Süddeutsche Zeitung

CO2-Emissionen:Klimawandel im Wohnzimmer

Die Deutschen senken ihren privaten CO2-Ausstoß deutlich. Zugleich wehrt sich die Industrielobby allerdings weiter gegen einen europäischen Vorstoß beim Klimaschutz.

Markus Balser

Mehr Strom aus Sonne, Wasser und Wind, sparsamere Autos, effizientere Elektrogeräte: Die Sparanstrengungen der Deutschen beim Klimaschutz zeigen Wirkung. Jeder Deutsche hat im vergangenen Jahr zwar noch 7,5 Tonnen umweltschädlichen Kohlenstoffdioxids (CO2) freigesetzt. Damit leiteten die Deutschen jedoch eine Trendwende ein. Denn vor zehn Jahren waren es noch 8,0 Tonnen. Erstmals ging der private CO2-Ausstoß durch Konsum in einem Jahrzehnt so deutlich zurück. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Montag mit.

Die gesamten Emissionen deutscher Haushalte lagen im vergangenen Jahr nach Berechnungen der Statistiker bei 618 Millionen Tonnen des wichtigsten Treibhausgases. Der kleinere Teil entstand dabei direkt in den Haushalten. Den Angaben zufolge waren sie durch Heizen oder Autofahren für 216 Millionen Tonnen verantwortlich. Weitaus größer sind die Folgen des Konsums: Durch die Herstellung von Gütern, die Verbraucher konsumieren, seien im In- und Ausland 402 Millionen Tonnen CO2 angefallen, teilte das Bundesamt mit. Besonders der wachsende Anteil von Erdgasheizungen und Dieselautos habe dazu beigetragen, dass sich der CO2-Ausstoß verringert hat, berichtete die Behörde.

So sanken die direkten Emissionen durch Heizen um 7,7 Prozent, die durch den Kraftstoffverbrauch privater Autos um 5,7 Prozent. Auch die Art der Stromerzeugung hat die CO2-Bilanz der Bürger verbessert: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung stieg von 6,4 Prozent im Jahr 2000 auf 16,3 Prozent 2009. Erneuerbare Energien tragen wesentlich dazu bei, den Fußabdruck eines Landes in der Klimabilanz zu mindern, denn rund die Hälfte der CO2-Emissionen für Konsumgüter kommen aus der Stromerzeugung. Der Anteil der Importe betrug laut Statistischem Bundesamt 35 Prozent. Dabei haben Waren aus China einen besonders hohen Emissionsgehalt, da dort bei der Stromerzeugung besonders viel CO2 entsteht.

Der private Konsum ist für den Großteil des Ausstoßes in Deutschland verantwortlich. Die Treibhausemissionen des Landes insgesamt - also inklusive der Herstellung von Investitionsgütern - betrugen 2008 rund 10,0 Tonnen je Einwohner. International liegt Deutschland damit zwar hinter den USA (20 Tonnen pro Kopf), aber auch deutlich vor Schwellenländern wie China (3,5 Tonnen pro Kopf). Nach dem Klimakompromiss von Cancun hat die deutsche Industrie Europa zur Zurückhaltung aufgefordert und vor den Folgen eines Alleingangs für die Wirtschaft gewarnt.

Die Europäische Union dürfe nicht einseitig weiter vorpreschen, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf. "Die EU kann dann ihr Treibhausgas-Reduktionsziel auf 30 Prozent aufstocken, wenn sich auch alle anderen Industrie- und Schwellenländer auf ehrgeizige Reduktionsziele und Emissionsobergrenzen verpflichten", betonte er. "Sonst verlieren wir in Europa und vor allem in Deutschland moderne Produktionsanlagen und Jobs." In der Abschlusserklärung der Cancun-Verhandlungen heißt es, um die schwersten Klimaschäden zu verhindern, müssten die Industriestaaten ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken. Die Europäische Union will dabei nach bisherigen Erklärungen eine internationale Vorreiterrolle einnehmen.

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SZ vom 14.12.2010/kst/aum
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