Christian Ude:"Nirgends ist der Nachholbedarf so groß"

Christian Ude, 2015

Christian Ude setzt sich ehrenamtlich für die Gründung einer Messegesellschaft in Istanbul ein.

(Foto: Robert Haas)

Münchens ehemaliger Oberbürgermeister über die Gründung einer neuen Messe in Istanbul.

Interview von Peter Fahrenholz

Christian Ude (SPD) war mehr als 20 Jahre Oberbürgermeister von München und in dieser Funktion im Wechsel mit dem jeweiligen Wirtschaftsminister auch Aufsichtsratschef der Münchner Messe. Seit seinem Abschied aus der aktiven Politik im Frühjahr 2014 berät der 68-jährige Ude ehrenamtlich seinen langjährigen Freund Ali Kılıç, der Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Maltepe ist. Maltepe liegt im ärmeren asiatischen Teil und hat etwa 500 000 Einwohner. Eines der wichtigsten Projekte ist die Gründung einer eigenen Messegesellschaft im asiatischen Teil.

SZ: Wie konkret ist das Projekt einer weiteren Messe für Istanbul mittlerweile?

Christian Ude: Die Idee ist extrem konkret und präzise. Ich war zunächst skeptisch, ob ein Stadtteil von der Größe Nürnbergs so ein Projekt überhaupt schultern kann. Aber es hat sich dann sehr schnell herausgestellt, dass alle Stadtteile im asiatischen Teil mitmachen. Und dass auch darüberhinaus ein vitales Interesse des asiatischen Teils besteht, endlich auch Wirtschaftskraft zu bekommen und international nicht nur als Armenwohnhaus von Istanbul wahrgenommen zu werden.

Welche Messestrukturen gibt es in Istanbul denn schon?

Es gibt eine große und auch erfolgreiche Messe im europäischen Teil, die aber aus allen Nähten platzt. Diese Messe kommt dem sprunghaft wachsenden Bedarf jedoch nicht nach.

Und sie kann auch nicht einfach erweitert werden?

Nein, das ist ganz ähnlich wie in München mit dem ehemaligen Messegelände hinter der Bavaria. Der Platz ist begrenzt, an dieser Stelle ist ein weiterer Ausbau nicht möglich. Sicher ist die derzeitige Messe in Istanbul gut situiert, es ist im europäischen Teil die gesamte Finanzwirtschaft beheimatet und auch der Flughafen Atatürk und der geplante neue Airport ist gut erreichbar. Aber genügend Raum gibt es nur im asiatischen Teil, der bisher völlig abgehängt ist. Und mich haben mehrere große Vorteile spontan von der Idee begeistert, hier eine Messe zu schaffen.

Welche denn?

Erstens: Das notwendige Areal befindet sich bereits in öffentlicher Hand. Es gehört dem Militär. Zweitens: Es gibt schon eine Flughafen-Anbindung an den asiatischen Flughafen Sabiha Gökçen, der auch von München aus mehrmals am Tag im Direktflug zu erreichen ist. Selbst von Mykonos aus gibt es einen Direktflug.

Schön für Sie.

Ja, das weiß ich sehr zu schätzen. Zum Dritten gibt es bereits eine Autobahn direkt vor den Toren des geplanten Messegeländes. Und viertens gibt es auch schon den U-Bahn-Anschluss zum europäischen Zentrum der Stadt.

Sind denn die militärischen Flächen überhaupt so einfach zu bekommen?

Ja, das Militär ist zur Freigabe entschlossen. Zusammen mit dem nahen Flughafen, der Autobahn und dem U-Bahn-Anschluss lässt das die Sache so konkurrenzlos günstig erscheinen, dass die benachbarten Stadtteile eingesehen haben: Entweder wir kriegen dies durch oder gar nichts.

Wie wichtig wäre denn für die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei eine weitere große Messe?

Unverzichtbar. Nirgends ist der Nachholbedarf so groß. Die Türkei bräuchte ungefähr zehnmal so viel Messeflächen wie heute, um deutsches Niveau zu erreichen. Es gibt dazu eine Studie, die auch der ehemalige Münchner Messevorstand Eugen Egetenmeir für zutreffend hält, der sich im Auftrag der Messe München um das Projekt in Istanbul kümmert.

Das heißt, es ist ein weiterer Pensionär mit an Bord?

Ja, Egetenmeir ist seit Anfang des Jahres im Ruhestand. Aber er ist wohl der einzige Mann auf der Welt, der bereits zwei internationale Großmessen als Projektleiter geplant hat, nämlich die Messe München und die Messe in Shanghai, und weitere in Angriff nimmt. Jetzt ist er an der dritten und vierten dran, nämlich Istanbul und Indien. Einen erfahreneren Manager wird man kaum finden, noch ein Grund, warum ich das hier für ein sehr realistisches Projekt halte.

Arbeiten Sie beide als One-Dollar-Men?

Nein, ich arbeite nicht mal als One-Dollar-Man, sondern völlig ehrenamtlich, er macht das im Auftrag der Messe München, dafür gibt es die notwendigen Beschlüsse. Die Messe München ist auch bereit, Planungspartner zu werden und eventuell sogar den Betrieb durchzuführen.

Auf welche Probleme mit der Bürokratie sind Sie denn hier gestoßen, die Sie aus Deutschland nicht kennen?

Bürokratisch gibt es hier eher zu wenig als zu viel Regelwerk. Wie man eine richtige Bauleitplanung macht, gehörte deshalb zu unseren Ratschlägen. Wir haben dafür noch einen Rentner mobil gemacht, nämlich den ehemaligen Mitarbeiter im Münchner Planungsreferat, Theo Bauernschmidt. Der hat auch schon den Bebauungsplan für die Messe München und die Messestadt in Riem entworfen. Der ist von der Messe München nach Istanbul geschickt worden.

Klingt nach einem Bellheim-Projekt.

Ja, wir sind eine Rentner-Gang von drei Leuten, aber mit Erfahrung, die kaum jemand hat.

Und wie sieht es mit politischen Querschüssen aus? Ihr Freund Kılıç gehört der oppositionellen CHP an, und der türkische Präsident Erdoğan ist dafür bekannt, dass er mit politischen Gegnern eher rabiat umspringt.

Bis zur Neuwahl Anfang November ging nichts voran, da herrschten politischer Stillstand und Ungewissheit über mögliche Koalitionen nach der Wahl im Juni. Jetzt ist wieder alles wie vorher, die AKP regiert alleine. Das ist aber für das Projekt nicht nur negativ, denn die AKP gilt mit Recht als sehr wirtschaftsfreundlich. Und der Bürgermeister von Gesamtistanbul, Kadir Topbaş, ist ein sehr pragmatischer Mann. Der will sich in seiner letzten Amtszeit nur noch Verdienste um die Stadt erwerben und hat kein Interesse an parteipolitischen Spielchen. Hoffentlich will Erdoğan jetzt zeigen, dass er die Wirtschaftsprobleme des Landes meistern kann.

Wann könnte die neue Messe fertig sein?

Ich rechne damit, dass wir 2016 grünes Licht für die Grundstücksverhandlungen bekommen, da sehe ich keine großen Probleme, denn das Militär will das Gelände wie gesagt freigeben. 2017 könnte dann mit den Erdarbeiten begonnen werden. Wann alles fertig wird, da möchte ich mich nicht festlegen. Es gibt da einschlägige Erfahrungen mit einem deutschen Flughafen.

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