Der Adressat wird mit keinem Wort erwähnt. 37 Seiten ist der Entwurf der EU-Kommission lang, aber das Wort China taucht nirgends auf. Dabei gilt es vor allem den Firmenkäufern von dort, wenn in dem Papier von den "Bedenken mit Blick auf ausländische Direktinvestitionen" die Rede ist, die verschiedene Mitgliedstaaten geäußert hätten. Auch Deutschland, Frankreich und Italien werden nicht erwähnt: Das sind jene drei, die sich für eine Verschärfung der Regeln eingesetzt hatten. Und wie es aussieht, werden sie die auch bekommen.
Das jedenfalls legt der Entwurf der entsprechenden Verordnung nahe. Die EU-Kommission hat ihn schon angenommen, das Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Danach können die Mitgliedstaaten in Zukunft verschärfte Prüfungen vornehmen, wenn sie Sicherheit oder "öffentliche Ordnung" durch eine geplante Übernahme in Gefahr sehen. Konkret nennt die Kommission dabei kritische Infrastrukturen, etwa Strom- oder Telefonleitungen, Datenspeicherung oder Finanzdienstleistungen, aber darüber hinaus auch "kritische Technologien", darunter künstliche Intelligenz, Halbleiter, Robotik. Letzteres wiederum führt zu einem der Ausgangspunkte der neuen Regulierung: Der Übernahme des deutschen Robotik-Spezialisten Kuka durch den chinesischen Hausgeräte-Hersteller Midea.
Erst die Verordnung aus Brüssel macht den Weg frei für schärfere Auflagen
Der hatte im Frühjahr 2016 die Übernahme von Kuka angestrengt. Obwohl das Augsburger Unternehmen auch das Militär beliefert, sahen deutsche Behörden keine Möglichkeit, den Kauf zu unterbinden. Versuche, zumindest eine Aktienmehrheit in Europa zu behalten, scheiterten. "Diese Übernahme hätten wir eingehender prüfen können, wenn es die EU-Verordnung schon gegeben hätte", sagt Matthias Machnig, zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "Diese Prüfung hätte auch zu einem anderen Ergebnis führen können." Aufsehen verursachte auch der Fall des Aachener Maschinenbauers Aixtron, den ebenfalls chinesische Investoren kaufen wollten. Seine Übernahme scheiterte schließlich Ende vorigen Jahres, weil die USA die Übernahme der dortigen Tochter von Aixtron untersagten. Es gebe "Risiken für die nationale Sicherheit", hatte Washington festgestellt.
Die Pläne der EU-Kommission geben nun auch den nationalen Behörden Europas jede Menge Eingriffsmöglichkeiten. So können sie überprüfen, ob hinter einem Investor etwa ein Staatsfonds steht, oder ob zinsgünstige Kredite staatlicher Institutionen eine Übernahme erst möglich machen. Ganz neue Möglichkeiten eröffne das, lobt Machnig. "Wenn etwa ein strategischer Investor ein Energienetz in Deutschland kaufen will, ließe sich das jetzt unter bestimmten Bedingungen untersagen." Bisher sei das nicht möglich gewesen.
Erst im Sommer hatte das Bundeskabinett neue Regeln für Firmenübernahmen erlassen, die dem Bund zusätzliche Rechte bei sensiblen Verkäufen einräumen sollten. Allerdings liegt die Kompetenz in Handelsfragen bei der EU. So macht erst die Verordnung aus Brüssel den Weg frei für die schärferen Auflagen. Zugleich sichert sich die Kommission damit ein Mitspracherecht: Sie kann auch selbst Einwände erheben, wenn eine Übernahme die Sicherheitsinteressen einzelner Mitgliedstaaten berühren könnte. Das gleiche Recht haben Drittstaaten, die von einem solchen Verkauf indirekt betroffen wären. Jener Staat, der über die geplante Übernahme zu entscheiden hat, soll diese Einwände "gebührend" berücksichtigen. Weiter geht die Verordnung nicht: Mehrere Mitgliedstaaten hatten sich gegen größere Kompetenzen Brüssels gewehrt. Viele sehen chinesische Firmen als willkommene Investoren und wollen sie nicht abschrecken. Auch wird kein Mitgliedstaat verpflichtet, Übernahmen kritisch zu überprüfen.
Die EU dagegen will sich mit derlei Verordnungen auch selbstbewusst zeigen. Nicht von ungefähr soll das neue Regelwerk auch diesen Mittwoch zur Sprache kommen . Dann hält EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel seine Rede zur Lage der Union. Sie soll Stärke beweisen.