SZ-Wirtschaftsgipfel:Deutsche-Bank-Chef fordert "Kämpfermentalität"

SZ-Wirtschaftsgipfel: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing beim SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing beim SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Deutsche Bank befindet sich in einer desolaten Lage. Mittlerweile ist sie nicht mal mehr die wertvollste Bank im Land.
  • Chef Christian Sewing gibt sich dennoch optimistisch. Er will in diesem Jahr erstmals wieder einen Gewinn erzielen - mit "Kämpfermentalität" seiner Mitarbeiter.

Von Jan Schmidbauer, Berlin

Investmentbanker sollen was sein? Hallodris? Christian Sewing zuckt ein bisschen, als er die Frage hört. Das sei schon eine leichte Übertreibung, sagt er auf dem Podium des SZ-Wirtschaftsgipfels in Berlin. Nein, er korrigiert sich noch mal: eine vollständige Übertreibung. Investmentbanker, sagt Sewing, sind "enorm wichtig für die gesamte Wirtschaft".

Der 48-jährige Westfale ist es gewohnt, in der Verteidigungshaltung zu stecken. Spätestens seit er vor acht Monaten an die Spitze der Deutschen Bank gerückt ist. Er führt nun eine Institution, die mal so etwas wie der Inbegriff der deutschen Wirtschaft war - und heute so desolat dasteht wie wohl nie zuvor.

Nur noch 8 Euro und 42 Cent kosteten die Aktien von Deutschlands größtem Geldinstitut Ende Oktober - es war wieder mal ein neuer Negativrekord. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 waren die Papiere zeitweise mehr als 85 Euro wert. Auch Sewing hat den Absturz bislang nicht stoppen können. Inzwischen ist die Deutsche Bank nicht mal mehr die wertvollste Bank im Land. Ein Ding der Unmöglichkeit eigentlich. Aber seit kurzem Realität. Ein unscheinbarer Zahlungsdienstleister, der in einem schmucklosen Büroklotz in Aschheim bei München residiert, hat sie überholt: Wirecard.

Dass an dieser Entwicklung das Investmentbanking-Geschäft der Bank und die Fehler, die in diesem Bereich gemacht wurden, nicht ganz unschuldig sind, weiß Sewing natürlich. In mehr als 1000 offene Rechtsstreitigkeiten war die Bank zeitweise verwickelt. Seine Bank musste Milliarden-Strafzahlungen unter anderem in den USA leisten, weil Deutsch-Banker sich an windigen Hypotheken-Geschäften beteiligten. Man hat nicht nur Verfahren verloren, sondern auch Vertrauen. Aber Sewing sieht die Sache inzwischen optimistisch. Zumindest stellt er das so dar. Ein Großteil der Rechtsfälle sei inzwischen beseitigt, sagt er. "Sie sehen richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht."

Sewing ist Deutsch-Banker seit seiner Jugend. Nach dem Abitur (Note 2,4) ging er zunächst nicht studieren, sondern machte auf Rat der Eltern eine Lehre. Bankkaufmann. Was Solides. Nun steht er ganz an der Spitze seines Arbeitgebers - und muss ihn aus der wohl schwersten Krise seiner Geschichte führen. Und es sind nicht nur die verbliebenen Rechtsstreitigkeiten, die auf der Bank lasten. Sie kämpft auch mit einer veralteten IT-Infrastruktur.

Lieber nicht über die Commerzbank reden

Viele Mitarbeiter fragen sich außerdem: Wohin will die Deutsche Bank eigentlich? Gerüchte, um eine mögliche Fusion mit der Commerzbank wollen nicht abreißen. Es gibt solche Spekulationen seit gefühlten Ewigkeiten. Doch in diesem Sommer schien es, als sei an den Gerüchten tatsächlich etwas dran. Er wünsche sich eine starke Deutsche Bank, hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gesagt. Und auch Sewing selbst formulierte damals vieldeutig, als er auf einer Konferenz für mehr Zusammenschlüsse unter Europas Banken warb.

"Fühlen Sie den Druck der Politik, sich mit der Commerzbank zu vereinigen", wird Sewing nun in Berlin gefragt. "Ich spüre kein Drängen der Politik", sagt Sewing. Viel mehr will er zu all dem nicht sagen. Er will lieber über andere Themen sprechen. Etwa über die europäische Bankenunion, die er nach eigenen Worten befürwortet. Oder über den Kulturwandel, den er im Haus erreichen will. Er versuche "einen neuen Führungsstil zu verkörpern", sagt Sewing.

Was meint er damit? Bei seinem Amtsantritt machte Sewing vor allem mit einem Wort Schlagzeilen. In einem Brief an die Mitarbeiter verlangte er von ihnen "Jägermentalität". "Solide", schrieb Sewing, "darf nicht unser Anspruch sein." Sewing weiß, dass die Sache mit der Jägermentalität viele verwundert hat. Am Montag wirkt es so, als wolle er seine Aussage wieder einfangen. Jägermentalität sei in dem Sinne gemeint, dass "wir in der Intensität, wie wir unsere Kunden betreuen, nachlegen müssen", sagt er. Danach vermeidet er das Wort sogar ganz und ersetzt es mit einer weniger aggressiven Formulierung. Sewing spricht nun von "Kämpfermentalität".

Wohin die gewünschte Kämpfermentalität seiner Mitarbeiter führen soll, ist klar: Die Deutsche Bank soll wieder Gewinn erwirtschaften. "Wir sollten auf dem richtigen Weg sein", das 2018 zu erreichen, sagt Sewing. Und wenn seine Bank über lange Zeit solide wirtschafte, werde auch der Aktienkurs wieder steigen, sagt er. Dazu brauche es aber erstmal das Vertrauen, das seine Bank nachhaltig besser wirtschafte als früher. Um seinen Arbeitgeber zu altem Glanz zurückzuführen, wird jedenfalls noch einiges an Arbeit nötig sein. Am Montag notierte die Aktie der Deutschen Bank bei weniger als neun Euro.

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