Wirtschaftsbeziehungen:Mit China in der Zwickmühle

Frühsport in Shanghai

Tai Chi als Frühsport während des Sonnenaufganges vor der Skyline Shanghais.

(Foto: dpa)
  • Der chinesische Sicherheitsapparat hat unter Staatschef Xi Jinping enorm an Einfluss gewonnen. Die Führung in Peking agiert immer autokratischer.
  • Gleichzeitig hat auch die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China zugenommen.

Von Marc Beise und Christoph Giesen, Peking

Zwei Seelen wohnen, ach, in der Brust vieler Konzernlenker, wenn sie in diesen Tagen an China denken. Die deutsche Wirtschaft, zumal die weltweit agierenden Unternehmen, sind eng mit der bald stärksten Volkswirtschaft der Welt verbandelt. Exponiert ist vor allem die Automobilindustrie: Volkswagen, Daimler und BMW verkaufen in China etwa ein Drittel ihrer Fahrzeuge. Lange Zeit konnte man sich als Manager auf das Geschäft konzentrieren, das Land wurde zwar kommunistisch regiert, war in Wirtschaftsfragen jedoch äußerst pragmatisch. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Die Führung in Peking agiert immer autokratischer, die Überwachung der Bevölkerung wird immer lückenloser. Der Sicherheitsapparat hat unter Staats- und Parteichef Xi Jinping enorm an Einfluss gewonnen.

Wie stark, das zeigt die "China-Cables"-Berichterstattung von SZ, NDR und WDR über systematische Menschenrechtsverletzungen im Nordwesten der Volksrepublik. In der Region Xinjiang werden mehr als eine Million Uiguren gegen ihren Willen in Umerziehungslagern festgehalten. Das hinterlässt auch Eindruck in der deutschen Wirtschaft. "Das sind bedrückende Berichte", sagt der Vorstandsvorsitzende des weltweit größten Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, der SZ. "Das darf einen nicht kaltlassen, und das lässt mich nicht kalt."

BASF hat viel Geschäft in China, aber auch zwei kleinere Fabriken mit 120 Mitarbeitern in Xinjiang. "Wir haben sehr hohe ethische Maßstäbe bei BASF, unser Kodex gilt gleichlautend an all unseren Standorten in Deutschland und überall in der Welt. Wir werden die jüngsten Veröffentlichungen zum Anlass nehmen zu prüfen, ob wir uns etwas vorzuwerfen haben, und werden daraus falls erforderlich Maßnahmen ableiten", verspricht Brudermüller.

Besonders in der Kritik steht derzeit Volkswagen. Seit 2013 betreibt der Konzern in Urumqi, der Hauptstadt Xinjiangs, ein Werk, in dem einige Zehntausend Autos zusammengeschraubt werden, die zuvor in einer Fabrik an der Ostküste gefertigt und dann als Einzelteile verpackt in die Region transportiert worden sind. Profitabel ist das wohl nicht. Der Konzern bemühe sich, "einen Beitrag zur Entwicklung der Region und zum Zusammenleben der dortigen Volksgruppen zu leisten", teilt Volkswagen ausweichend mit.

Bisher hieß es aus der deutschen Wirtschaft meist, für die große Politik sei man nicht zuständig. Beim Industriedachverband BDI klingt das so: "Wenn es um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsverstöße außerhalb des direkten Wirkungskreises der Unternehmen geht, stoßen Vertreter der Wirtschaft schnell an die Grenzen des Machbaren. Hier ist die Politik gefragt." BASF-Chef Brudermüller dagegen will sich nicht wegducken: "Wir müssen als Wirtschaftsvertreter mit der chinesischen Führung über diese Dinge reden. Sie können davon ausgehen, dass das passiert. Es hilft aber nicht, sondern schadet, wenn man dies konfrontativ in der Öffentlichkeit macht." Brudermüller selbst war für viele Jahre von Hongkong aus für das China-Geschäft von BASF verantwortlich und hat das Deutsch-Chinesische Dialogforum geleitet. "Da wird hinter verschlossenen Türen sehr respektvoll und offen diskutiert mit durchaus kontroversen Sichtweisen." Er sagt aber auch: "Wir müssen realistisch sein. China ist tief in die Weltwirtschaft integriert. Ohne China werden wir die Herausforderungen der Zukunft etwa in der Klimapolitik nicht meistern. Von den Wirtschaftsbeziehungen hängen Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland ab."

Beispiel Autos: Nirgendwo auf der Welt fahren mehr Elektrowagen als in China. Beim autonomen Fahren versucht die Führung in Peking, mit aller Macht die Standards zu setzen. Wer jetzt in China aussteigt, hat auf lange Sicht ein großes Problem. "Für die deutsche Wirtschaft gilt: Wir wollen, wir können und wir müssen in China aktiv sein. Vor allem was die Zukunftsaussichten angeht. China ist der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft", sagt auch Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Mercator Institute for China Studies in Berlin und einer der besten Kenner der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Wichtig sei, dass man Transparenz schaffe.

So hat die Bundesregierung 2016 den (Vorsicht, komplizierter Titel) Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beschlossen, kurz NAP. Die Unternehmen sind angehalten, bislang noch freiwillig, alles offenzulegen. Wo sind sie aktiv? Mit wem kooperieren sie? Wie sehen die Lieferketten aus? Ist das alles sauber? "Im Falle von Volkswagen scheint es zumindest zweifelhaft zu sein, dass der Konzern sich umfänglich an entsprechende Prüfungs-, Transparenz- und Berichtspflichten gehalten hat", moniert Huotari.

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