Die Zeitspanne von 27 Jahren ist ungefähr das, was traditionell als eine Generation bezeichnet wird. Folgt man dem, ist Chinas Wirtschaft im zweiten Quartal so schwach gewachsen wie seit einer Generation nicht. "Die chinesische Sonderkonjunktur geht langsam aber sicher zu Ende", urteilt Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Das wird sich auf die deutsche Wirtschaft auswirken, die inzwischen stark von dem asiatischen Land abhängt.
Hatte Chinas Volkswirtschaft im ersten Quartal noch um 6,4 Prozent zugelegt, waren es von April bis Juni nur noch 6,2 Prozent. Zahlreiche Beobachter machen dafür den Konflikt mit US-Präsident Donald Trump verantwortlich, der die asiatische Wirtschaftsmacht mit Strafzöllen in historisch einmaliger Höhe attackiert. "Der Handelskrieg mit den USA war der maßgebliche Bremsfaktor", sagt der Ökonom Edoardo Campanella von der Großbank Unicredit. IfW-Präsident Felbermayr rechnet vor, Trumps Strafzölle kosteten die asiatische Volkswirtschaft kurzfristig etwa 30 Milliarden Euro an Bruttoinlandsprodukt. Das wären jedes Jahr 0,3 Prozentpunkte weniger Wachstum.
An den Finanzmärkten lösten die neuen Daten keine negativen Reaktionen aus. Hier dominiert die Hoffnung auf Besserung. So legten sowohl der Einzelhandel als auch die Industrieproduktion im Juni überraschend stark zu. Analysten schreiben das auch wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu, etwa niedrigeren Zinsen und lockeren Krediten. Dass diese Maßnahmen wirken, nährt die Hoffnung, die Regierung in Peking werde die Konjunktur noch mehr stimulieren. Zuletzt wurden Pläne präsentiert, Unternehmen Geschäfte und Investitionen zu erleichtern. Solche Maßnahmen könnten gleichzeitig im Handelskonflikt mit den USA helfen. Nach versöhnlichen Signalen zwischen Washington und Peking auf dem jüngsten G20-Gipfel soll in Kürze eine US-Delegation nach China reisen, um weiterzuverhandeln.
"Der Handelskrieg führt dazu, dass das Wachstum in China schneller zurückgeht als ohne", sagt Handelsexperte Felbermayr. "Klar ist aber, die Dynamik geht auch ohne die US-Zölle tendenziell zurück". Das liege zum einen an der Demografie - die 1,4-Milliarden-Bevölkerung altert und ist nach manchen Studien vergangenes Jahr zum ersten Mal seit 70 Jahren geschrumpft. "Die Dynamik geht aber auch wegen des langsamen Endes einer Wachstumspolitik zurück, die vor allem von technologischer Imitation und riesigen Investitionen getrieben war. Die hohen Schulden lasten auf der Wirtschaft und reduzieren den Spielraum der Regierung, mit neuen Schulden die Konjunktur anzuschieben."
Zwischen 2008 und 2011 wuchs die Volkswirtschaft noch jedes Jahr um knapp zehn Prozent, manchmal stärker. Im Gesamtjahr 2019 rechnet Felbermayrs Institut nur noch mit 6,2 Prozent, 2020 mit 5,8 Prozent. Und manche Ökonomen halten die offiziellen Zahlen um bis zu zwei Prozentpunkte übertrieben.
Die Effekte der chinesischen Abschwächung sind gewaltig. Fast ein Fünftel der Weltnachfrage entsteht derzeit in China. Jedes Prozent weniger Wachstum drückt die Weltwirtschaft deutlich.
Besonders davon betroffen ist die Bundesrepublik. Während halb Europa nach der Finanzkrise 2008 in eine schwere Depression rutschte, boomte die deutsche Konjunktur dank der Exporte bald. Viele Warenlieferungen gingen ins Reich der Mitte. Jetzt läuft es nicht mehr so geschmiert. "Gerade für den deutschen Maschinenbau wird China zunehmend schwierig", beobachtet Felbermayr.
Betrachte man Ex- und Importe bei Gütern, sei China mittlerweile Deutschlands wichtigster Handelspartner vor den USA. "Der deutsche Export reagiert deutlich stärker, so dass die Dynamik der Exporte nach China um circa 0,5 Prozentpunkte schwächer ausfällt, als wenn China noch mit 6,5 Prozent im Jahr wachsen würde."