Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:"Schon rennt man weg"

Vorstandschef Martin Zielke hat zwar selbst seinen Rücktritt von der Konzernspitze angeboten, kann aber dennoch auf eine Millionenabfindung hoffen, anders sein Aufsichtsratschef Schmittmann. In der Belegschaft kommt das nicht überall gut an.

Von Meike Schreiber

Manchmal ist das, was Spitzenmanager nicht sagen, aussagekräftiger als das, was sie sagen. Das zeigt sich auch bei der Commerzbank, wo vergangenen Freitagabend überraschend Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ihre Jobs hingeworfen haben, nachdem sie von Aktionären kritisiert worden waren. Während Schmittmann der Belegschaft immerhin mittels eines intern geführten Interviews seine Beweggründe erklärte und darzulegen versuchte, warum das Führungschaos in Wahrheit ein "geordneter Prozess" sei, war von Zielke wohl nichts zu hören.

In der Belegschaft von Deutschlands zweitgrößter Privatbank kommt das nicht überall gut an. "Herr Zielke hätte sich auch den Mitarbeitern gegenüber wenigstens mal erklären können, wenn es ihm wirklich um die Bank geht", sagt Stefan Wittmann, der für die Gewerkschaft Verdi im Aufsichtsrat des Instituts sitzt. Der plötzliche Rückzug jedenfalls habe viele im Haus verunsichert. "Der Höllenhund hat ja gerade mal geknurrt, aber nicht wirklich gebissen, und schon rennt man weg", sagt Wittmann in Anspielung an den US-Fonds Cerberus, der nach dem Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannt ist, und zuletzt harsche Kritik geäußert hatte.

Der Chef der Commerzbank könnte sich seinen Vertrag auszahlen lassen wollen

An diesem Mittwoch kommt nun der Aufsichtsrat zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Dabei steht einem Insider zufolge noch nicht auf dem Programm, wie viele Stellen gestrichen und Filialen geschlossen werden. Priorität habe es nun, einen neuen Aufsichtsratschef zu finden, der dann eine Vorstandschefin oder einen Chef ernennt. Insider halten es für denkbar, dass der Schweizer Banker Tobias Guldimann, der den Prüfungsausschuss leitet, den Vorsitz übernimmt. Genannt wird auch die Bankerin Jutta Dönges, die erst kürzlich für den Bund in das Kontrollgremium eingezogen ist. Seit der Finanzkrise ist der Bund mit rund 15 Prozent beteiligt. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz war unzufrieden mit der Entwicklung des Instituts, was mit zum Doppelrücktritt beigetragen haben soll.

Der Aufsichtsrat muss auch darüber befinden, ob das Gremium der Empfehlung des Präsidial- und Nominierungsausschusses folgt und Zielkes Vertrag spätestens zum Jahresende beendet. Davon ist natürlich auszugehen. Aber: Die Formulierung lässt darauf schließen, dass Zielke sich seinen Vertrag - der im Herbst 2017 bis November 2023 verlängert wurde - auszahlen lassen will, während zugleich Tausende Stellen wegfallen werden. Was für normale Arbeitnehmer absurd kling, erst kündigen und dann weiter bezahlt werden, ist bei Managern gang und gäbe. 2018 zum Beispiel hatte Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger seinen Job hingeschmissen, trotzdem aber eine generöse Abfindung kassiert. Darauf läuft es nun auch hinaus.

"Zielke ist rein formal nicht zurückgetreten", sagt ein Arbeitsrechtsexperte aus dem Umfeld der Bank. Er habe lediglich angeboten, "auf Basis einer einvernehmlichen Aufhebung vorzeitig aus dem Vorstand auszuscheiden, falls dies aus Sicht des Aufsichtsrats im Interesse der Bank liegt". Damit könne Zielke "die Bedingungen vorgeben". Fraglich sei nur, ob er durchsetzen könne, sich die komplette Laufzeit auszahlen zu lassen. Denn nach den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex soll die Abfindung nicht mehr als zwei Jahresgehälter betragen. Auch die variable Vergütung dürfte Zielke wohl nicht erhalten, wohl aber sein Fixgehalt von zuletzt 1,8 Millionen Euro im Jahr.

Die Sache hängt nun maßgeblich am Bund, der sich am Dienstag ebenso wenig dazu äußern wollte wie die Commerzbank. Vor sieben Jahren hatte sich Berlin schon einmal eingemischt, als Personalvorstand Ulrich Sieber mehr als zwei Jahresgehälter Abfindung bekommen sollte. Anders als Zielke war Sieber indes nicht freiwillig ausgeschieden, sondern nur weil der Vorstand verkleinert wurde. Vor Gericht bekam Sieber später recht. Ohne Millionenzahlung dürfte unterdessen Schmittmann die Bank verlassen. Er hat seinen Rücktritt bereits angekündigt.

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SZ vom 08.07.2020
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