Comeback mit neuem Filehoster:Kim Dotcom ist mega zurück

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Megaupload-Gründer Kim Dotcom hat sich auf seiner Pressekonferenz in Neuseeland endgültig zu einer Figur aus einer Comic-Verfilmung verwandelt. Die Frage ist nur: Zum ultimativ Bösen oder zum Rächer der Entrechteten? Sein neuer Upload-Dienst "Mega" dürfte jedenfalls die subversivste Umgehung rechtlicher Pflichten sein, die es im Internet je gab.

Von Johannes Boie

Man kann eine Pressekonferenz natürlich auch mit tanzenden Menschen beginnen - vielleicht Maori, vielleicht auch nicht - und mit sphärischen Klängen. Dann eine Stimme aus dem Off: "Und jetzt Multimillionär, Madman, Volksheld, Heavy Weight Championship Holder, Three Times Academy Winner, Doktor Kim Dotcom." Oder so ähnlich. Vor der Bühne warten Journalisten, von denen viele rund um die Welt nach Neuseeland geflogen sind, um live mitzuerleben, was Kim Schmitz, 39, alias Kim Dotcom alias Kimble alias Kimvestor an diesem Sonntag Neues anzukündigen hat.

Dann sagt die Stimme aus dem Off, dass Kim Dotcom noch schlafe, und zwei Schauspieler betreten die Bühne mit Gehstock und Zylinder und ahmen die Geräusche eines Modems aus den Neunzigerjahren nach. Niemand weiß warum.

Aber die Journalisten vor der Bühne halten tapfer durch. Sie haben es ja ahnen können. Und schließlich kommt Kim Schmitz doch noch auf die Bühne, umgeben von vielen jungen Frauen, deren Outfits man für militärisch halten könnte, wenn es möglich wäre, in einem Minirock zu kämpfen. Kurz: Bei der Pressekonferenz von Kim Schmitz ist alles auf eine sehr amüsante Art vollkommen irre, ganz so, wie man es erwartet hatte. Und natürlich ist diese Show kein gewöhnliches Comeback. Das ist kein "Ich bin zurück", sondern ein "Ich bin zurück und auf 250, und ich werde die ganze Welt erobern".

Schmitz, gebürtiger Kieler mit finnischen und deutschen Wurzeln, hat sich in Neuseeland endgültig in eine Figur aus der Hollywoodverfilmung eines Marvel-Comics verwandelt, ein Film, den man wie viele andere jahrelang illegal von seinen Megaupload-Servern laden konnte - bis das amerikanische FBI aktiv wurde.

Die Frage ist jetzt, ob Schmitz in einem Film der Böse oder der Gute wäre.

In einem deutschen Film wäre Schmitz der ultimativ Böse. Hierzulande saß er im Gefängnis wegen Insidergeschäften und ließ sich mit irgendwelchen drittklassigen Möchtegern-Models in Sportwagen fotografieren. Echte Hacker nervte, wie er sich als einer von ihnen inszenierte, technisch soll Schmitz wenig draufhaben. Kaum ein deutscher Bericht über ihn kommt ohne Verweise auf seine gigantische Villa aus, auf seine dicken Autos und auf seine Erfolge als Spieler eines Online-Ballerspiels. Dass Schmitz heute nach eigenen Angaben in Deutschland nicht länger vorbestraft und einer ist, der im Netz ein funktionierendes Geschäftsmodell aufgebaut hat, wird dagegen seltener erwähnt.

Ganz anders sieht das im Rest der Welt aus, wo Schmitz erst in den vergangenen Jahren bekannt wurde. Hier gilt er vielen als Kämpfer für ein freies Internet. Kim Schmitz, Rächer der Entrechteten, das gefällt ihm - dem Hünen, der oft mit seinem eigenen Übergewicht kokettiert.

Exakt vor einem Jahr hatten neuseeländische Polizisten sein gigantisches Anwesen gestürmt und Schmitz aus einem von innen verbarrikadierten Panikraum gezerrt. Schmitz soll sich als Betreiber des mittlerweile vom FBI gesperrten Filehosters Megaupload sowie mehreren Schwesterdiensten wie Megavideo strafbar gemacht haben. Filehoster sind Unternehmen, die jedermann Speicherplatz im Internet anbieten. Wird dieser Speicherplatz zu illegalen Zwecken genutzt, zum Beispiel um urheberrechtlich geschützte Werke wie Filme oder Musik zu speichern und zu verbreiten, entstehen schnell massive Urheberrechtsverletzungen, denn die entsprechenden Links auf eine begehrte Datei verbreiten sich rasend schnell durchs Netz.

Und was macht Schmitz nun? Er gründet einen neuen Filehoster und nennt ihn Mega Der Wahlspruch seiner Firma ist "the Privacy Company", und auf seinen Webseiten beruft er sich auf den 12. Artikel der Menschenrechtsdeklaration ("Eingriffe in Privatleben und Schriftverkehr").

Auf der Pressekonferenz am Sonntag auf seinem Anwesen inszeniert er einen Überfall des FBI mit Hubschraubern und schwer bewaffneten Polizistendarstellern, um dann die teils geschockten, teils amüsierten Journalisten mit einem "Stop this madness, let's all be friends" zu "befreien". Dann bittet er seine Weggefährten Mathias Ortmann, Bram van der Kolk und Finn Batato auf die Bühne, die alle bei Mega dabei sind. Und die ebenso wie er vor einem Jahr verhaftet worden waren. Klein beigeben sieht anders aus.

Schmitz nämlich sieht sich im Recht, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er es ist. Der Premierminister von Neuseeland hat sich bereits öffentlich für illegale Bespitzelung durch den Geheimdienst bei ihm entschuldigt. Die Weitergabe von Dokumenten über Megaupload durch die neuseeländische Polizei an das FBI ist ebenfalls illegal gewesen.

Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass Lobby-Organisationen der amerikanischen Film- und Musikindustrie auf die Durchsuchung gedrängt haben. Ihnen schlägt Schmitz süffisant vor, sich von ihm beraten zu lassen. "Wer das Urheberrecht als Waffe gegen Innovationen benutzt", sagt er, "wird am Straßenrand der Geschichte zurückbleiben". Dabei leugnet er überhaupt nicht, dass sein alter Dienst Megavideo für Produktpiraterie genutzt wurde. Er sieht sich nur nicht in der Verantwortung. "Warum sollte der, der nichts Illegales macht, bestraft werden?", fragt er - denn er sei ja nur derjenige, der Dateien speichert. Um was für Dateien es sich handele, ginge ihn nichts an: "Die Post ist nicht verantwortlich dafür, was in den Briefen ist, die sie befördert. Und wenn jemand mit dem Auto zu schnell fährt, kommt nicht der Autohersteller in den Knast."

Die Metaphern klingen gut, aber sind natürlich schief, weil ein Brief nicht von Millionen Menschen empfangen werden kann, eine hochgeladene Datei aber schon.

Megaupload habe, sagt Schmitz, illegale Dateien, von denen man gewusst habe, umgehend gelöscht. So werde es auch Mega halten. Mit Mega geht Schmitz aber noch einen Schritt weiter, weil er die Dateien seiner Nutzer nun automatisch verschlüsseln lässt, sodass tatsächlich nur der Nutzer weiß, ob es sich um legale oder illegale Inhalte handelt. Das dürfte die subversivste Umgehung rechtlicher Pflichten sein, die es je im Internet gegeben hat. Der Unterhaltungsindustrie jedenfalls dürfte das kaum gefallen.

Aber was ist schon Hollywood gegen seine Zuschauer, was die Musikindustrie gegen die Masse ihrer Konsumenten? Über eine Million Besucher haben nach Schmitz' Angaben am ersten Tag bei Mega vorbeigeschaut, alleine in den ersten zwei Stunden sollen 250.000 Nutzer online gewesen sein, bis die Server unter der Last zusammenbrachen. Der Datenverkehr vom Vorgänger Megaupload machte in Spitzenzeiten vier Prozent des gesamten Datenverkehrs im Netz aus.

Im Schwung des Erfolgs wagt Schmitz gleich noch einen kühnen Vergleich: Mit der Durchsuchung vor einem Jahr sei es wie mit der Titanic - die habe untergehen müssen, damit Regisseur James Cameron diesen tollen Film machen konnte. Und mit Mega erhebe sich jetzt aus der Asche von Megaupload ein neuer, großer Erfolg.

Vielleicht ist es Schmitz' Humor, der ihm bei seinen künftigen Strafverfahren die meisten Probleme bereiten wird.

Es sind aber seine Ideen, die ihn vom deutschen Kriminellen zu einem ernst zu nehmenden Internetunternehmer gemacht haben: Seinen Fans erklärte er neulich in einem Tweet, wie Urheberrechtsverletzungen gestoppt werden können: "1. Gute Inhalte machen; 2. Einkauf einfach gestalten; 3. Auf der ganzen Welt zum gleichen Zeitpunkt veröffentlichen; 4. Fairer Preis; 5. Abspielbar auf allen Geräten."

"Hollywood könnte der größte Spieler im Internet-Markt sein", sagt Schmitz. Man wüsste gerne, ob ihn die Anwälte in Hollywood mehr für seine Firma oder für seine Ratschläge, die ins Schwarze treffen, hassen. Schmitz dürfte das egal sein, er sieht sich längst auf einem ganz anderen Level.

Den Start seiner Pressekonferenz läutete er mit einer öffentlichen Nachricht an US-Präsident Barack Obama via Twitter ein. Wie es sich gehört für Kim Schmitz. Er ist nicht nur zurück. Er ist mega zurück.

© SZ vom 21.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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