Süddeutsche Zeitung

Chinas Staats-TV gegen VW:Rache zur besten Sendezeit

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Chinas Staatsfernsehen attackiert ausländische Firmen. Offiziell geht es darum, die Konsumenten zu schützen. Aber eigentlich geht es um Macht. Jüngstes Opfer ist Volkswagen.

Von Thomas Fromm, München, und Marcel Grzanna, Shanghai

Es geht schon seit einiger Zeit so. Je schlechter die Dinge in Europa laufen, desto lieber sprechen die Manager von China. Von Milliarden Kunden. Von grenzenlosem Wachstum.

Eigentlich tun sich auch die Manager schwer damit, dieses rätselhafte China zu verstehen. Aber solange der Absatz brummt, ist es im Grunde egal, wie die Dinge funktionieren. In der vergangenen Woche war es VW-Chef Martin Winterkorn, der in Wolfsburg seine Jahresbilanz vorlegte. Rekordzahlen, schwieriges Geschäft in Europa, aber zum Glück gibt es ja: China. Sieben seiner derzeit zehn weltweit geplanten Werke will VW hier bauen. Ein Drittel seines Absatzes macht der Konzern im Reich der Mitte. Im Grunde sei China längst eine Art "zweiter Heimatmarkt", sagt Audi-Chef Rupert Stadler.

Heimat, darum geht es hier. Denn immer mehr ausländische Konzerne machen derzeit die Erfahrung, dass das Leben in der neuen Heimat gar nicht so einfach ist.

Zum Beispiel VW. Am Freitagabend saßen die China-Manager des Autokonzerns vor dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV und trauten ihren Augen nicht: Ein Bericht stellte den Hersteller wegen des Verkaufs angeblich minderwertiger Getriebeboxen an chinesische Kunden öffentlichkeitswirksam an den Pranger. Es ist eine Sendung, in die man nicht will. Denn es ist inzwischen ein beliebtes Ritual: In der Unterhaltungssendung "3.15", die so heißt, weil sie am 15. März, dem Weltkonsumententag, ausgestrahlt wird, werden zur besten Sendezeit ausländische Großkonzerne publikumswirksam abgestraft.

Einige sagen auch: eiskalt abserviert.

Die Macht der Einschaltquoten-Könige im chinesischen Fernsehen ist groß. Und bleibt in der Regel nicht ohne Wirkung. Nun muss man wissen, dass CCTV kein unabhängiger Fernsehsender ist, sondern eine Art staatlich gelenktes Propagandawerkzeug. Chinas Regierung nutzt ihre Medien, um scharf zu schießen. Es geht um die Meinungshoheit in politischen Fragen, und es geht um die Macht in der Wirtschaft. Bei VW wähnte man sich offenbar in Sicherheit.

Jahrzehntelang hatte man sich als verlässlicher Partner Pekings erwiesen. Milliarden Euro investiert, Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen und bessere Gehälter bezahlt als die chinesische Konkurrenz. Und dabei nach lokalen Spielregeln gespielt. Diese sehen vor, in Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Herstellern zu produzieren. Mit allen Chancen. Und mit allen Risiken. Denn hinter vorgehaltener Hand klagen deutsche Automanager seit Jahren: Technologieklau ist in China nach wie vor salonfähig. Wer sich nicht in die Karten schauen lassen wolle, müsse einen Bogen um China machen - das aber wiederum kann sich niemand leisten.

Investitionen hin, Arbeitsplätze her - VW dürfte den Chinesen mit einem Marktanteil von 14 Prozent inzwischen zu stark geworden sein. Denn was VW verkauft, können chinesische Firmen erst einmal nicht verkaufen. Möglich, dass auch deshalb erst kurz zuvor die mächtige Behörde für Produktqualität (AQSIQ) die Deutschen aufgefordert hatte, Fahrzeuge mit Direktschaltgetriebe zurückzurufen.

Es ist ein Spiel, von dem Peking weiß, dass die Chinesen es nur gewinnen können. Kaum ein DAX-Konzern, der seine langfristigen Wachstumskonzepte nicht an die Konsumfreude von 1,3 Milliarden Chinesen knüpft. Nicht nur deutsche Firmen setzen auf die Menschenmassen im Fernen Osten, auch internationale Großkonzerne wie Apple, McDonald's oder Carrefour setzen auf China.

Sie alle haben etwas mit Volkswagen gemeinsam: eine Klatsche zur besten Sendezeit. Beim Pekinger Haussender CCTV.

Schon im März 2012 musste der Konzern Probleme mit dem Doppelkupplungsgetriebe DSG einräumen. Volkswagen hatte mehreren Hunderttausend betroffenen Kunden das Angebot gemacht, das Problem kostenfrei zu beheben. In Taiwan aber lancierte VW eine Rückrufaktion - was die Chinesen empörte, weil sie Taiwan als abtrünnige Provinz ansehen. Rückrufaktion für Taiwanesen, freiwilliger Service für Chinesen - das wollte Peking nicht auf sich sitzen lassen. Und machte offenbar deutlich, wer der Herr im Hause ist.

Auch Apple musste sich von CCTV schon einiges anhören. Und der Aktienkurs der Fast-Food-Kette McDonald's verlor nach einem "3.15"-Report kräftig an Wert. Der Imageschaden war groß, nachdem in einer Filiale tiefgefrorenes Hackfleisch über das Verfallsdatum hinaus verwendet und Hygienestandards angeblich missachtet wurden. Im Vergleich zu kriminellen Machenschaften, bei denen verseuchtes Fleisch oder Milchpulver in Umlauf gebracht wurden, sind das beinahe harmlose Vergehen.

McDonald's fürchtete offenbar, auch in diesem Jahr Ziel des CCTV-Angriffs zu werden, und startete schon mal vorsichtshalber eine groß angelegte PR-Offensive. An diesem Montag verteilt die Restaurantkette kostenlos eine Million Frühstücksbagels - landesweit. Zufall oder nicht, am Pranger standen die Amerikaner in diesem Jahr jedenfalls nicht. Es gibt noch Wunder. Zumindest in China.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2013
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