Deutsche Bank und Commerzbank:Zwei Geldhäuser stehen vor einer ungewissen Zukunft

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Einsam ins Ungewisse: Vor allem die Deutsche Bank muss nun ihren Aktionären beweisen, dass sie ihre Zukunft auch allein meistern kann. Die Commerzbank gilt weiterhin als Übernahmekandidat. Im Bild: Eine Langzeitbelichtung der Skyline von Frankfurt. (Foto: dpa)
  • Mehr als fünf Wochen haben Deutsche Bank und Commerzbank verhandelt - jetzt wurde entschieden, auf eine Fusion zu verzichten.
  • Die Risiken waren deutlich sichtbar geworden und der Widerstand der Arbeitnehmer heftig.
  • Doch nun muss vor allem die Deutsche Bank ihre Leistungsfähigkeit beweisen - die Commerzbank tat sich da zuletzt leichter.

Von Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

An einem Mittwoch im März, es war erst der zehnte Tag der Verhandlungen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank, gab Paul Achleitner einen ziemlich knappen Zeitplan vor. Wenn die Deutsche Bank Ende April ihre Quartalszahlen veröffentliche, werde man "schon mit konkreteren Überlegungen überraschen" können, sagte der Aufsichtsratschef des Instituts auf einer Tagung in Liechtenstein. Das sei der Anspruch des Vorstands. Konkreter als am Donnerstagvormittag ging es dann nicht. Um kurz nach halb elf sagten die beiden Banken das Vorhaben mit wenigen Sätzen ab; es wäre zu teuer, zu riskant, zu ambitioniert geworden. Eine deutsche Großbankenfusion ist damit schon wieder Geschichte.

Überraschend war das nicht mehr. Gute fünfeinhalb Wochen hatten die beiden Banken verhandelt, Arbeitsgruppen gebildet, Investmentbanker und Rechtsanwälte benannt, Daten ausgetauscht, Chancen und Risiken abgewogen, intern und öffentlich harte Kritik gehört. Am Tag 40, am frühen Morgen, setzten sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und Martin Zielke, Chef der Commerzbank, zum letzten Mal zusammen und entschieden, es sein zu lassen. Die Risiken waren zu deutlich sichtbar geworden, der Widerstand der Arbeitnehmer zu heftig; und gegen die Skepsis wichtiger Großaktionäre der Deutschen Bank - des Emirats Katar, des chinesischen HNA-Konzerns, des Vermögensverwalters Blackrock - fand man nicht schnell genug gute Argumente. Am Ende machten die Anforderungen der Bankenaufsicht an eine neue Großbank das Ganze zunichte.

Wobei: Hatte man das nicht alles längst gesehen, als monatelang über diese Bankenhochzeit spekuliert worden war? Hat Paul Achleitner das übersehen, als er in Liechtenstein betonte, in der Finanzbranche zähle Größe? Dem Vernehmen nach soll er jetzt ziemlich verärgert sein über das Ende der Gespräche, auch wenn er sich öffentlich in den Kanon der erleichterten Funktionäre einordnet. Nicht zuletzt er wird nun nach Antworten verlangen auf die zentrale Frage für die beiden ertragsschwachen Banken: Was nun?

"Viele Alternativen zum vom Management vorgezeichneten Weg gibt es nicht mehr"

Vor allem im Fall der Deutschen Bank ist die Lage akut. An diesem Freitag gibt die Konzernspitze bekannt, wie die Geschäfte in den ersten drei Monaten des Jahres gelaufen sind. Vorläufige Zahlen vom Donnerstag deuten zwar an, dass die Bank ihre Ziele übertroffen hat - was sie aber nur durch härtere Einsparungen erreichen konnte. "Die vorab berichteten Zahlen für das erste Quartal machen einen guten Eindruck und geben dem Management wieder etwas Handlungsspielraum", sagt Michael Hünseler, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Assenagon und intimer Kenner der Deutschen Bank. Dennoch werde der Druck auf den Vorstand, die Leistungsfähigkeit der Bank unter Beweis zu stellen, eher noch zunehmen.

Erste Anzeichen, wie dieser Beweis gelingen soll, gibt es schon. Mit der seit einem Jahr separat börsennotierten DWS kontrolliert die Deutsche Bank den größten deutschen Vermögensverwalter. Ihn könnte sie mit einem Konkurrenten verschmelzen. Seit einigen Wochen laufen Gespräche mit der Schweizer Großbank UBS, deren Vermögensverwaltungssparte gut zu den Frankfurtern passen würde. Auch andere mögliche Partner stehen bereit.

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Die beiden größten deutschen Geldhäuser sehen in einem Zusammenschluss keine großen Vorteile. Zu groß war auch der Widerstand von Gewerkschaften und Investoren.

Mit Sewings Versprechen, sich mittelfristig vermehrt auf die "weniger schwankungsanfälligen Geschäftsbereiche" zu konzentrieren, rückt neben der DWS das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden in Deutschland in den Fokus. Und das Investmentbanking. Hier könnten härtere Einschnitte in den USA und im Wertpapierhandel bevorstehen. Geschäftsbereiche abzuwickeln und mehr Stellen als bisher abzubauen, kostet aber Kapital. Nur kann die Bank ihr Kostenproblem kaum anders in den Griff bekommen. "Viele Alternativen zum vom Management vorgezeichneten Weg gibt es nicht mehr", sagt Hünseler.

Arbeitnehmer erleichtert

Die deutlich kleinere Commerzbank, immerhin seit 2010 profitabel, hat es etwas leichter. Das zeigt schon ihr Aktienkurs. Er hat sich doppelt so gut entwickelt wie der Leitindex Dax und liegt 16 Prozent höher als in den ersten Februartagen, als die Marktteilnehmer die Gerüchte über eine Bankenfusion erstmals ernst nahmen. Die Deutsche-Bank-Aktie dagegen ist zurück auf dem Niveau von damals.

Einen strategischen Schwenk nehme sich bei der Commerzbank nun noch niemand vor, wie es in Konzernkreisen heißt. In einem Brief an die Mitarbeiter verteidigte Vorstandschef Zielke die Entscheidung, überhaupt mit der Deutschen Bank verhandelt zu haben. Das hatte viele in der Belegschaft verunsichert; der nun erleichterte Betriebsrat und die Gewerkschaften waren in Fundamentalopposition gegangen. Eine Fusion sei "nicht im Interesse der Aktionäre beider Unternehmen sowie anderer Interessengruppen - einschließlich der Mitarbeiter beider Banken" gewesen, schreibt Zielke nun. Außerdem stehe er zur Konzernstrategie. Die vielen Nachfragen zahlreicher kritischer Kunden, die von einer Großbankenfusion nichts hielten, haben im Konzern offenbar das Selbstvertrauen gestärkt.

Zugleich bleibt die Commerzbank ein Übernahmekandidat. Noch ist die Bundesregierung mit etwa 15 Prozent der größte Einzelaktionär, was jeden Zusammenschluss mit einem ausländischen Konkurrenten zum Politikum macht. Während der Sondierungen mit der Deutschen Bank sickerte durch, wie groß das Interesse der italienischen Unicredit-Gruppe ist. Auch die niederländische ING und die französische BNP Paribas sollen angeklopft haben. Formelle Angebote gab es allerdings keine. Ein solches wäre ohnehin nur zu erwarten, wenn die Bundesregierung vorher ihre Zustimmung signalisiert.

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Und stets wäre, wie jetzt auch, die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) eingebunden. Commerzbank und Deutsche Bank haben ihre Pläne mit den Aufsehern besprochen. In diesen Gesprächen wurde allen Seiten schließlich klar, dass die Fusion keinen Sinn ergibt. Es gab viele Hindernisse, wobei der Widerstand der Gewerkschaften eine große Rolle spielte. Die Führungsriegen beider Banken wussten, dass sie nicht gegen die eigene Belegschaft durchregieren können.

Ohnehin war die EZB von Anfang an nicht begeistert. Die Deutsche Bank gilt der Behörde sowieso als schwieriger Kunde. Etwa 80 Aufseher kümmern sich um die Bank - es ist das größte Team, das die EZB für ein europäisches Institut abgestellt hat. Der neue Behördenchef Andrea Enria sagte neulich, von nationalen Bankenchampions halte er wenig. Ein klarer Fingerzeig. Auch wies er darauf hin, dass eine Fusion, je komplexer sie sei, einen umso höheren Kapitalzuschuss der Eigentümer verlange. Wahrscheinlich spielten die Aktionäre da nicht mehr mit.

Die wichtigste Frage der Kontrolleure aber war: Gibt es ein tragfähiges Geschäftsmodell, oder entsteht durch die Fusion nur eine neue gefährliche Großbank? Das war nicht trivial, denn schon einzeln werfen die beiden Institute kaum Profit ab. Der Fusionsplan von Deutscher Bank und Commerzbank stellte die EZB-Bankenaufsicht vor die größte Herausforderung seit ihrer Gründung vor fünf Jahren. Die Reputation der Zentralbank stand auf dem Spiel. Genehmigt die Aufsicht die Fusion und kommt es später zum Kollaps, stünde die EZB als Versager da. Dieses Risiko geht sie nun gar nicht erst ein.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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