Citigroup:Herr über 55 Länder

James Cowles leitet die Citigroup in Europa, Afrika und Nahost. Der Manager der viertgrößten US-Bank erhofft sich viel von Deutschland - und warnt vor dem Brexit.

Von Björn Finke, London

Der Blick aus den raumhohen Fenstern ist beeindruckend. Im Vordergrund der Glasturm mit der Zentrale des Rivalen HSBC. Weiter hinten Londons Innenstadt. Doch James Cowles zieht die Jalousien herunter: Die Sonne blendet. Der Amerikaner leitet die Geschäfte der US-Bank Citigroup in Europa, im Nahen Osten und Afrika, und sein Büro befindet sich in der britischen Hauptstadt, in einem Hochhaus im Finanzviertel Canary Wharf. Während der Konzern - die viertgrößte Bank der Vereinigten Staaten - in vielen Ländern Tochtergesellschaften verkauft, setzt Cowles in Deutschland auf Wachstum. Das werde auch die Zahl der dort Beschäftigten von bislang 412 erhöhen, schätzt er.

"Wir wollen mehr Geschäft in Deutschland machen. Und wenn wir das machen, könnten wir neue Mitarbeiter einstellen", sagt der 60-Jährige. Wobei die hohen Zahlen wie vor der Finanzkrise sicher nicht so bald wieder erreicht werden. Die deutsche Tochter Citibank hatte einst gut 4000 Angestellte und 3,3 Millionen Kunden. Doch 2009 gab der Konzern, den die Regierung in Washington vor der Pleite retten musste, das Geschäft mit Privatkunden in Deutschland an den französischen Rivalen Crédit Mutuel ab. Und der benannte den Zukauf in Targobank um.

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Die Citigroup betreibt ihr Privatkundengeschäft unter dem Namen Citibank - allerdings nicht mehr in Deutschland.

(Foto: Tomohiro Ohsumi/Bloomberg)

Citigroup ist daher in Deutschland nur noch Unternehmen, anderen Finanzkonzernen oder staatlichen Stellen zu Diensten - eine klassische Investmentbank. Das ist inzwischen im Großteil von James Cowles' 55 Länder umspannenden Reich der Fall: In Europa, Afrika und dem Nahen Osten steuert das Filialgeschäft mit Verbrauchern lediglich zehn Prozent des Umsatzes bei, den Rest erwirtschaftet Citigroup mit Großkunden.

Nur in vier Staaten betreibt der Konzern weiterhin Filialen für Verbraucher, in vielen Ländern hat er diese Sparten verkauft und konzentriert sich lieber aufs Großkundengeschäft. "Wir waren in diesen Staaten einfach nicht groß genug, um mit den heimischen Banken im Privatkundengeschäft wirklich mithalten zu können", sagt Cowles. Die abgegebenen Töchter seien profitabel gewesen, hätten jedoch nicht vernünftig wachsen können. Für Citigroup sei es besser, knappe Ressourcen in Bereiche umzulenken, wo "wir den Kunden im Vergleich zu den Rivalen einen Mehrwert bieten können", sagt der Amerikaner. Und das sei in seiner Region - die er seit 2013 leitet - eben das Geschäft mit Großkunden, etwa internationalen Firmen, die der Citigroup-Konzern dank seiner weltweiten Präsenz gut unterstützen könne.

In Europa streichen viele Banken gerade ihr Investmentbanking zusammen, Barclays aus London zum Beispiel oder auch die Deutsche Bank. "Entscheiden sich Wettbewerber für einen Rückzug aus Bereichen, in denen wir wachsen wollen, ist das sicherlich gut für uns", sagt der Ökonom. "Aber wir bauen unsere Strategie nicht darauf auf, was andere machen könnten."

Zahlreiche Banker an seinem Dienstsitz London treibt im Moment die Sorge um, dass das Vereinigte Königreich die EU verlassen könnte. Die konservative Regierung will die Bürger in spätestens zwei Jahren über Verbleib oder Austritt abstimmen lassen. Zwar prophezeien Umfragen eine Mehrheit für die EU, trotzdem sind die Manager beunruhigt. Die Deutsche Bank etwa richtete schon eine Arbeitsgruppe ein, die diskutiert, welche Abteilungen im Falle eines sogenannten Brexit von London in Euro-Staaten verlagert werden. Cowles sagt, er habe für einen Austritt noch keinen Plan B in der Schublade. "Wir haben aber öffentlich sehr klar gemacht, dass wir für einen Verbleib in der EU sind", sagt er. Viele Unternehmenskunden von Citigroup hätten ihre Europa-Zentrale in Großbritannien und wickelten von da ihre Geschäfte mit dem Festland ab. Für all diese Firmen sei die EU-Mitgliedschaft wichtig.

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Der 60-jährige US-Ökonom James Cowles ist seit 2013 für das Geschäft der Citigroup in Europa, Afrika und Nahost zuständig.

(Foto: Johannes Simon)

Sollten die Briten austreten, hätte das auch schwere Folgen für den Finanzplatz London, sagt er. "Banken werden wahrscheinlich nicht sofort Jobs verlagern, denn viele Mitarbeiter in London haben ja Familie und sind hier verwurzelt", erklärt der Manager. Doch über die Jahre würden Banken viele neue Stellen, die sie ansonsten in Großbritannien geschaffen hätten, lieber woanders aufbauen, befürchtet der Amerikaner.

Einer der wenigen Staaten, in denen Cowles weiterhin Filialen für Verbraucher betreibt, ist ausgerechnet Russland. Trotz der Sanktionen des Westens wegen der Krim-Krise sei das Geschäft dort immer noch profitabel, sagt der Manager. "Wenn Sie wie Citigroup weltweit in 101 Ländern aktiv sind, wird es immer manche Staaten geben, in denen die politische Lage instabil ist", sagt er.

Eine Herausforderung für alle Banken sind sogenannte Fintechs, also junge Firmen, die mit Anwendungen fürs Internet oder Smartphone den Geldinstituten Geschäft abjagen. Kunden können bei den Start-ups mit einem Klick etwa Geld ins Ausland überweisen oder Investmentfonds kaufen - und das billiger als bei einer Bank. Citigroup will von den Ideen der Angreifer profitieren. So steigt der konzerneigene Fonds Citi Ventures bei solchen Start-ups ein. Cowles glaubt, dass innovative Anwendungen den Markt ausdehnen: Machen sie zum Beispiel die Geldanlage einfacher und billiger, legen mehr Kunden Geld an. Wie viele Stücke vom größeren Kuchen auf die Herausforderer und wie viele auf Banken entfallen werden, hänge davon ab, wie "smart" die etablierten Konzerne reagieren, sagt er.

So oder so investierten Banken ständig in ihre Computersysteme, um effizienter zu werden, ergänzt der Manager. Dass der Branche deswegen ein großer Stellenabbau droht, glaubt er jedoch nicht - im Gegenteil: "Ich schätze, dass die Finanzbranche in fünf Jahren insgesamt mehr Menschen beschäftigt als heute."

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