Autoindustrie:Werden in deutschen VW-Werken bald chinesische Autos gebaut?

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Noch verlassen frisch gebaute Autos das VW-Werk in Osnabrück. Bis 2027 ist die Produktion dort noch gesichert. Doch welches Modell dann dort gebaut werden wird, ist offen. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Unternehmen aus China wollen möglichst bald auch in Europa Autos bauen. Jetzt gibt es Gerüchte, VW-Werke in Deutschland könnten das Interesse der Asiaten geweckt haben.

Von Alexander Hagelüken, Christina Kunkel und Gregor Scheu

Es klingt auf den ersten Blick nach einer „Win-win-Situation“: In Deutschland sind viele Autofabriken nicht ausgelastet, während chinesische Hersteller nach Wegen suchen, um hohe Einfuhrzölle nach Europa zu vermeiden. Es spricht deshalb einiges dafür, dass sich die chinesischen Unternehmen verstärkt nach Produktionsstätten in Europa umschauen, in denen sie ihre Fahrzeuge zukünftig bauen könnten. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sind aktuell auch Standorte von VW in Deutschland im Fokus chinesischer Autobauer. Reuters zitiert dazu einen nicht näher genannten Insider.

Als Käufer kämen demnach sowohl private als auch staatliche chinesische Unternehmen aus dem Automobilsektor infrage, auch Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Firmen seien denkbar, sagte der Insider. Die chinesische Regierung dürfte in jedem Fall von Anfang an mit beteiligt sein und sich ein Vetorecht vor einer Investition vorbehalten. Peking wartet laut Aussage des Insiders das Ergebnis der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar ab. Denn ein solcher Schritt sei nur dann möglich, wenn Politiker und Gewerkschafter in Deutschland ihn befürworteten.

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass im Werk eines deutschen Autoherstellers in naher Zukunft Fahrzeuge chinesischer Marken vom Band laufen? Infrage kommen dürfte für eine Übernahme – wenn überhaupt – höchstens das VW-Werk in Osnabrück, dessen Zukunft bis vor ein paar Wochen noch offen schien. Die Fabrik, in der rund 2300 Beschäftigte arbeiten, drohte schon vom kommenden Jahr an ohne neues Modell dazustehen, das dort gebaut werden könnte. Doch im Rahmen der Tarifverhandlungen erreichten Gewerkschaft und Betriebsrat zumindest, dass bis 2027 ein Cabrio von VW in Osnabrück produziert wird. Bis dahin dürfte ein Verkauf des Werks also sowieso keine Option sein. Welches Modell danach nach Osnabrück kommt, muss im Rahmen der Konzernplanungen allerdings erst noch entschieden werden.

Der Betriebsrat ist strikt gegen einen Verkauf

Vom VW-Betriebsrat kommt zu den Verkaufsgerüchten ohnehin eine eindeutige Reaktion: „Bei Volkswagen steht kein Werk zum Verkauf“, erklärte ein Sprecher auf SZ-Anfrage. Bevor sich Vorstand und Arbeitnehmerseite kurz vor Weihnachten auf ein Sparpaket einigten, war bereits mehrmals spekuliert worden, ob VW einen Käufer für eines der besonders gefährdeten Werke suchen würde. Etwa einen deutschen Rüstungsproduzenten. Damals war klar, dass die Arbeitnehmerseite solche Lösungen – wenn überhaupt – nur mittragen würde, wenn es umfangreiche Beschäftigungsgarantien für die Werke geben würde.

Inzwischen hat sich die Situation allerdings grundlegend geändert. Vor der Einigung auf das Sparpaket hatte der Vorstand gedroht, bis zu drei Werke im Inland zu schließen, Zehntausende Stellen zu streichen und die Jobgarantie für die deutschen VW-Werke nicht zu verlängern. In der Einigung allerdings stimmte der Vorstand einer neuen Jobgarantie bis 2030 zu. Betriebsbedingte Kündigungen oder die Schließung von Werken sind nicht vorgesehen. Der Wegfall der Schließung hat den Druck radikal reduziert, eine andere Lösung für Fabriken außerhalb von VW zu suchen. Dies dürfte erklären, warum der Betriebsrat glasklar auf die vagen Gerüchte über chinesische Investoren reagiert.

Man kann sich auch fragen, wie wahrscheinlich ein Verkauf eines Werkes an einen Investor aus China wäre, das wegen seiner Missachtung der Menschenrechte und des aggressiven Vorgehens gegen andere Länder schwer in der Kritik steht. Anteilseigner an VW ist auch das Land Niedersachsen. Würde der SPD-Ministerpräsident Stephan Weil oder eine neue Bundesregierung einen Verkauf nach China zulassen? Daran gibt es mindestens große Zweifel. Eher denkbar erscheint, dass eines der Werke Auftragsfertigung für andere Firmen übernimmt, auch darüber wurde vor der Einigung spekuliert. In so einer Konstellation würden die VW-Beschäftigten in einer VW-Fabrik auch Fahrzeuge anderer Marken zusammenbauen.

Eine Übernahme wäre ein großer Marketingerfolg für China

Allein schon aus Imagegründen wäre die Übernahme eines VW-Werks durch einen chinesischen Hersteller in China eine Sensation. Volkswagen galt in China lange als Konzern, der der dortigen Industrie zeigt, wie man es richtig macht. Von Volkswagen beim Bauen von Autos zu lernen, hieß in China, Siegen zu lernen. Als chinesisches Unternehmen im eigenen Land nun verkünden zu können, man übernehme ein Werk von Volkswagen in Deutschland, wäre ein satter Marketingerfolg. Denn die „Vom Schüler zum Meister“-Rhetorik ist eine, die seit Jahren im Hinblick auf Chinas Industrie trägt und in der Öffentlichkeit und von der Regierung in Peking viel Zuspruch erfährt.

In China hat VW längst Partnerschaften mit einheimischen Herstellern wie SAIC und FAW und betreibt mit ihnen gemeinsam Fabriken. Einerseits, weil eine Allianz mit einem Staatskonzern für ausländische Autobauer lange vorgeschrieben war. Andererseits sind chinesische Hersteller bei Software und Elektroantrieben mittlerweile so gut, dass sich VW Hilfe bei diversen Start-ups holt, zum Beispiel beim jungen Autohersteller Xpeng.

Von Image-Erfolgen einmal abgesehen, spricht für China allerdings nicht viel für den Kauf eines deutschen VW-Werks. Zwar sucht das Land händeringend nach europäischen Produktionsstandorten, um bestehende und drohende Zollabgaben zu verhindern. Doch warum man diese gerade im teuren Deutschland aufbauen beziehungsweise übernehmen sollte und nicht etwa in Ost- oder Südeuropa, bleibt fraglich.

Der größte chinesische Autohersteller, BYD, errichtet gerade eine Fabrik in Ungarn, Leapmotor baut bereits Fahrzeuge im Stellantis-Werk Polen zusammen. Dennoch sind auch viele Autofabriken, an denen chinesische Firmen interessiert waren, am Ende doch nicht an diese verkauft worden. Beispiele dafür sind das Ford-Werk in Saarlouis oder das Audi-Werk in Brüssel. An beiden Standorten wird wohl noch in diesem Jahr das letzte Auto gebaut werden.

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