Rechtssprechung:Die kleine Schwester der Bestechlichkeit

Rechtssprechung: Christian Lindner FDP steht in der Kritik.

Christian Lindner FDP steht in der Kritik.

(Foto: Felix Zahn/IMAGO/photothek)

Die Vorteilsannahme ist juristisch schwer zu fassen, die entsprechenden Paragrafen sind kompliziert.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Man mag Christian Lindners Grußwort bei der BBBank, die ihm einen großzügigen Kredit gewährt hat, für politisch ungeschickt halten oder auch für anrüchig. Strafrechtlich bleibt die Sache gleichwohl kompliziert. Dass Lindner - nach allem, was man weiß - mit einer Verurteilung wegen Vorteilsannahme zu rechnen hat, dürfte im Moment eher unwahrscheinlich sein.

Wobei man schon erwähnen muss, dass es für eine Vorteilsannahme -die kleine Schwester der Bestechlichkeit - nicht allzu viel braucht. 1997 ist der entsprechende Paragraf 331 Strafgesetzbuch verschärft worden, weil man der nicht ganz so plumpen Korruption durch elegant wirkende Gefälligkeiten Herr werden wollte. Die markanteste Änderung damals: Seither ist es nicht mehr erforderlich, dass ein Beamter oder eben ein Minister eine Zuwendung für eine bestimmte Diensthandlung erhielt - einen gefüllten Briefumschlag für eine Baugenehmigung zum Beispiel. Der Paragraf greift, wenn ein "Amtsträger" einen Vorteil "für die Dienstausübung" fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Damit ist auch die "Klimapflege" oder das "Anfüttern" strafbar, die darauf zielen, sich staatliche Entscheider generell gewogen zu halten.

Wie war das nun bei Christian Lindner? Dass sein Grußwort zur "Dienstausübung" gehört, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Sogar Lindners Anwalt Christian Schertz wird mit dem Satz zitiert, Grußworte zu Jubiläen gehörten "zur regulären Amtsführung eines Ministers".

Aber war das Darlehen für ihn überhaupt ein strafrechtlich relevanter "Vorteil"? Davon ist nach den Worten von Matthias Jahn, Professor für Strafrecht in Frankfurt, nur bei einem Kredit zu besonders günstigen Konditionen auszugehen. Über die exakten Bedingungen ist freilich wenig bekannt. "Alle Konditionen waren stets marktüblich", sagt Anwalt Schertz. Lindner hat für sein Zweifamilienhaus 1,65 Millionen Euro bezahlt und darauf eine Grundschuld über 2,35 Millionen sowie eine weitere über 450 000 Euro eintragen lassen. Dass die Belastung deutlich über dem Kaufpreis liegt, dürfte - für sich gesehen - noch nicht in strafbare Gefilde führen.

Doch auch wenn der Kredit außergewöhnlich komfortabel wäre: Entscheidend ist, ob - zumindest stillschweigend - ein Einverständnis zwischen Minister und Bank bestand, dass Grußwort und zweite Grundschuld im Zusammenhang stehen. Juristen sprechen hier von Unrechtsvereinbarung. "Es reicht aus, wenn eine beiden Seiten bewusste Verknüpfung zwischen Dienstausübung und Vorteil besteht", heißt es im Strafrechts-Kommentar von Thomas Fischer. Allerdings müsste es aus Sicht von Matthias Jahn eben schon einen greifbaren Anhaltspunkt dafür geben. Eine Notiz, einen Hinweis eines Insiders, was auch immer. "Ein günstiger Kredit allein reicht noch nicht für eine Unrechtsvereinbarung." Auch der Umstand, dass Lindner vor seiner Ministerzeit mehrfach offenbar gut bezahlte Vorträge bei der Bank gehalten hat, ändere daran nichts. "Das kann zwar in einem Strafprozess indizielle Bedeutung haben", sagt Jahn. "Doch daraus kann man keinen Anfangsverdacht konstruieren, den man für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens braucht."

Bleibt die Frage, ob die Berliner Generalstaatsanwaltschaft den Vorgang gegenüber der Presse kommentieren durfte - wohlgemerkt in einem Stadium, in dem sie überhaupt erst prüft, ob Ermittlungen eingeleitet werden. Laut Tagesspiegel, der zuerst über die Vorermittlungen berichtete, hat die Staatsanwaltschaft auf dessen Anfrage reagiert und ist nicht selbst proaktiv tätig geworden. Zu solchen Auskünften ist sie nach dem Landespressegesetz verpflichtet, wenn dadurch kein "schutzwürdiges privates Interesse" verletzt wird. Danach sieht es hier eher nicht aus. Am Umgang der Staatsanwälte mit einem Vorgang, der einen Bundesfinanzminister in die Nähe der Korruption bringen könnte, besteht fraglos ein legitimes öffentliches Interesse. Zudem hat der Sprecher des Generalstaatsanwalts laut Tagesspiegel ausdrücklich betont, eine Vorprüfung sei "in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird". Also gerade keine Vorverurteilung, sondern das Gegenteil davon.

Hinweis der Redaktion: Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat am 27. Januar 2023 mitgeteilt, sie habe den Prüfvorgang geschlossen, sie sehe im Zusammenhang mit dem fraglichen Immobilienkredit keinen Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens.

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