Co-Working:Sorry, wir haben heute kein Büro für Sie

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In den Werbebroschüren wirkt Co-Working wie die moderne Alternative zum klassischen Büro. In Wahrheit soll es vor allem Kosten sparen. (Foto: Alex Kotliarskyi / Unsplash)

Schreibtisch auf Zeit statt fester Arbeitsplatz? Co-Working steht für eine neue, lässige Arbeitswelt. In Wahrheit steckt dahinter ein ökonomisches Kalkül.

Kommentar von Michael Kläsgen

Co-Working-Firmen werben mit Filmen im Internet, in denen junge, leger gekleidete Leute in einem großen Büro fröhlich zusammenarbeiten. Wobei: So wie in einem klassischen Büro sieht es dort nicht aus, eher wie in einem überdimensionalen, durchgestylten Wohnzimmer. Und nach Arbeit schaut es genau genommen auch nicht aus. Die jungen Leute sitzen zusammen, nippen an Porzellantassen oder kickern, was sonst. Das Kickern ist zum Sinnbild der modernen, lässigen Arbeitswelt geworden. Wer würde so nicht arbeiten wollen? Dagegen könnte man kaum etwas haben, wenn diese Filme nicht Augenwischerei wären.

In manchen Co-Working-Büros mag es tatsächlich so aussehen, aber mit der ökonomischen Realität, die hinter dem Geschäftsmodell des Schreibtisches auf Zeit steht, hat die schöne neue Arbeitswelt nicht immer etwas zu tun. Gewiss, Co-Working-Büros können Freiberuflern, Gründern und Kreativen nicht nur Raum, sondern auch eine inspirierende Umgebung bieten. Sie können auch dazu dienen, neues Denken in eingefahrenen Strukturen zu befördern.

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Da immer mehr Unternehmen von dem Modell Gebrauch machen und nicht nur ihre Entwicklungsabteilung auslagern, mischt sich ein Aspekt unter in das eigentlich positive Bild. Die Co-Working-Büros können auch dazu dienen, die Kosten zu senken. Mitarbeiter mit einem festen Arbeitsplatz, einem Schreibtisch und Telefon sind ein Kostenfaktor. Mithilfe von Co-Working-Firmen können die Firmen diese Kosten senken. Die Co-Working-Firmen vermieten ganze Büroetagen oder auch einzelne Schreibtische längst nicht mehr nur zeitweise an Start-ups oder Freiberufler. Sie treten inzwischen gezielt an Konzerne wie VW, Lufthansa oder Axa heran, um sie von dem Einsparungspotenzial des Mietmodells zu überzeugen. Die Ratio dahinter: Wenn sie Büros auf Zeit mieten, ist das billiger, als diese selber zu betreiben und instandzuhalten.

Es ist ein Modell, bei dem beide Unternehmen gewinnen können. Das eine senkt die Kosten, das andere steigert Umsatz und Gewinn. Weil das Modell so erfolgreich ist, expandieren Co-Working-Firmen derzeit rasant. Mindspace eröffnet in Kürze "den bislang größten Co-Working Space" in Deutschland. Es ist kein Zufall, dass dieser in der Münchner Innenstadt liegt. Hier sind die Immobilienpreise so hoch wie nirgendwo sonst in Deutschland; so hoch, dass die Büroarbeitsplätze der Beschäftigten zu einem relevanten Kostenfaktor in der Bilanz der Firmen werden.

Bezeichnend ist ein weiteres Beispiel: Marktführer Wework mietet selber mehrere Etagen des notleidenden Warenhauses Kaufhof in Frankfurt, um diese weiterzuvermieten. Kaufhof kann auf der bestehenden Fläche mit seinem Sortiment aus Bekleidung und Haushaltswaren kein Geld verdienen, braucht aber dringend Einnahmen. Wework liefert sie, kassiert selber aber über das Weitervermieten noch einen ordentlichen Gewinn. Allgemein ist die Rede von einer Marge zwischen 30 und 60 Prozent. In dem Fall kommt also noch ein lachender Dritter hinzu: Kaufhof Frankfurt, der neben Wework und dessen Untermieter sein Geschäft macht. Was soll also schlimm an dem Modell sein?

Der Durchschnittsangestellte muss fürchten, dass sein Arbeitgeber auf die Idee kommt, seinen Schreibtisch auszulagern, um Kosten zu sparen. Derzeit vermieten Co-Working-Firmen bereits mehr als 20 Prozent der Fläche an Unternehmen und die Tendenz steigt. Es geht längst nicht mehr nur um cooles Arbeiten für Kreative und Selbständige, sondern um den Kostenfaktor Büroarbeitsplatz.

Die Werbefilmchen gaukeln etwas Falsches vor

Es ist wie bei vielen Ideen, die in den USA aufgegriffen werden, die im Grunde hervorragend sind, die in ihrer kommerzialisierten Form aber den Kern der Idee ins Gegenteil verkehren. So war es mit der sogenannten Sharing Economy, Mitwohn-zentralen beispielsweise waren eine praktische Sache. Wenn Wohnungen aber nur noch für Touristen da sind, ist das nachteilig für Mieter, Hoteliers und den Fiskus, da für die Einnahmen aus Sharing-Modellen oft keine Steuern gezahlt werden.

Co-Working war vor zehn Jahren noch eine von Solidarität unter Kreativen getragene Alternative zum Büroalltag. In manchen Cafés fand sich die digitale Bohème zum Latte Macchiato ein, um sich gegenseitig zu inspirieren. In der Kommerz-Variante könnte Co-Working zu einem Euphemismus werden, der nett klingt, hinter dem inzwischen aber zunehmend eine Finanzlogik steckt und der nicht unbedingt etwas Gutes für alle Beteiligten bedeuten muss - auch wenn die Werbefilmchen etwas anderes vorgaukeln.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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