite.

Mittelfristig will der neue Chef aber dafür sorgen, dass die Bank wieder ausreichend profitabel ist, was für ihn einer Eigenkapitalrendite von sieben Prozent ab 2024 entspricht: "Wachstum um jeden Preis ist für die Commerzbank keine Option mehr", sagte er. Trotz der Belastungen durch die Corona-Krise soll das Betriebsergebnis auch dieses Jahr wieder positiv sein.

An der Börse befürchtet man eine Gewinnflaute

So radikal die Pläne klingen, an der Börse verfingen sie ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Zeitweise rutschte der Kurs der Commerzbank-Aktie um fast sieben Prozent ab, was aus Sicht des neuen Managements bedenklich sein dürfte, vor allem deshalb, weil die wesentlichen Eckpunkte der Strategie bereits vergangene Woche durchgesickert waren. Auch da war der Kurs bereits eingebrochen, am Donnerstag aber ging es weiter bergab: Der übliche Marktmechanismus, wonach eine markig klingende neue Strategie oft erst einmal pauschal für Kursausschläge sorgt? Blieb aus.

Teils waren die Analysten unzufrieden mit dem Tempo des Stellenabbaus, teils mit den Ertragsprognosen, also damit, wie viel die Bank künftig einnehmen will. Für 2021 hatten viele Analysten immer noch auf ein leichtes Ertragsplus gehofft; die Bank aber rechnet dieses Jahr nun nur noch mit leicht sinkenden Erträgen. Man wolle eben nicht mehr jedes beliebige Geschäft machen, sagte Finanzchefin Bettina Orlopp. Bereits 2020 fielen die Erträge um gut fünf Prozent auf 8,2 Milliarden Euro. Das aber ist wahrscheinlich der Knackpunkt: Wenn die Erträge zu stark sinken, dann wird wohl auch der Gewinn nicht wie geplant steigen. Die Bank kann ihr Kosten schließlich nicht wegzaubern, allenfalls senken. Zudem müssen die Anleger voraussichtlich noch zwei Jahre auf eine Dividende warten. Immerhin erhält aber auch Vorstand nach einem Beschluss des Aufsichtsrates für 2020 keinen Bonus.

Die Bundesregierung mischt kräftig mit

Vermutlich missfiel den Anlegern auch, dass die Strategie von Knof und seinem Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter, ebenfalls erst kurz im Amt, kaum von den Plänen der Vorgänger abwich. Knofs Rede enthielt die üblichen Textbausteine, wonach die Bank eine "digitale Beratungsbank" und ein "starker Partner des Mittelstands" sein werde. Bereits im Sommer hatten Knofs Vorgänger Zielke und dessen Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ähnliche Pläne auf den Weg bringen wollen, nachdem der Bund und Großaktionäre wie der US-Fonds Cerberus heftige Kritik an der aus ihrer Sicht dauerhaft zu niedrigen Profitabilität der Bank geübt hatten. Zuvor hatte sich Zielke bereits mit einer "Strategie 4.0" und dann auch einer "Strategie 5.0" abgemüht, ohne die Lage wirklich zu verbessern.

Der Bund, der seit der Finanzkrise fünfzehn Prozent an der Bank hält, hatte das Geschehen in Frankfurt lange Zeit eher aus der Ferne verfolgt. Vor allem Finanzstaatssekretär Jörg Kukies aber greift spätestens seit Herbst 2019 ungewöhnlich stark ins Alltagsgeschäft der Commerzbank ein, hatte ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, um die Pläne des alten Managements zu überprüfen, Zielke und Schmittmann das Vertrauen entzogen und schließlich mit Vetter und Knof ein neues Management an Land gezogen. Deren Strategie mag am Aktienmarkt verhallen, sie hat aber immerhin den Segen von Kukies' Dienstherr Olaf Scholz: "Alle wissen, es muss etwas getan werden, auch etwas sehr drastisches", hatte der Bundesfinanzminister erst vor wenigen Tagen gesagt. Knofs oberstes Ziel ist wiederum, die Eigenständigkeit der Bank zu erhalten, also eine Übernahme zu verhindern. "Das", so betonte er, "ist meine Mission".

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