Flugreisen:CO₂-Kompensation ist alles, aber kein Ablasshandel

Ein Flugzeug landet auf der Karibikinsel St. Martin

Flugreisen sind schädlich für das Klima. Immer mehr Passagiere spenden im Gegenzug. (Im Bild: eine Delta-Maschine überfliegt den Maho Beach und landet im niederländischen Teil der Karibikinsel St. Martin)

(Foto: Philipp Laage/dpa-tmn)

Klar, der beste Flug fürs Klima ist der, der gar nicht erst stattfindet. Doch immer mehr Menschen kompensieren ihren CO₂-Abdruck mit einer Spende. Und das ist ein guter erster Schritt.

Kommentar von Silvia Liebrich

Werbung ist mitunter schamlos, besonders dann, wenn es ums Fliegen geht. "Anschnallen, abschalten, Stress über Bord" sowie ein "Rundum-Verwöhnprogramm" verspricht derzeit Austrian Airlines seinen Fluggästen. Das klingt ein bisschen so, als sei das Flugzeug eine Wellnessoase und Herumfliegen der größte Spaß aller Zeiten. Andere ziehen hemmungslos die Neidkarte: Zwei Frauen übertrumpfen sich gegenseitig im Radiospot, wer in diesem Jahr am weitesten reist. Während die eine bereits die Malediven, Thailand, Dubai und - ach ja - noch ein Wochenende in Las Vegas abgehakt hat, liegt die andere mit den Kanaren abgeschlagen hinten. Aber war da nicht noch was? Klimawandel? Erderwärmung? Schmelzende Polkappen und steigende Meeresspiegel?

Fest steht: Einfach und entspannt durch die Welt fliegen, ohne sich Gedanken machen zu müssen, das war einmal. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass kein anderes Reisemittel so viele schädliche Treibhausgase verursacht wie das Flugzeug. Müssen Reisende, die sich auf den nächsten Urlaub an einem fernen Sehnsuchtsort freuen, also ein schlechtes Gewissen haben? Oder lässt sich das vielleicht mit einer freiwilligen CO₂-Abgabe vertreiben, die Klimaschutzorganisationen wie Atmosfair, Myclimate oder Primaklima anbieten?

Einfach mit "ja" oder "nein" lässt sich diese Frage generell nicht beantworten. Gewissensfragen muss jeder Einzelne mit sich selbst ausmachen. Inzwischen dürfte wohl aber den meisten Menschen klar sein, dass ihr Verhalten unmittelbaren Einfluss auf das Klima hat, dass Maßhalten also das Motto der Zukunft sein muss. Freiwillig ganz aufs Fliegen verzichten werden dennoch die wenigsten.

Erfreulich ist da, dass eine wachsende Zahl von Reisenden bereit ist, den eigenen CO₂-Abdruck zu kompensieren - für einen Flug hin und zurück von München nach La Palma macht das etwa 30 Euro, München-Kapstadt schlägt mit 120 Euro zu Buche. Das gespendete Geld fließt unter anderem in die Aufforstung von Wäldern, in Wind- und Sonnenenergieprojekte in ärmeren Regionen der Welt. Ein Modell, das umstritten ist und von Kritikern gern abfällig als moderner Ablasshandel abgetan wird, der in erster Linie das schlechte Gewissen beruhigen soll.

Wer so argumentiert, macht es sich zu einfach. Klar ist der beste Flug fürs Klima derjenige, der gar nicht erst stattfindet. Auch ändert eine Kompensation nichts daran, dass erst einmal jede Menge Treibhausgase durch den angetretenen Flug freigesetzt werden. Wer zugleich für das Pflanzen neuer Bäume spendet, gibt jedoch zumindest das Versprechen ab, diese Emissionen später einmal auszugleichen - und das ist besser als nichts. Dass dieses Versprechen eingehalten wird, überwachen unabhängige Prüforganisationen, die den Einsatz der Gelder kontrollieren und Transparenz sicherstellen sollen.

Am Ende muss das Ziel stehen, dass weniger geflogen wird

Auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne seine Entscheidungen am Klimaschutz bemessen muss, ist diese Form der CO₂-Kompensation ein erster Schritt. Jeder Verbraucher kann so zumindest seinen Beitrag leisten, während noch um politische Vorgaben wie eine CO₂-Steuer gestritten wird. Wer bereit ist, seinen Flug zu kompensieren, ist sich meist auch bewusst, dass er damit dem Klima schadet. Er wird nicht einfach nur zahlen, um sein Gewissen zu beruhigen - und dann munter weiterfliegen. Stattdessen wird er sich vermutlich bei jeder weiteren Flugreise genauer überlegen, ob diese überhaupt nötig ist. Ähnliche Überlegungen stellen die Verantwortlichen in Unternehmen, Ministerien und öffentlichen Einrichtungen an, die bereits jetzt die Flüge ihrer Mitarbeiter regelmäßig kompensieren.

Am Ende muss ganz klar das Ziel stehen, dass insgesamt weniger geflogen wird. Das darf aber nicht heißen, dass jeder gleich zuhause bleiben oder zumindest ganz auf Fernreisen verzichten sollte. Entscheidend ist auch hier das richtige Maß: Wenn schon Fernreise, dann lieber selten, dafür aber gut geplant und für einen längeren Zeitraum, damit sich der weite Weg auch lohnt. Schließlich bedeutet Reisen nicht nur Freiheit, sondern es hilft auch dabei, den eigenen Horizont zu erweitern, Toleranz zu entwickeln gegenüber anderen Kulturen und Weltanschauungen - ein hohes Gut in einer Welt, in der sich Konflikte immer mehr verschärfen.

Wer sich dagegen einfach nur erholen oder shoppen will, muss dafür nicht um den halben Globus reisen, vor allem, wenn es nur für ein Wochenende ist. Wichtig ist jedoch: Entscheiden muss dies am Ende jeder für sich selbst - und das ist mit etwas Vernunft gar nicht so schwer.

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Leserdiskussion
:CO₂-Abdruck mit Spende kompensieren - eine gute Sache?

Eine wachsende Zahl von Flugreisenden ist bereit, den eigenen CO₂-Abdruck auszugleichen - mit einem Aufpreis auf ihr Flugticket. Das Geld fließt unter anderem in die Aufforstung von Wäldern oder in Wind- und Sonnenenergieprojekte. Kritiker sehen darin modernen Ablasshandel.

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