CO₂-Steuer:Geschwindigkeit statt Sympathie

Auch die Wirtschaftsweisen gewinnen nun einer CO₂-Steuer etwas ab. Die Regierungsberater fänden eine andere, umfassendere Lösung zwar noch besser. Doch die Steuer hat einen entscheidenden Vorteil.

Von Jan Bielicki

Vorstellung Sondergutachten zur CO2-Bepreisung
(Foto: dpa)

Das Konvolut, das die fünf Wirtschaftsprofessoren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag übergaben, enthält auf 129 Seiten plus Anhang genau 260 Punkte. Und unter Punkt 258 kommen die Verfasser endlich zu ihrem Urteil über jenen Bereich ihres Untersuchungsgegenstands, der politisch derzeit am heißesten diskutiert wird: "Eine CO₂-Steuer ließe sich", so heißt es da, "vergleichsweise rasch einrichten." Damit hat sich nun auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sogenannten Wirtschaftsweisen, eine Steuer auf den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid als möglichen Weg empfohlen, die deutschen Klimaziele doch noch zu erreichen.

In ihrem Sondergutachten mit dem Titel "Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik" verlangen die Sachverständigen von der Politik eine "Entscheidung für einen CO₂-Preis als zentrales klimapolitisches Element". Das heißt konkret: Der Ausstoß von Kohlendioxid beim Autofahren oder Heizen muss ihrer Ansicht nach teurer werden. Die aktuelle Debatte biete "die historische Chance, die kleinteilige, teure und ineffiziente deutsche Klimapolitik so umzustellen, dass die Bepreisung von CO₂ im Zentrum steht", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Christoph M. Schmidt, am Freitag in Berlin.

Wie andere Gutachter vor ihnen fordern auch die Wirtschaftsweisen, eine CO₂-Bepreisung sozial ausgewogen zu gestalten. Die Einnahmen daraus müsse der Staat wieder an die Bevölkerung zurückgeben - entweder pauschal pro Kopf, durch eine Beseitigung der bisher auf dem Strompreis liegenden Steuern und Umlagen oder auch durch Senkung von Steuern und Sozialabgaben auf Arbeit.

Allerdings sehen die Professoren in einer CO₂-Steuer auf Kohlendioxid nur eine - und nicht einmal die einzige - Übergangslösung hin zu einem System, das Kohlendioxid in ganz Europa und am Ende sogar in der ganzen Welt einen einheitlichen Preis geben soll. Dazu sollte, so ihre Forderung, spätestens im Jahr 2030 der europäische Emissionshandel - auf Englisch: European Union Emissions Trading System (ETS) - auch auf die Bereiche Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden. Bislang gilt dieser Emissionsrechtehandel nur für Kraftwerke und große Teile der Industrie. Betriebe, die Kohlendioxid ausstoßen, müssen sich das Recht dazu erkaufen. Den Preis für ein solches Emissionszertifikat bestimmt nicht wie bei der CO₂-Steuer der Staat, sondern der Markt. Auf den elektronischen Handelsplätzen dafür ist ein solches Zertifikat für eine Tonne CO₂-Ausstoß derzeit für etwa 28 Euro zu haben. Über die Ausgabe dieser Zertifikate, die sich Jahr für Jahr verringert, bestimmt der Staat, welche Menge Kohlendioxid ausgestoßen werden darf. Über eine Ausweitung dieses ETS-Systems über Industrie und Energiewirtschaft hinaus müssten sich allerdings die europäischen Staaten einigen.

Weil solche Entscheidungen in der EU viel Zeit brauchen, schlagen die Professoren ein nationales Vorgehen vor und bieten zwei Varianten an: eben die CO₂-Steuer oder ein deutsches Emissionshandelssystem in den vom EU-ETS nicht erfassten Bereichen Verkehr und Gebäude. Für den Emissionshandel zeigt das Gutachten deutlich mehr Sympathie, räumt aber ein, dass eine Steuer rascher und einfacher eingeführt werden könnte. Allerdings müsse eine solche Steuer auch regelmäßig nachjustiert werden - je nachdem, welche Wirkung sie auf den CO₂-Ausstoß tatsächlich hat. Die Höhe der Steuer solle sich an den Preisen für die ETS-Zertifikate orientieren, die Gutachter beziffern sie auf 25 bis 50 Euro pro Tonne ausgestoßenen Kohlendioxids.

Andere Wissenschaftler sehen in der vorgeschlagenen Ausweitung des Emissionshandels jedoch "entscheidende Nachteile", wie Claudia Kemfert kritisiert. Die Energie-Expertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen, hält die Einführung ein solches Systems für "administrativ enorm aufwendig", die Kosten seien "ungeheuer" hoch. Mittel erster Wahl sei daher die CO₂-Abgabe. Im Auftrag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatten das DIW und zwei weitere Forschungsinstitute Anfang dieser Woche Gutachten vorgelegt, in denen sie sich für eine Einführung und Erhöhung einer CO₂-Steuer in Schritten aussprachen.

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