Süddeutsche Zeitung

Chinas staatliches Finanzmonopol:"Unsere Banken verdienen zu leicht Geld"

Chinas Premierminister Wen Jiabao will das staatliche Bankenmonopol zerschlagen. Es soll mehr Kapital fließen. Die Wirtschaft des Landes muss sich dringend wandeln - doch in Peking tobt ein Machtkampf zwischen Reformern und Bewahrern.

Christoph Giesen

Das Qingming-Fest ist der traditionelle Totengedenktag in China. Überall im Land haben Chinesen am Mittwoch Blumen und Speisen auf die Gräber gelegt. Sie verbrannten Papiergeld und Pappautos, sogar iPhones aus Papier zündeten sie an, um die Ahnen im Jenseits zu versorgen. Am Vorabend des Festes bedachte Chinas Premierminister Wen Jiabao überraschend auch die Chinesen im Diesseits: Auf einer Wirtschaftskonferenz forderte er die Zerschlagung des staatlichen Bankenmonopols. "Unsere Banken verdienen zu leicht Geld", sagte er. "Warum? Weil eine kleine Zahl großer Banken Monopolstatus haben." Um privates Kapital in die Finanzwirtschaft fließen zu lassen, "müssen wir das Monopol brechen".

Chinas Bankenmarkt wird von den sogenannten Großen Vier dominiert. Das größte Institut des Landes ist die Industrial & Commercial Bank of China (ICBC); im vergangenen Jahr machte das Institut einen Gewinn von mehr als 32 Milliarden Euro. Auch die drei anderen großen Geldhäuser - die Bank of China, die China Construction Bank und die Agriculture Bank of China - verdienten ordentlich. Welche Firma in China einen Kredit bekommt, bestimmen de facto diese Viererbande. In der Regel versorgen die Institute die großen Staatsunternehmen. Kleine private Firmen gehen meist leer aus und sind gezwungen, sich bei illegalen Pfandleihern Geld zu besorgen. Regelmäßig kommt es in der Volksrepublik zu Selbstmorden von Privatunternehmern, weil sie die horrenden Zinsforderungen nicht mehr bedienen können.

Vor kurzem hat die Regierung in der ostchinesischen Stadt Wenzhou die Regeln gelockert. Ein Pilotprojekt erlaubt es Wenzhous Bürgern, selbst Banken zu gründen und ihr Geld im Ausland anzulegen. "Ich denke, die Elemente, die in Wenzhou erfolgreich sind, können sofort landesweit eingeführt werden", sagte Premier Wen. Offen ließ er allerdings noch, ab wann die Regierung mit den Reformen beginnen möchte und ob die Parteiführung seine Pläne unterstützt. Wen gehört zu den Reformern in Chinas Führung. Seine Amtszeit läuft demnächst ab. Parteiintern tobt ein Machtkampf zwischen dem liberalen Flügel und den konservativen Linken, die Reformen verhindern möchten.

Experten sind sich einig, dass Chinas Wirtschaft dringend umgebaut werden muss: "Der grundsätzliche Bedarf an drastischen Finanzreformen ist klar", sagt William Overholt von der Harvard-Universität. In China hingen derzeit mehr denn je künftige Jobs und Wachstum von kleinen Firmen ab. Auch die Weltbank kommt zu diesem Ergebnis. Gemeinsam mit einem Thinktank des chinesischen Staatsrats hatten die Washingtoner Ökonomen Ende Februar eine fast 450 Seiten lange Analyse über die chinesische Wirtschaft vorgestellt. Noch, sagte Weltbank-Chef Robert Zoellick, als er den Bericht in Peking vorstellte, sei es nicht zu spät für Reformen, aber es werde keine leichte Aufgabe, die Wirtschaft umzubauen. "Der Teufel steckt in der Umsetzung", sagte Zoellick und warnte vor den Reformverweigerern in der Kommunistischen Partei.

Als eine Hauptaufgabe der kommenden Jahre machten die Weltbank-Ökonomen das Aufbrechen der staatlichen Monopole aus. Die großen Banken würden durch ihre Kreditpolitik den kleinen Unternehmern das Innovationspotential nehmen. Und gerade das benötigt China, damit der Umschwung vom Billiglohnland hin zu einer kreativen Ökonomie gelingt. Die ersten Signale verspürt China bereits: Unternehmen mit arbeitsintensiver Produktion verlagern ihre Fabriken. Turnschuhe und T-Shirts werden nun nicht mehr Guangdong im Süden Chinas, sondern in Bangladesch oder Vietnam geklebt und genäht.

In den vergangenen beiden Fünf-Jahres-Plänen hatte sich die Partei bereits ein Reformprogramm verordnet. Aus "Made in China" sollte "Designed in China" werden, haben sich die Genossen vorgenommen. Systematisch damit begonnen hat man in Peking aber noch nicht. Zu wichtig waren bislang Stabilität und Wachstum für die Parteiführung.

Seit einigen Wochen scheint man aber die Notwendigkeit von Reformen erkannt zu haben, das zeigen Wens Pläne. Das Pilotprojekt in Wenzhou und auch die jüngsten Äußerungen von Chinas obersten Zentralbanker Zhou Xiaochuan sind ein Beleg für das Umdenken. Am gleichen Tag, als Wen Jiabao die Zerschlagung des Bankenmonopols forderte, kündigte Zhou auf einem asiatischen Wirtschaftsforum in Boao auf der südchinesischen Insel Hainan an, dass ausländische Banken und Unternehmen künftig statt bisher 30 Milliarden Dollar bis zu 80 Milliarden Dollar in der Volksrepublik investieren dürfen.

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SZ vom 05.04.2012/ueb
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