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Griechenland:"Wir sind nicht mehr und nicht länger die Ausnahme der Euro-Zone"

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Griechenlands Wirtschaft läuft wieder besser. Im Sommer will die EU die verschärfte Finanzkontrolle beenden. Finanzminister Christian Lindner sieht dennoch "große Herausforderungen".

Von Henrike Roßbach, Athen

Der bislang letzte deutsche Finanzminister, der nach Athen gereist war, hieß Wolfgang Schäuble (CDU). 2014 war das, und damals ging es noch ums Ganze: um milliardenschwere Hilfspakete für das schwer angeschlagene Land und um die Frage, wie Europa im Allgemeinen und Griechenland im Besonderen aus der Schuldenkrise herauskommen sollen. Inzwischen heißt der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP). Am Dienstagmorgen ist er, als erster seit Schäuble, in Athen gelandet. Das Timing passt: Am Donnerstag kommen die Finanzminister der Euro-Länder in Luxemburg zusammen, und ein Tagesordnungspunkt wird sein, dass die EU die verschärfte fiskalische Überwachung Griechenlands in diesem Sommer beenden will.

Damit werde ein "schwieriges Kapitel" geschlossen, sagte der griechische Finanzminister Christos Staikouras nach dem Treffen mit Lindner. Griechenland kehre "zur europäischen Normalität zurück" und zeige Stabilität und Resilienz. "Wir sind nicht mehr und nicht länger die Ausnahme der Euro-Zone." Auch Lindner sprach von einem "sehr positiven Signal der beginnenden Normalisierung der griechischen Staatsfinanzen" und einer "besonderen und wichtigen Woche" für Griechenland.

In der Finanzkrise hatte das deutsch-griechische Verhältnis gelitten, weil Deutschland im Gegenzug für Hilfskredite auf eine strenge Austeritätspolitik pochte. In dem Konferenzraum im Athener Finanzministerium, in dem Lindner sich am Dienstag mit Staikouras traf, konnte er von seinem Platz aus auf die Ahnengalerie seiner früheren Athener Amtskollegen blicken - darunter auch auf das Porträt von Yanis Varoufakis, dem umstrittenen Kurzzeit-Finanzminister des Jahres 2015, der besonders lautstark gegen die deutsche Position in der Finanzkrise gewettert hatte.

Seit damals hat sich die Lage auf politischer Ebene deutlich entspannt. Staikouras begrüßte Lindner am Dienstag mit "Lieber Christian" und nannte ihn einen "Partner, Mitstreiter und Freund". Auch Lindner gratulierte "Christos" freundlich zu den "starken Zahlen der wirtschaftlichen Entwicklung und der sehr guten Entwicklung des griechischen Staatshaushalts". Griechenland habe große Anstrengungen unternommen, um auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu kommen und ehrgeizige Reformvorhaben umzusetzen. "Das findet ausdrücklich unsere Würdigung."

In der Tat läuft es in Griechenland inzwischen besser. Vergangenes Jahr wuchs die griechische Wirtschaft um mehr als acht Prozent, dieses Jahr sollen es immerhin noch 3,5 Prozent werden. Staikouras betonte, im ersten Quartal sei Griechenland "erheblich über dem EU-Durchschnitt" gewachsen. Auch die Arbeitslosenquote sinke. Mehr als 13 Prozent dürften es aber dieses Jahr am Ende trotzdem noch sein. Und dann ist da noch die Staatsverschuldung, die im vergangenen Jahr 193 Prozent der Wirtschaftsleistung betrug. Staikouras betonte, die Verschuldung sei zuletzt gesunken. Lindner sieht trotzdem "unverändert große Herausforderungen". Es gebe noch "einiges zu tun", auch wenn der Gesamtschuldenstand zumindest kurzfristig keinen Anlass zur Sorge gebe.

In etwas anderen Dimensionen kämpft derweil auch Lindner mit den Staatsfinanzen - den deutschen. Denn eigentlich sollten vergangene Woche die Verhandlungen mit den anderen Ressorts der Bundesregierung zum Haushalt 2023 abgeschlossen sein. Das aber hat nicht geklappt. Zu hören ist aus dem Finanzministerium, dass die Wünsche einiger Ministerien die bisherigen Eckwerte für den kommenden Haushalt um mehr als 25 Milliarden Euro überstiegen. Hinzu kommt, dass auch der Klima- und Transformationsfonds überzeichnet ist, was die Wünsche angeht. Jetzt soll das Kabinett erst am 1. Juli entscheiden statt wie geplant am 22. Juni.

Lindner will mit seinem nächsten Haushalt 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. In den Eckpunkten vom März war das geglückt: Die Neuverschuldung soll dem Plan nach nur noch 7,5 Milliarden Euro betragen. Davon sind die Verhandler in Berlin derzeit aber offenbar noch ein paar Milliarden entfernt.

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