Süddeutsche Zeitung

Chinesische Investoren:Bei Kuka geht die Angst um

  • Die Übernahme der Robotik-Firma Kuka sollte zum Vorzeigeprojekt werden und zeigen, dass deutsches Knowhow sehr wohl mit chinesischem Geld zusammenpasst.
  • Knapp zwei Jahre später muss Kuka-Chef Till Reuter gehen - und die Stimmung im Unternehmen ist alles andere als unbesorgt.
  • Zwar hält sich der chinesische Konzern an die Investorenvereinbarung, doch Aufsichtsratschef Andy Gu provoziert mit mehrdeutigen Aussagen.

Von Marc Beise und Christoph Giesen

Ein sich drehender Roboterarm aus Stahl, ein künstlicher Bizeps, der mühelos mehrere Tonnen Gewicht bewegen kann. Und was sagt der Schöpfer, Till Reuter? "Fassen Sie mal an, Frau Kanzlerin!" Angela Merkel zögert, dann greift sie nach dem wirbelnden Arm, und tatsächlich: Der Roboter hält sofort inne. "Impressive", lobt der Ehrengast neben Merkel. Es ist der damalige US-Präsident Barack Obama, er ist zur Hannover-Messe gekommen, der wichtigsten Leistungsschau der Industrie. Das Foto der drei geht um die Welt: Obama, Merkel und der Roboterarm, auf dem genau vier Buchstaben stehen: Kuka. 2016 war das. Die Augsburger Firma kennt man seitdem in Deutschland.

Und heute? Abgesagt. Kuka spart sich einen Stand bei der kommenden Messe. Die zwei, drei Millionen Euro will das Unternehmen nicht ausgeben. Der neue Eigentümer aus China macht sich Sorgen wegen schlechter Zahlen. "Wir haben uns für ein neues Konzept 'In-house-Messe' entschieden," teilt das Unternehmen mit. Heißt: Wer die Kuka-Roboter sehen will, soll bitte künftig nach Augsburg reisen.

Dabei liegen die Probleme von Kuka gar nicht zu Hause, sondern im Land der Eigentümer: Der Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China hat zum Investitionsrückgang geführt. Unternehmen in China haben die Anschaffung von Industrierobotern plötzlich aufgeschoben. Trotzdem begann das Stühlerücken in Deutschland, und ausgerechnet der Mann, der Merkel damals aufforderte, den Roboter anzufassen, ist nicht mehr dabei. Vor drei Wochen musste Till Reuter das Unternehmen verlassen - nicht ganz freiwillig.

Reuter war es, der aus dem einstigen Sanierungsfall Kuka eine Vorzeigefirma für Robotik formte. Von 900 Millionen stieg der Umsatz auf mehr als drei Milliarden Euro. Wenige Wochen nach der Hannover-Messe war er es, der den Aktionären empfahl, das Übernahmeangebot des chinesischen Hausgerätekonzerns Midea anzunehmen. 4,6 Milliarden Euro zahlten die Chinesen. Der Fall Kuka wurde zum Symbol für die neue chinesische Kaufwut in Deutschland. Damals versicherte Midea: Kuka bleibt Kuka. Um Zweifeln vorzubeugen, wurde eine Investorenvereinbarung ausgehandelt, die Standorte und Beschäftigung sichert. Laufzeit bis 2023. Doch nicht nur das: In der Vereinbarung zwischen Midea und Kuka ist festgelegt, dass der Vorstand in Augsburg eigenständig agiert. Dass die Patente in Deutschland verbleiben. Und: dass Midea keinen Zugriff auf die Kundendaten hat.

Vor allem in der Autoindustrie war zuvor die Sorge groß gewesen, Informationen könnten abfließen. Kuka erhält nämlich bereits Monate vor Produktionsbeginn Baupläne und Details für neue Modelle, damit passgenaue Roboter programmiert werden können. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machte sich daher auf die Suche nach dem, was in Unternehmenskreisen ein "Weißer Ritter" heißt: ein guter Investor, der den bösen verhindert. Der Siemens-Konzern hätte ein solcher Retter in der Not sein können, aber den Münchnern war der Preis mit 115 Euro je Aktie zu hoch. 85 Euro, das wäre vielleicht okay gewesen. Bei Volkswagen überlegte Vorstandschef Matthias Müller deutlich ernsthafter, bei Kuka einzusteigen, doch die Wolfsburger waren mit ihrem Dieselskandal ausgelastet. Am Ende fand Gabriel niemanden, und die Chinesen kamen zum Zug. Macht nichts, dachten dann viele Beobachter, die Investorenvereinbarung wird ein Durchregieren der neuen Eigentümer verhindern.

Die ersten Führungskräfte haben bereits das Unternehmen verlassen

Überhaupt, so die Innensicht in der Kuka-Führung, könnte ihr Unternehmen ein Beispiel dafür sein, dass die Dinge eben doch zusammenpassen: deutsches Knowhow und chinesisches Geld, Marktwirtschaft hier und ein autoritäres politisches System dort. Nun wachsen in der deutschen Wirtschaft und Politik wieder die Zweifel: Gerät das Beispiel Kuka zum Menetekel? Die ersten Führungskräfte haben sich bereits entschieden und das Unternehmen verlassen. Die Angst vor einem "Brain Drain" geht um. Am Ende wird es darauf ankommen, wie belastbar die Investorenvereinbarung ist. Der Vorstand entscheide unabhängig, heißt es dort. Tauscht Midea aber über den Aufsichtsrat den Vorstand aus und beruft willfährige Manager, verliert das Abkommen an Wert.

Noch ist es nicht so weit. Nach dem Abgang des Vorstandsvorsitzenden Reuter ist sein langjähriger Finanzchef Peter Mohnen zum Interims-CEO ernannt worden. Er steht erklärtermaßen hinter der Abmachung. Und dann ist da noch Chefjustiziar Siegfried Schwung, ein Mann mit Prinzipien. Er hat die Vereinbarung maßgeblich mitgestaltet. In Augsburg nennen sie ihn inzwischen den "Hüter des Grals".

Wie lange sich die beiden Männer im Unternehmen halten werden, das ist der Lackmustest. Die erste Verfärbung zeigte sich, als sich Midea-Statthalter und Aufsichtsratschef Andy Gu bemerkenswert offen äußerte: "Peter Mohnen muss nun beweisen, dass er Kuka führen kann. Er muss die entsprechenden Ergebnisse liefern und uns überzeugen, dass er für die Aufgabe geeignet ist", sagte er dem Tagesspiegel. Eine Kampfansage an den neuen Chef, der gerade mal zwei Tage im Amt war. Ähnlich verstörend wirkten in Augsburg Gus Aussagen zur deutschen Unternehmenskultur. "Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei Kuka und ich habe festgestellt, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen und der chinesischen Herangehensweise gibt", sagte er. "Wenn es eine neue Sache gibt, sehen die Deutschen erst mal die Herausforderung - die Chinesen dagegen die Möglichkeit." Das genau könnte das Problem sein: Mideas Möglichkeiten erzeugen in Augsburg Ängste.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018/lüü/vit
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