Commerzbank:Eine Bank loswerden ist gar nicht so einfach

Lesezeit: 3 Min.

2008 und 2009, mitten in der Finanzmarktkrise, war der Bund bei der Commerzbank eingestiegen. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

In der Finanzkrise musste der Staat die Commerzbank stützen, jetzt gilt sie als stabilisiert. Aber wer kommt, wenn der Bund geht?

Von Henrike Roßbach, Meike Schreiber, Berlin/Frankfurt

Die Pressemitteilung der Bundesfinanzagentur kam am Dienstagabend, kurz nach Börsenschluss. „Bund reduziert Beteiligung an der Commerzbank“ lautete der Titel, und er markiert den Anfang vom Ende einer langen Geschichte. Selbst das Management wurde überrascht. Finanzchefin Bettina Orlopp erreichte die Nachricht am Abend auf dem Sommerempfang der Förderbank KfW in Frankfurt. 2008 und 2009, mitten in der Finanzmarktkrise, war der Bund bei der Frankfurter Privatbank eingestiegen. Die Commerzbank war in Schieflage geraten, der Staat stützte sie mit Kapitalhilfen in Höhe von 18,2 Milliarden Euro. 13,15 Milliarden Euro wurden seither an den Finanzmarktstabilisierungsfonds zurückgezahlt, weshalb der Bund heute immer noch 16,49 Prozent an der Commerzbank hält.

Jetzt aber soll der Einstieg in den Ausstieg erfolgen. Am Mittwoch war im Finanzministerium von einem „begrenzten ersten Schritt“ die Rede. Was übersetzt bedeutet: Der Bund verkauft jetzt einen ersten Schwung Aktien über die Börse, in Finanzkreisen ist die Rede von rund vier Prozent, und wenn das gut läuft, wird er sich nach und nach von der gesamten Beteiligung trennen.

Der Bund muss seine Anteile „diskriminierungsfrei“ verkaufen

Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, begründet den Schritt damit, dass die Commerzbank inzwischen wieder „ein stabiles und ertragsstarkes Institut“ sei. Daher sei es geboten, dass sich der Bund von den Anteilen „sukzessive wieder trennt“. Das sei „ein Zeichen für die Stärke der Commerzbank und des Finanzstandorts Deutschland“. Auch Finanzchefin Bettina Orlopp begrüßte den Verkauf als „ausgesprochen positiv“, weil er eindeutig belege, dass die Commerzbank zurück in der Normalität sei und man den „Turnaround geschafft habe“. Volker Brühl, Professor am Center for Financial Studies an der Goethe-Universität Frankfurt sagte, der Zeitpunkt sei günstig, da die Bewertung der Commerzbank angesichts der Zinserwartungen eher wieder zurückgehen dürfte.

Commerzbank-Finanzchefin Bettina Orlopp lobt den Ausstieg. (Foto: IMAGO/RAINER UNKEL/IMAGO/Rainer Unkel)

Doch so eindeutig das alles klingt: Wie genau der Ausstieg vonstattengehen wird und welche Folgen das für die Aktionärsstruktur der Bank haben wird, ist bislang nicht ausgemacht. Klar ist: Der Bund muss seine Anteile „diskriminierungsfrei“ und transparent verkaufen – er darf sich den oder die neuen Anteilseigner also nicht einfach aussuchen. Der Hintergrund: Die Rettung der Commerzbank war eine staatliche Beihilfe und der diskriminierungsfreie Verkauf eine Auflage der EU.

Denkbar wäre, dass die anderen Großaktionäre der Commerzbank, das sind im wesentlichen internationale Fonds, ihre Anteile aufstocken, und vielleicht zusätzlich noch ein paar neue mit kleineren Anteilen einsteigen. Möglich wäre aber auch, dass neue Großaktionäre alle frei werdenden Anteile erwerben oder sogar, dass eine andere Bank ein Übernahmeangebot abgibt. Weil die Commerzbank in Kürze wieder eigene Aktien zurückkauft, steigt der Anteil des Bundes zumindest auch nicht weiter an, wenn er sich an dem Programm beteiligt und seine Aktien ebenfalls andient.

Kauft nun ein Investor mehr als zehn Prozent, müsste die EZB-Bankenaufsicht prüfen, ob der Käufer zuverlässig ist, welche Strategie er verfolgt, woher das Geld kommt und ob sich der Investor längerfristig verpflichtet. Auch der Bund dürfte sich, vor allem bei einem Interessenten von außerhalb Europas, genau anschauen, an wen seine Anteile gehen würden und was das für den Bankenstandort Deutschland bedeutet. Die Commerzbank ist auch ein wichtiger Mittelstandsfinanzierer; die Bundesregierung dürfte wenig Interesse daran haben, dass sie vom Markt verschwindet.

Die Einnahmen fließen nicht in den Haushalt

Avancen für eine Übernahme hatte es immer wieder gegeben, von der Unicredit aus Italien etwa, der französischen Großbank BNP Paribas und anderen. Zwischenzeitlich war auch der US-Hedgefonds Cerberus Anteilseigner, hatte die Beteiligung aber – mit Verlust – verkauft. Sollte ein „Ausländer“ die Commerzbank übernehmen wollen, könnte sich die Deutsche Bank herausgefordert fühlen, die 2019 mit der Commerzbank fusionieren wollte. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hielt sich dazu am Mittwoch aber zurück. Eine Übernahme der Commerzbank werde unter ihm „kein Thema“ werden, sagte Sewing auf einer Konferenz des Handelsblatts.

Wenn der Bund unter 15 und unter zehn Prozent fällt, muss es zudem eine Mitteilung geben. Technisch gesehen hat die Finanzagentur zwei Möglichkeiten, die Anteile zu platzieren: Entweder sie setzt mithilfe von Investmentbanken auf einen Blockverkauf oder sie verkauft die Anteile nach und nach am Aktienmarkt. Ersteres könnte mit Abschlägen verbunden sein, letzteres dauert länger und birgt ein Kursrisiko. Die Einnahmen fließen nicht in den Haushalt, sondern in den Finanzmarktstabilisierungsfonds und verringern dessen Minus, das Ende 2023 bei 21,6 Milliarden Euro lag. Verluste machen wird der Bund mit der Beteiligung aber auf jeden Fall, vermutlich etwas mehr als zwei Milliarden Euro, wie viel genau, wird sich zeigen. Beim Aktienkurs von 12,86 Euro ist der Bundesanteil derzeit rund 2,5 Milliarden Euro wert. Am Mittwoch wurde die Nachricht am Markt vergleichsweise gut aufgenommen: Der Kurs gab zwar leicht nach. Das aber lag wohl auch am insgesamt schwachen Aktienmarkt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungCommerzbank
:Willkommen zurück in der Marktwirtschaft

Kommentar von Meike Schreiber

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: