Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche:Wie Kokain-Millionen in Deutschland gewaschen werden

  • Im Jahr 2015 deckten Ermittler eines der größten Geldwäsche-Netzwerke Europas auf.
  • Die Ermittlungsakten zeigen nun das ganze Ausmaß der Verstrickungen.
  • Das Netzwerk konnte auch deshalb so lange erfolgreich im Verborgenen arbeiten, weil die die Kontrollen nicht streng genug waren.

Von Volkmar Kabisch, Leo Klimm, Paris, Jan Lukas Strozyk und Jan Willmroth, Frankfurt

Es sind schwere Vorwürfe, die da gegen Ali Z. erhoben werden. Die Vorsitzende Richterin liest sie am Dienstag in Paris aus der Anklageschrift vor, während Ali Z., ein massiger Mann, vor ihr steht. Er trägt Dreitagebart, Jeanshemd und eine schwere, golden funkelnde Uhr am Handgelenk. Das Gesicht ist regungslos, aber die Hände sind unruhig, mal knetet er sie, mal verschränkt er die Finger. "Drogen", "Geldwäsche", "Kriminelle Vereinigung", lauten die Schlagworte, und Ali Z., ein libanesischstämmiger Mann aus Münster, muss sich mal ins Deutsche, mal ins Arabische übersetzen lassen, was die Richterin sagt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Noch muss er sich nicht äußern, unmittelbar vor Beginn des Prozesses gibt er der SZ seine Verteidigungslinie zu erkennen: Er habe nicht gewusst, woher das Geld stammte, das er bis 2016 überall in Europa eingesammelt und vor allem in Deutschland in schwere, teure Uhren eingetauscht haben soll. Er sei nur eine kleine Nummer in diesem großen Kriminalfall mit 15 Angeklagten, und seine fast schüchterne Körpersprache an diesem Tag passt dazu.

Aufgeflogen ist die ganze Sache auch, weil Bundespolizisten an einem Tag im Juli 2015 eine Mercedes C-Klasse anhielten. Grenzübergang Aachen-Lichtenbusch, Verkehrskontrolle, das Auto mit Bremer Kennzeichen. Zwei Männer steigen aus, im Libanon geboren, bei Bremen zu Hause. Sie sagen, sie seien zum Einkaufen nach Belgien gefahren. Durchsuchung, Sporttaschen, darin Wäsche - und dazwischen: jede Menge Geldscheine, klein gestückelt. 489 000 Euro, verunreinigt mit Kokain. Die Männer waren wohl auf dem Weg nach Deutschland, um das Geld zu waschen.

Was die Beamten entdecken, stellt sich als Teil eines der größten Geldwäsche-Netzwerke Europas heraus, mit Verbindungen in den Libanon, in die USA, zu Drogenbossen nach Kolumbien. Monatelang waren französische Ermittler und Europol dem Netzwerk zum damaligen Zeitpunkt hinterher. Sie gingen Hinweisen der amerikanischen Anti-Drogenbehörde DEA nach, die Telefonate eines kolumbianischen Drogenkartells abgehört hatte. Offenbar nutzten die Südamerikaner gezielt die Dienste der libanesischstämmigen Bande, um ihre Umsätze aus dem Drogenverkauf in Europa auch vor Ort zu waschen.

Von Sommer 2015 an ermittelten auch deutsche Strafverfolger. Wenige Monate später, im Januar 2016, durchsuchten Polizisten Häuser in sechs Ländern, nahmen Verdächtige fest und stellten 800 000 Euro Bargeld sicher. Unter anderem in Düsseldorf, Münster und bei Bremen. Vier Verdächtige nahm die Polizei in Deutschland fest. Fast alle Angeklagten, die in Paris vor Gericht stehen, sind Libanesen oder im Libanon verwurzelt. Die Ermittler gaben dem Verfahren den Codenamen "Cedar", nach dem englischen Wort für die Zeder auf der libanesischen Flagge.

Ermittlungsunterlagen, die SZ, NDR und WDR vorliegen, lassen das Ausmaß der Geschäfte des Cedar-Netzwerks erahnen. Eine Million Euro sollen sie in der Spitze pro Woche gewaschen haben - als professionelle Dienstleister, darauf spezialisiert, die Herkunft großer Mengen Bargeld zu verschleiern.

Einige Männer waren den Erkenntnissen der Ermittler zufolge nur damit beschäftigt, das Geld einzusammeln. Fuhren umher, verstauten es in ihren Autos, brachten es zu anderen Beteiligten. Die gingen zu Juwelieren, kauften Schmuck und teure Uhren, und zu Autohändlern, bezahlten Luxusautos in bar. Die Sachwerte brachten sie in den Libanon, wo andere Bandenmitglieder sie weiterverkauften. Von dort sollen die Millionen direkt zurück zu den kolumbianischen Kartellen geflossen sein.

Ein ausgetüftelter Kreislauf, dem in Deutschland vor allem zwei Dinge nutzten: Die hohe Akzeptanz von Bargeld, ohne Obergrenzen. Und eine lückenhafte Geldwäschebekämpfung.

Große Lücken existieren vor allem im Warenhandel. Eine der einfachsten Methoden, um größere Summen zu waschen, ist es immer noch, teure, wertbeständige Dinge zu kaufen, die sich leicht wieder veräußern lassen. Händler - etwa Juweliere, Teppichhändler oder Autoverkäufer - sind deswegen qua Geldwäschegesetz verpflichtet, den Behörden auffällige Zahlungen zu melden. Solche Meldungen müssten dann bei der Financial Intelligence Unit (FIU) landen, einer Zentralstelle des deutschen Zolls, die seit Mitte 2017 für die Geldwäschebekämpfung zuständig ist. Doch die Händler sind nachlässig: Innerhalb eines Jahres zählten die Beamten dort lediglich 216 Meldungen von Güterhändlern, verglichen mit Zehntausenden aus der Finanzindustrie. Ein krasses Missverhältnis.

"Deutschland ist der attraktivste Markt für schmutziges Geld in Europa", sagt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Bargeld aus schmutzigen Quellen finde in der Bundesrepublik ein sicheres Zuhause, weil es für viele Händler eben nicht ungewöhnlich ist, selbst hohe Summen in bar zu akzeptieren. Giegold ist nicht allein mit der Forderung, Händler strenger zu kontrollieren und für den Kampf gegen Geldwäsche zu sensibilisieren. "Und umgekehrt kümmern sich die Behörden nicht, die eigentlich dafür da sind, das Geldwäscherecht zu vollziehen und den Händlern zu sagen: Ihr müsst das machen", sagt Giegold. Die Landesbehörden haben zu wenig Personal, in manchen Bundesländern bleibt das Problem gar an den kommunalen Gewerbeaufsichtsämtern hängen.

Ein Problem haben jetzt auch die Juweliere, bei denen die Verdächtigen in Deutschland mit hohen Barbeträgen eingekauft haben. Gegen sie ermittelt parallel die Aachener Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der leichtfertigen Geldwäsche. In den Jahren 2011 bis 2015, so ein Sprecher der Behörde, haben die Juweliere mehr als 20 Millionen Euro von den Beteiligten eingenommen. Jeweils in bar, jeweils geliefert in Plastiktüten. Die Verkäufer hielten die Männer selbst für einen Händler und meldeten keinen Verdacht.

Geldwäschespezialisten von Europol sagen voraus, dass Banden wie Cedar in Deutschland an Einfluss gewinnen werden. Die größte Volkswirtschaft Europas ist attraktiv für Geldwäscher - sei es für italienische Mafiaclans, Rockergruppen oder andere organisierte Kriminelle.

Das Geld soll auch in Waffen für den Syrien-Krieg geflossen sein

Im Fall der Cedar-Gruppe vermuten die Ermittler sogar Zahlungen an die iranisch-libanesische Terrorgruppe Hisbollah. Nach Erkenntnissen von US-Agenten diente das Geld teils zum Kauf von Waffen für den Syrien-Krieg. Die Schnittmenge zwischen Geldwäsche und Terrorfinanzierung spielt in dem Pariser Prozess also auch eine Rolle. Doch damit nicht genug: Einer der Geldkuriere des Cedar-Netzwerks gab in Verhören durch die französische Polizei an, auch der mit der Hisbollah eigentlich verfeindete libanesische Herrscherclan der Hariris sei Nutznießer des gewaschenen Geldes. Sieben Millionen Euro habe er bei einem Pariser Anwalt des libanesischen Präsidenten Saad Hariri abgeliefert. Die Hariris bestreiten das.

Was Vermutung oder Verdacht bleibt, und wie viel die Ankläger den Beschuldigten nachweisen können, wird das Verfahren zeigen. Den Ermittlungsunterlagen zufolge ist es Ali Z., der Mann aus Münster, der Hariri in den Vernehmungen belastet hat. Ali Z. selbst behauptet ja, er sei nur eine kleine Nummer gewesen. Die Strafverfolger sehen das anders: Einmal soll er innerhalb von nur vier Monaten 1,3 Millionen Euro gewaschen haben. Bis zu 120 teure Uhren im Wert von je bis zu 50 000 Euro soll er in Deutschland mit dem Drogengeld gekauft haben - pro Jahr. Schwere, teure Uhren sind seine Spezialität.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018/vwu/vd
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