Cloud-Technologie:Alte Schachtel mit neuen Funktionen

Dropbox?Debuts Above IPO Price After Pricing Above Range

Andrew „Drew“ Houston (M.) mit seinem Co-Gründer Arash Ferdowsi (vorne rechts) beim Börsengang von Dropbox an der Nasdaq in New York im März 2018.

(Foto: Victor J. Blue/Bloomberg)

Drew Houston hat 2007 den Speicherdienst Dropbox aufgebaut, weil er oft seinen USB-Stick vergaß. Heute ermutigt der Informatiker andere Gründer und spricht über seinen Weg zum Unternehmer.

Von Katharina Kutsche

Seine erste Liebe sei das Engineering, sagt Drew Houston, also Neues zu entwickeln und zu programmieren. Auf dem Weg vom Dropbox-Gründer zum Unternehmer sei es deshalb der härteste Schritt gewesen, sich davon zu verabschieden: "Dafür musst du Talente anheuern." Ein wenig Code von ihm sei aber noch da, sagt er. "Dropbox funktioniert in der Basis immer noch wie früher."

Zwölf Jahre nach der Gründung ist das nicht selbstverständlich. Dropbox, ein cloudbasierter Dienst, um Dokumente und Dateien zu speichern und sie gemeinsam mit anderen Nutzer von unterschiedlichen Rechnern aus zu bearbeiten, ist ein Erfolgsunternehmen. Sitz in San Francisco, mehr als 2000 Mitarbeiter in 13 Büros weltweit, rund 1,4 Milliarden US-Dollar Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr, gelistet im US-Börsenindex Nasdaq.

Doch wie bei vielen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley verdeckt der heute große Name, mit welchen Schwierigkeiten seine Gründer zu Beginn zu kämpfen hatten - und dass eine wichtige Grundlage für Erfolg ist, zur richtigen Zeit ein tatsächliches Problem zu lösen.

Houston, 36, wuchs in einer Kleinstadt in Massachusetts nördlich von Boston auf. Er studierte Informatik an der Elite-Uni MIT und nahm kurz nach seinem Abschluss an einem Gründerprogramm teil. "Eines Tages saß ich im Bus von Boston nach New York und wollte mich an die Arbeit machen, merkte aber, dass ich meinen USB-Stick mit den Informationen vergessen hatte." Kein Wlan im Bus, iPhones gab es auch noch nicht: Houston war frustriert und schrieb die ersten Code-Zeilen, um das Problem für sich zu lösen.

Dropbox entstand zu einer Zeit, als nur wenige Menschen privat mehr als einen Computer besaßen

2005 hatte Houston bereits ein Start-up gegründet, war aber mit seiner Bewerbung für den Start-up-Accelerator Y Combinator gescheitert. 2007 versuchte er es mit seiner neuen Idee wieder und bekam eine Zusage mit Einschränkungen, nämlich sich innerhalb von zwei Wochen einen Mitgründer zu suchen. Den fand Houston in Arash Ferdowsi, einem MIT-Kommilitonen, der Houstons Präsentation gesehen hatte und sofort begeistert war. Rückblickend sei es surreal gewesen, sagt Houston: Zunächst investierte Y Combinator, der schon Airbnb und Reddit angeschoben hatte, in die Idee von der Dropbox, und dann Sequoia Capital, der Risikokapitalgeber, der all den Großen, Google, Yahoo, Apple etwa, zum Erfolg verhalf. Letztlich aber bedingte das eine das andere.

Dropbox entstand zu einer Zeit, als nur wenige Menschen privat mehr als einen Computer besaßen. 2006 war mit Amazon Web Services ein großer Cloud-Anbieter auf den Markt gekommen, auf dessen Infrastruktur S3 auch Houstons Technologie aufsetzte. 2007 erschien das erste iPhone von Apple, Smartphones wurden damit gesellschaftsfähig und verbreiteten sich rasant - so entstand die Möglichkeit und auch der Bedarf, digital von überallher zu arbeiten und zu kommunizieren. "Dadurch nahm sich Dropbox eines Problems an, das zuvor eher selten war und plötzlich sehr viele Nutzer von Smartphones oder Laptops betraf. Davon haben wir massiv profitiert", so der Gründer. Heute sind mehr als 500 Millionen Menschen in 180 Ländern bei Dropbox registriert. "Wir sind erfolgreicher, als wir uns das in unseren wildesten Träumen vorgestellt haben."

Viel Geld werde in die Sicherheit investiert

Allerdings gab es auf dem Weg dahin auch Pannen. 2016 musste Dropbox eingestehen, dass Unbekannte vier Jahre zuvor 68 Millionen Passwörter von Nutzern gestohlen hatten. Im Januar 2017 tauchten Ordner und Dateien wieder auf, die die Ersteller eigentlich Jahre zuvor gelöscht hatten - ein Bug hatte verhindert, dass die Dokumente von den Servern entfernt wurden; bei der Reparatur wurden sie versehentlich wiederhergestellt anstatt endgültig gelöscht. Darauf angesprochen, bleibt Houston allgemein: Die Sicherheitsbilanz des Unternehmens sei ziemlich gut und Sicherheit das wichtigste für Dropbox und seine Kunden. Zudem sei ein Vorteil der Unternehmensgröße, dass man viel Geld und Arbeit in die Sicherheit investieren könne.

Seit der Gründung lebt die Tech-Firma von einem Freemium-Modell. Privatkunden, die nur die Basisversion nutzen, zahlen nichts und bekommen zwei Gigabyte Speicherplatz. Mit Dropbox Plus oder Professional kaufen Nutzer für bis zu 16,58 Euro pro Monat bis zu drei Terabyte Ablage und erweiterte Funktionen. Auch für Geschäftskunden gibt es drei verschiedene Modelle. Von den 500 Millionen Nutzern weltweit sind aber nur 13,6 Millionen zahlende Kunden. Deren Zahl war zuletzt weniger stark gewachsen als vorher, was sich an der Börse bemerkbar machte: Im August fielen die Aktien trotz steigender Erlöse um 13 Prozentpunkte.

"Start-ups können Dinge ausprobieren, die niemand zuvor getan hat."

Ende September saß der Chef bei der Start-up-Konferenz Bits & Pretzels in München auf der Bühne. Houston - der als Gitarrist und Background-Sänger in einer Band namens "Angry Flannel" (zu Deutsch etwa: wütender Flanell) spielt - wurde als einer der "Top-Speaker" präsentiert und trat in Lederhosen, lila Weste und Haferlschuhen auf. Er gehe auf solche Events, um die Menschen dort zu ermutigen, einfach anzufangen und nicht auf die perfekte Idee zu warten, so der Gründer im Gespräch vorab. "Ich erinnere mich daran, in solchen Zuschauerräumen gesessen zu haben. Als ich 24 war und Dropbox aufbaute, wusste ich nicht genau, wie das laufen wird." Niemand werde als Chef geboren, Fehler zu machen sei Teil der Reise als Unternehmer. "Das ist, was es Start-ups ermöglicht zu existieren: Sie können Dinge ausprobieren, die niemand zuvor getan hat - und nicht alle davon werden funktionieren." Wichtig sei es, aus Fehlern zu lernen, und das schnell.

Kurz zuvor hatte Dropbox (zu Deutsch etwa "Ablageschachtel") zum ersten Mal eine Nutzerkonferenz in San Francisco veranstaltet. Dabei wurde mit "Spaces" die neueste Generation der Produktlinie vorgestellt, weg von der reinen Cloudablage und hin zum "Smart Workspace". Spaces integriert Anwendungen aus fremden Diensten wie Google Drive, Microsoft oder Slack. Seit November können Nutzer auch viele Dateien auf einen Schlag versenden, wie es auch der Dienst Wetransfer schon anbietet. Von 2020 an soll auch das Trello-Projektmanagement eingebunden werden.

Mit der Erweiterung der Ablageschachtel stellt das Unternehmen sicher, dass es neben den Wettbewerbern weiter bestehen kann - lieber integrieren, als allein kämpfen und verlieren, das gilt heute für viele Dienste. Die neue Generation ist aber auch eine Reaktion auf ein Problem der digitalen Arbeitswelt, das Dropbox genau genommen selbst mit geschaffen hat: Es gibt zu viele Tools. "Sie sollten uns eigentlich helfen, stehen uns aber unabsichtlich im Weg", sagt Houston. Die Frage sei: Wie behalte ich mein Arbeitsleben im Griff und den Überblick darüber? Heute sehe sich Dropbox nicht mehr als Speicherplatz im Netz, sondern als einen lebenden Arbeitsplatz, einen Ort zum Zusammenarbeiten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: