Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:Der Letzte macht das Licht aus

Der Oberkontrolleur ist weg, der Vorstandschef geht bis Ende des Jahres, nun wirft auch noch der wichtigste Vorstand hin, Privatkundenchef Michael Mandel. Dabei müsste die Commerzbank so schnell wie möglich eine Perspektive für die Zukunft finden.

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber

Das Führungschaos bei der Commerzbank ist perfekt. Oberkontrolleur Stefan Schmittmann und Vorstandschef Martin Zielke haben ihren Rücktritt im Juli angekündigt, nun geht auch noch der wichtigste Mann im Vorstand, Privatkundenchef Michael Mandel. Hintergrund ist das Ringen um die künftige Strategie des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts.

Mandel war immer ein Verfechter eines dichten Filialnetzes. Doch in der Corona-Krise mussten viele Zweigstellen schließen, es gilt als sicher, dass immer mehr Kunden ins Onlinebanking abwandern. Deshalb wurde zuletzt die Kritik an Mandels Strategie immer größer. Vor allem die Beteiligungsgesellschaft Cerberus, die zwischen fünf und zehn Prozent aller Commerzbank-Aktien hält, schoss scharf gegen den eingeschlagenen Weg und forderte, das Filialnetz stark auszudünnen und Kosten einzusparen.

Wegen dieser Kritik warfen Anfang Juli Aufsichtsratschef Schmittmann und Vorstandschef Zielke hin. Schmittmanns Nachfolger ist Hans-Jörg Vetter, der frühere Chef des Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Er sucht noch einen Nachfolger für Zielke, der spätestens Ende des Jahres gehen soll.

Strategische Kehrtwende

Gleichzeitig streben Vetter und wichtige Vertreter im Aufsichtsrat eine strategische Kehrtwende an: Die Zahl der Filialen soll von 1000 auf 200 sinken, dazu soll es noch 300 bis 400 kleinere Beratungsstellen mit wenigen Mitarbeitern geben.

Mandel will diesen Kahlschlag nicht mittragen. "Die neue Strategie ist eine radikale Kehrtwende und geht über alles Bisherige weit hinaus", erklärte er im Intranet der Bank. Für eine so große Veränderung brauche es "bedingungslosen Rückhalt" von allen Seiten. "Ich habe den Eindruck, dass ich den nicht mehr habe und es deshalb für die Bank besser sein könnte, wenn diese Aufgabe jemand anders übernimmt." Sein Eindruck sei gewesen, "dass sich die Mehrheit des Aufsichtsrats eine personelle Veränderung wünschte."

Gleichzeitig verteidigte Mandel seinen bisherigen Kurs. "Fakt ist: Mit unserem Filialnetz haben wir in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Teil unseres Wachstums geholt. Wir verzeichnen im Segment stabile Erträge und sind profitabel."

Mandels Ressort übernimmt ab 1. Oktober vorübergehend Sabine Schmittroth an; sie war früher Bereichsvorständin für Privatkunden und ist seit 1. Januar 2020 im Vorstand für Personalthemen zuständig. Wer langfristig Mandels Nachfolge antritt, muss Aufsichtsratschef Vetter noch zusätzlich zur Suche des Vorstandschefs klären. Als Favoriten für den Chef-Posten gelten Firmenkundenchef Roland Boekhout, der früher die Direktbank ING-Diba leitete, und Finanzchefin Bettina Orlopp. Zuletzt war auch LBBW-Chef Rainer Neske im Gespräch, früher Privatkunden-Vorstand bei der Deutschen Bank.

"So pessimistisch war ich noch nie"

Auf der einen Seite gibt es ein Machtvakuum, auf der anderen den dringenden Bedarf, eine Zukunftsperspektive für die Commerzbank zu entwickeln. Die Kritik daran, dass der Umbau zu lange dauere und wertvolle Zeit verloren gehe, wird immer lauter. Schon Ende 2019 hatte die Commerzbank angekündigt, dass 10 000 der 40 000 Stellen wegfallen sollen. "Mandel war der einzig wirklich inspirierende Vorstand", sagte ein Insider der SZ. Sein Weggang sei für die Commerzbank ein großer Verlust, er sehe niemanden, der sich anbiete, um mehr Verantwortung zu übernehmen. "Es ist ein Desaster." Wenn jetzt nicht schnell frische neue Leute mit Ideen kämen, sei dies der Anfang vom Ende. "So pessimistisch war ich eigentlich noch nie", sagte der Insider.

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