Christ: Vorwürfe gegen PR-Berater:Das Fax von der Tankstelle

Hat ein PR-Berater Pädophilie-Gerüchte über Harald Christ in Umlauf gebracht? Der Unternehmer, einst im Schattenkabinett der SPD, erhebt schwere Vorwürfe.

Nico Fried und Uwe Ritzer

Stets im edlen Zwirn, perfekt die Frisur und fein das Schuhwerk, verkörpert Norbert Essing, 49, auf den ersten Blick den seriösen Geschäftsmann. Die Kundenkartei des PR-Beraters liest sich entsprechend. Eine stattliche Riege deutschsprachiger Topmanager nutzte oder nutzt die Dienste des hochgewachsenen Manns aus Westerkappeln bei Osnabrück. Der Alcoa-Chef und Ex-Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld zum Beispiel, der Medienunternehmer Leo Kirch, Ex-Dresdner-Bank-Vorstand Stefan Jentzsch oder der langjährige Vorstandschef des Handelsriesen Metro, Hans-Joachim Körber. Auch für Tilo Berlin, den österreichischen Vermögensverwalter, der in die Affäre um die BayernLB und die Hypo Alpe Adria verstrickt ist, legt er sich bisweilen ins Zeug. Rein privat, wie Essing betont, Berlin sei nur ein guter Freund von ihm.

Harald Christ, Foto: AP

Unternehmer Harald Christ gehörte im Jahr 2009 zum Wahlkampf-Team der SPD. Er glaubt, der PR-Berater Norbert Essing habe böse Gerüchte über ihn gestreut.

(Foto: Foto: AP)

Anonymes Fax

So vornehm Essings erster Eindruck und so illuster seine Kundenschar, so schlecht ist in Teilen der Medienbranche sein Ruf. Essing verfügt, weil er Zugang zu vielen Top-Leuten hat, zwar oft über erstklassige, bisweilen exklusive Informationen. Er gilt in vielen Redaktionen aber auch als ein Mann für's Grobe. Als einer, der auch schon mal rücksichtslos vorgehe, wenn er seine Klienten vertrete.

Nun allerdings ist Essing womöglich viel zu weit gegangen. Zumindest, wenn sich die Vorwürfe des Unternehmers Harald Christ als wahr erweisen sollten, der im Bundestagswahlkampf 2009 zum Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gehörte*.

Wie Der Spiegel berichtet, erhielt Christs damaliger Arbeitgeber, die Weberbank, wenig später ein anonymes Fax. Abgesandt wurde das Schreiben am 26. Februar 2008 gegen 12.15 Uhr von der Autobahnraststätte Nievenheim West bei Düsseldorf. Exakt zu der Zeit, als das Fax abgeschickt wurde, zeichneten Überwachungskameras Essing auf, wie er sich an der Kasse nach einem Faxgerät erkundigt, anschließend ein Fax losschickt, zahlt und geht. Der Spiegel zeigt die entsprechenden Fotos aus den Überwachungsbändern.

"Unterstellungen und Halbwahrheiten"

Essing bestreitet jedoch, dass es einen Zusammenhang gibt. Dem Spiegel teilte er mit, er habe nie "aus einer Autobahnraststätte ein Telefax an die Weberbank gesendet". Und er habe "nie ein anonymes Schreiben über Herrn Harald Christ verbreitet." Essing soll sinngemäß den Verdacht geäußert haben, dass das Fax möglicherweise manipuliert sei. Eine Mitarbeiterin sagte, ihr Chef habe den Vorwürfen in einer eidesstattlichen Versicherung widersprochen.

Für Christ dagegen steht fest, dass Essing mit dem Fax seinen persönlichen, geschäftlichen und politischen Ruf zerstören wollte. Zumal es bei der ominösen Faxattacke auch nicht geblieben sein soll. Essing streute, so berichtet Der Spiegel, offenbar auch den Entwurf eines Dossiers, mit dem Christ, kaum in Steinmeiers Schattenkabinett berufen, etwa falsche Spesenabrechnungen für seinen Ex-Arbeitgeber, die Fondsgesellschaft HCI, vorgeworfen wurden. "Durch das ganze Dossier zogen sich Unterstellungen, Halbwahrheiten und Verleumdungen hoch drei", sagt einer, der es kennt.

Christ bekräftigte am Montag gegenüber der SZ die Spiegel-Geschichte "zu 100 Prozent." Gemeinsam mit seinem Anwalt, dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily, bereitet er eine Anzeige gegen Essing vor. Essing war, so die Auskunft seines Büros, am Montag in die USA unterwegs und daher für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Wer also hat recht? Wer lügt? Und wie wird der Streit um das ominöse Fax und die darin erhobenen Vorwürfe ausgehen?

Folie von Gerüchten

Christ jedenfalls hat lange damit gerungen, ehe er sich mit dieser heiklen Geschichte an die Öffentlichkeit wagte. Schon im Wahlkampf musste er sich gegen dubiosen Gerüchte wehren, die von unsauberen Geschäftspraktiken, Steuerhinterziehung bis zu seinem Privatleben reichten. Und die mit jedem Tag, den der Wahlkampf dauerte, mehr wurden.

Christ hatte sich einige Zeit vorher als homosexuell geoutet, was ebenfalls zur Folie von Gerüchten wurde, die ihn desavouieren sollten. Um im Wahlkampf keine Überraschungen zu erleben, war er vor der Aufnahme in Steinmeiers Team wiederholt gecheckt worden. Auch in einem fast zweistündigen Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung konnte Christ viele Anschuldigungen plausibel widerlegen. Damals deutete er bereits an, wen er hinter vielen Vorwürfen vermute: Norbert Essing.

Der ist mit seiner PR-Firma bislang gut im Geschäft; das Unternehmen wies 2007 einen Bilanzgewinn von 4,5 Millionen Euro aus. Essing will sich gegen die Vorwürfe juristisch wehren, heißt es aus seinem Umfeld. Die Welt der Justiz ist ihm nicht fremd: Unter seinen Klienten sind allerhand Manager, die Ärger mit dem Staatsanwalt hatten oder haben.

*Anmerkung der Redaktion: Im März 2011 hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Essing gem. 153a STPO nach Erfüllung von Auflagen endgültig eingestellt.

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