Finanzmarkt:So hat es die Commerzbank zurück in den Dax geschafft

Finanzmarkt: Zentrale der Commerzbank in Frankfurt.

Zentrale der Commerzbank in Frankfurt.

(Foto: Alex Kraus/Bloomberg)

Deutschlands zweitgrößter Privatbank gelingt nach Jahren wohl der Wiederaufstieg in den Leitindex. Wem sie das zu verdanken hat - und warum trotzdem längst nicht alles gut ist.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es war von einer Zeitwende die Rede, als die Commerzbank vor fünf Jahren aus dem Börsenleitindex Dax verdrängt wurde, ausgerechnet von jenem aufstrebenden Technologiekonzern namens Wirecard aus Aschheim. Viele sahen darin einen klaren Trend: Die traditionellen Banken, sie werden nach unten durchgereicht, aufwärts geht's hingegen für die jungen Finanztechnologiefirmen. Die Commerzbank, so mutmaßte ihr damaliger Chef Martin Zielke, werde erst wieder in den Dax aufsteigen, wenn sie sich konsequent von der klassischen Bank zum Technologieanbieter gewandelt habe.

Längst sind die Vorzeichen andere: Wirecard hat sich in Luft aufgelöst. Und während sich Markus Braun, der frühere Chef der Pleitefirma, auch am Donnerstag wieder im Betrugsprozess vor dem Landgericht München verantworten musste, ließ sich Zielkes Nachfolger Manfred Knof auf der Bilanzpressekonferenz der Commerzbank für den Wiederaufstieg in den Dax feiern. "Die Commerzbank ist wieder da", sagte er. Durchaus ein Triumph für den Versicherungsmanager, der den Job vor zwei Jahren übernommen und eine Runderneuerung angekündigt hatte, die vierte in zehn Jahren, diese auf vier Jahre angelegt.

Zum Technologieanbieter ist die Commerzbank zwar nicht gerade mutiert. Weiterhin ist sie eine ganz normale Bank, nimmt Spargeld an, bietet Girokonten, vergibt Kredite an Privat- und Firmenkunden. Die "Runderneuerung", sie bestand im Wesentlichen darin, entschlossen die Kosten zu senken, Filialen zu schließen, Stellen abzubauen. Dennoch winkt nun nach einer Dekade des scheinbar unaufhaltsamen Niedergangs nach der Finanzkrise die Rückkehr in die erste Börsenliga - auch wenn der Dax-Club inzwischen von dreißig auf vierzig Mitglieder angewachsen ist, also nicht mehr ganz so exklusiv ist wie früher. Anscheinend aber ist die Sache sicher: Nach der jüngsten Kurserholung ist die Commerzbank inzwischen sogar etwas mehr wert ist als der andere Dax-Anwärter, der Rüstungskonzern Rheinmetall. Die Entscheidung der Deutschen Börse an diesem Freitag wird daher wohl positiv ausfallen für die Frankfurter.

Risikolose Erträge dank Zentralbank

Zu verdanken hat Knof den Aufstieg zum einen der immer noch vergleichsweise robusten Konjunktur, im Wesentlichen aber der Zinswende, auf die seine Vorgänger lange vergeblich gewartet hatten. Sie spült den großen europäischen Banken enorme risikolose Zusatzerträge in die Kassen, die sie derzeit noch nicht auf breiter Front an die Kunden weitergeben, etwa über höhere Tagesgeldzinsen. Dreimal so viel wie ein Jahr zuvor verdiente die Commerzbank 2022, unter dem Strich 1,4 Milliarden Euro, das beste Ergebnis seit mehr als zehn Jahren. Das überraschte sogar die Börse: Der Aktienkurs legte am Donnerstag um fast zehn Prozent zu.

Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank (EZB) nach Jahren der Null- und Negativzinsen ihren Leitzins angehoben, und zwar ungewöhnlich schnell. Viele Banken profitieren nun ausgerechnet davon, dass die EZB bei ihnen auch jahrelang Anleihen kaufte, um den Marktzinsen zu drücken. Dabei häuften sie nolens volens enorme Notenbankguthaben an, auf die sie nun von der EZB 2,5 Prozent Einlagenzins erhalten. Der Effekt ist spürbar: Allein die deutschen Finanzinstitute können auf diese Weise im laufenden Jahr etwa 27,4 Milliarden Euro risikolosen Zusatzertrag verbuchen, sofern die EZB die Leitzinsen wie erwartet bis Mitte des Jahres um weitere 0,5 Prozentpunkte anhebt.

"Champagner-Laune"

Auch die Commerzbank spürt diesen Effekt mehr als deutlich, wie Finanzchefin Bettina Orlopp zugab: Der so genannte Zinsüberschuss stieg dadurch stark an, obwohl das klassische Kredit- und Wertpapiergeschäfte eher stagnierte und die Commerzbank unter dem Strich sogar viele tausend Kunden verlor. Und damit nicht genug: Auch 2023 werde die Bank dank der höheren Einlagenzinsen deutlich mehr einnehmen. Im Nachhinein wundert es nicht, dass vor allem Banker all die Jahre massiv für höhere Zinsen getrommelt hatten.

Die hohen Erträge und Gewinne, sie wecken indes auch Begehrlichkeiten. Da sind nicht nur die Boni für die Mitarbeiter, die dieses Jahr höher ausfallen werden, wie Orlopp sagte. Auch ihren Aktionärinnen und Aktionären will die Bank nun erstmals seit vier Jahren wieder eine Dividende zahlen, ein Drittel des Gewinns. Denn meisten Investoren allerdings reicht das nicht. Es herrsche doch sicherlich "Champagner-Laune", sagte ein Analyst am Donnerstag in der Telefonkonferenz mit den Vorständen, aber warum die Bank nicht noch mehr auskehren wolle? Und schließlich sind da noch die Kunden, die höhere Zinsen für Spareinlagen fordern könnten. Derzeit zahlt die Commerzbank bescheidene 0,25 bis 0,3 Prozent auf das Tagesgeld, während Konkurrenten wie Trade Republic oder Scalable Capital zwei bis 2,3 Prozent Zinsen auf Einlagen anbieten. Konkrete Zusagen für die Commerzbank-Kunden gab es am Donnerstag nicht. Was offenbar auch an der Trägheit der Kundschaft liegt. Denn noch sehe man "keine größere Kundenbewegung" in die Richtung von Neobroker und Neobanken, sagte Finanzchefin Orlopp.

Ist die Sanierung nun abgeschlossen? Wohl kaum. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Commerzbank unter dem Strich nach wie vor nur 4,9 Prozent Eigenkapitalrendite vorweisen kann, deutlich weniger als viele Konkurrenten in Europa. "Es ist schön, dass die Bank jetzt wieder Dividende zahlen kann", sagt Finanzprofessor Volker Brühl von der Goethe Universität in Frankfurt. "Aber das hat sie vor allem der Zinswende zu verdanken. Die Bank steht immer noch vor großen strategischen Herausforderungen." Wie sie im Kerngeschäft dauerhaft wachsen will? Weiterhin unklar. Und die Übernahme durch eine andere Bank? Auch das ist möglich. Das weiß auch Vorstandschef Knof. Man dürfe jetzt eben nicht von der Bremse gehen, sagte er.

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